Gicht
KRANKHEIT IM WOHLSTAND
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Die Stoffwechselerkrankung geht mit einer erhöhten Harnsäurekonzentration im Blut einher. Mit der Nahrung aufgenommene Purine werden im Organismus zu Harnsäure umgewandelt. Sie kommen auch als körpereigene Bestandteile in Coenzymen und als Bausteine in der DNS vor. Die Harnsäure wird als Endprodukt des Purinstoffwechsels im Dünndarm und in der Leber gebildet. Hauptsächlich wird sie über die Nieren ausgeschieden, nur ein kleiner Teil über den Darm. Ist das Gleichgewicht zwischen Produktion und Ausscheidung im Körper gestört, kann sich eine Hyperurikämie einstellen. Zunächst verursachen die erhöhten Blutwerte keine Beschwerden. Ob eine Gicht ausbricht, hängt von der Dauer und Art der Hyperurikämie ab. Zwei Formen und vier Phasen Bei der primären Gicht handelt es sich um einen erblich bedingten Stoffwechseldefekt. In den meisten Fällen ist die renale Harnsäureausscheidung hierbei beeinträchtigt. Selten liegt die Ursache dann in einer erhöhten Harnsäureproduktion. Die sekundäre Form ist häufiger. Sie tritt als Folge einer
starken Übersäuerung des Körpers oder begleitend zu anderen Krankheiten auf. Auch die Einnahme bestimmter Medikamente kann dazu beitragen. Patienten können sich in verschiedenen Phasen der Erkrankung befinden: k Stadium 1: Die Harnsäurewerte der Patienten sind erhöht. Symptome treten noch nicht auf. k Stadium 2: In dieser Phase kommt es zu akuten Gichtanfällen. k Stadium 3: Diese Periode bezeichnet den Zeitraum zwischen zwei Gichtattacken. k Stadium 4: Die Gicht liegt nun chronisch vor. Es kommt zu Nieren- und Gelenkveränderungen.
Plötzliche Schmerzattacken an Fingern und Zehen Äußere Faktoren wie purinreiche Nahrungsmittel oder alkoholische Getränke lösen einen Anfall aus. Bei Harnsäurewerten über 6,5 mg/dl Blut können Uratkristalle ausfallen. Es folgt eine Kaskade an Entzündungsreaktionen. Tückischerweise bricht die Attacke ohne Vorwarnung über scheinbar gesunde Menschen ein. Der erste Ausbruch betrifft häufig nur ein Gelenk, meist das der großen Zehe. Ferner können die heftigen Schmerzen in Knie-, Finger-, Sprung- oder Handgelenk auftreten. Die Gelenke sind rot und geschwollen. Begleitsymptome sind möglicherweise Erbrechen, Fieber oder Kopfschmerzen.
Behandlungsmöglichkeiten Ziel der Therapie ist die Senkung der Harnsäurekonzentration, sodass die Kristallbildung ausbleibt. Im akuten Gichtschub sollen vorrangig die starken Schmerzen der Betroffenen gelindert werden. Daher unterscheidet man zwischen einer prophylaktischen Therapie und der Behandlung akuter Fälle.
DIAGNOSTIK
Der erhöhte Harnsäurespiegel lässt sich durch ein Blutbild nachweisen. Jedoch sind die Werte von der Nahrungsaufnahme abhängig. Nimmt der Arzt nach einem Anfall Blut ab, kann es sein, dass sich der Harnsäurespiegel bereits auf dem Normalniveau befindet. Ein einzelner guter Laborbefund reicht also nicht aus, um zu zeigen, dass keine Gicht vorliegt. Männer sind häufiger von der Erkrankung betroffen als das weibliche Geschlecht. Bei Frauen kommt es vorwiegend nach der Menopause zu Gicht. Insgesamt liegt das Eintrittsalter der Stoffwechselerkrankung meist zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr.
Bei letzterer werden nicht-steroidale Antirheumatika, COX- 2-Hemmer, Colchicin oder Glukokortikoide eingesetzt. Die NSAR stillen die Schmerzen und die Patienten profitieren von der entzündungshemmenden Wirkung. Gut geeignete Wirkstoffe sind Ibuprofen, Naproxen oder Diclofenac. Diese Wirkstoffe sollten gegenüber denen ohne entzündungshemmende Wirkung bevorzugt werden.
Der Wirkstoff Acetylsalicylsäure ist jedoch kontraindiziert, da er in hohen Dosierungen die Ausscheidung der Harnsäure drosselt und einen Gichtanfall hervorrufen kann. Aus der Gruppe der COX-2-Hemmer ist Etoricoxib zugelassen. Colchicin, ein Alkaloid aus den Samen der Herbstzeitlosen, muss aufgrund seiner geringen therapeutischen Breite sehr genau dosiert werden, denn zwischen der schädlichen und wirksamen Dosis liegt nur ein geringer Spielraum.
»Männer sind häufiger als Frauen von Gicht betroffen.«
Häufig gehen mit dessen Anwendung heftige Magen-Darm-Beschwerden einher, daher wird es nur in Ausnahmefällen eingesetzt. Für Patienten mit Leberund Niereninsuffizienzen ist Colchicin tabu. Erzielen die genannten Medikamente nicht den erwünschten Effekt, helfen systemisch verabreichte Glukokortikoide.
Prophylaxe Zwei Wirkprinzipien stehen zur Senkung der Harnsäurewerte zur Verfügung: Urikostatika vermindern die Harnsäurebildung, Urikosurika fördern die Ausscheidung.
Klassiker Allopurinol Das Urikostatikum ist ein Analogon des Hypoxanthins. Es blockiert das Enzym Xanthinoxidase, das aus Hypoxanthin über Xanthin Harnsäure herstellt. In niedriger Konzentration wirkt Allopurinol kompetetiv hemmend, dagegen blockiert es in höheren Konzentrationen nicht-kompetetiv. Im akuten Gichtanfall darf der Wirkstoff nicht eingesetzt werden, weil dadurch gegebenenfalls verstärkt Harnsäurekristalle gebildet werden, was die Attacke verschlimmern würde. Allopurinol ist in Dosierungen von 100 bis 800 Milligramm täglich zugelassen. In der Regel verordnen Mediziner Tagesdosen von 100 bis 300 Milligramm.
Zu den häufigsten Nebenwirkungen gehören Erbrechen, Übelkeit und Hautreaktionen wie Juckreiz oder Hautauschlag. Im Beratungsgespräch sollten PTA und Apotheker Patienten, die mit einem Rezept über Allopurinol in die Apotheke kommen, auf mögliche Interaktionen mit anderen Arzneimitteln hinweisen.
Vorsicht ist bei folgenden Substanzen geboten:
- ACE-Hemmer Captopril
- Amoxicillin
- Cumarine
- Ciclosporin
- Probenecid
- Salicylaten
- Zytostatika, insbesondere Mercaptopurin
- Azathioprin.
Neuere Option Febuxostat ist ein 2-Aryl-Thiazol-Derivat, das 2010 in Deutschland zur Behandlung von Gicht eingeführt wurde. Es blockiert ebenfalls die Xanthinoxidase, jedoch selektiver und stärker als Allopurinol. Ein großer Vorteil ist, dass deutlich weniger Arzneimittelinteraktionen mit anderen Wirkstoffen auftreten. Wechselwirkungen zeigt Febuxostat mit Azathioprin, Theophyllin und Substanzen, welche die Glucuronidierung hemmen.
Besonders sinnvoll ist die Anwendung des Wirkstoffs bei Patienten, die viele Arzneimittel einnehmen und bei Betroffenen, die zusätzlich unter einer eingeschränkten Nierenfunktion leiden. Für Personen mit koronarer Herzkrankheit oder Herzinsuffizienz ist Febuxostat nicht geeignet.
Urikosurika Diese sind eine Alternative zum Allopurinol und werden beispielsweise bei Patienten verordnet, die zusätzlich Azathioprin einnehmen müssen. Dazu gehören die Wirkstoffe Benzbromaron oder Probenecid. Sie blockieren kompetetiv an der Niere die Rückresorption der Harnsäure, sodass diese vermehrt über den Urin ausgeschieden wird. Zu Beginn der Therapie besteht die Gefahr, dass Harnsäureausfällungen die Entstehung von Nierensteinen fördern.
In erster Linie wird Benzbromaron eingesetzt. Es muss einschleichend dosiert werden. Vertragen Betroffene Benzbromaron und Allopurinol nicht, kann der Arzt Probenecid verordnen. Bei Niereninsuffizienz und -steinen ist es jedoch kontraindiziert. Weisen Sie Ihre Kunden darauf hin, dass sie während der Therapie mindestens zwei Liter täglich trinken müssen. Sportler dürfen Probenecid nicht verwenden, da die Substanz auf der Dopingliste steht.
In Maßen statt in Massen Betroffene sind in der Lage, einen entscheidenden Beitrag zur Therapie zu leisten, indem sie auf eine purinarme Kost achten. Oft kann eine günstige Ernährung die notwendige Dosis ihrer harnsäuresenkenden Arzneimittel vermindern. Positiver Begleiteffekt ist, dass Erkrankungen wie Hyperlipidämie oder Adipositas ebenfalls verbessert werden.
Gichtpatienten sollten täglich höchstens 100 Gramm Fleisch, Wurst oder Fisch verzehren. Sie sollten bestimmte Fischsorten wie Hering oder Sardellen, Innereien und fettreiche Lebensmittel meiden. Es empfiehlt sich, einen Fettanteil in der Nahrung von 70 Gramm pro Tag nicht zu überschreiten. Auch der Alkoholkonsum muss bei Gicht eingeschränkt werden. Etwa ein Glas Bier oder Wein täglich liegt im akzeptablen Bereich.
Zu einer gesunden Ernährung gehört immer auch eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr. Mit Kaffee, Tee, Mineralwasser und Fruchtsäften lässt sich der Bedarf abwechslungsreich gestalten. Statt einer kompromisslosen Ernährungsumstellung raten Experten zum kontinuierlichen, kontrollierten Wechsel der Essgewohnheiten. Ungünstig wirken sich sowohl Radikaldiäten als auch ein exzessiver Konsum von fettreichen Speisen oder Alkohol aus.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 10/12 ab Seite 74.
Martina Görz, PTA und Fachjournalistin (FJS)