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Giftpflanzen

KLEINES IMMERGRÜN

Kleine blaue Windräder verzieren den unscheinbaren Bodendecker, der glücklicherweise selten zu Vergiftungsfällen führt – und der die Unsterblichkeit symbolisierte.

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Das Kleine Immergrün ist der einzige in Mitteleuropa heimische Vertreter aus der Familie der Hundsgiftgewächse (Apocynaceae). Schon der Name der Pflanzenfamilie deutet auf die Giftigkeit des Halbstrauches hin. Alle Pflanzenteile der Pflanze sind aufgrund der etwa 40 verschiedenen enthaltenen Indolalkaloide toxisch. Vincamin stellt mit einem Anteil von bis zu zwei Dritteln das Hauptalkaloid dar. Die Vergiftungserscheinungen äußern sich in einer starken Blutdrucksenkung, Herz-, Kreislauf- und Atembeschwerden sowie gastrointestinalen Störungen.

Beliebter Bodendecker Kleine Kinder scheinen wenig Interesse an dem eher unauffälligen Gewächs zu haben. Auch ähnelt es keiner essbaren Pflanze, sodass Giftnotzentralen nur wenige Intoxikationen mit Vinca minor registrieren. Das Kleine Immergrün wird vielmehr von Gartenliebhabern geschätzt. Da es sehr anspruchslos ist und in halbschattigen bis leicht schattigen Standorten gut gedeiht und schnell eine geschlossene Pflanzendecke ausbildet, wird es gerne als Bodendecker in Gärten, Parkanlagen und Friedhöfen angepflanzt. Das Gewächs findet sich aber auch in Wäldern an inzwischen verlassenen Standorten. Dort zeigt sein konzentriertes Auftreten die einstige Lage ehemaliger Burgen und Siedlungen an, da es schon vor langer Zeit kultiviert wurde.

Klein im Wuchs Für den Gattungsnamen Vinca existieren verschiedene Deutungen. Zum einen soll es sich von lat. vincire = umwinden ableiten, da die langen Pflanzentriebe alles umschlingen, was sich ihnen entgegenstellt. Zum anderen ist eine Abstammung von lat. vincere = besiegen möglich, was auf die hohe Frostresistenz Bezug nimmt. Der Artname minor bedeutet klein und grenzt das Gewächs von der etwas größer wachsenden Art major ab.

Vinca minor erhebt sich nur etwa 10 bis 20 Zentimeter über dem Erdboden und besitzt immergrüne, lederartige bis zu vier Zentimeter große Blätter. Diese haben eine länglich-lanzettliche Form und sind kreuzgegenständig angeordnet. Von März bis Mai entstehen kleinen violett- blaue, manchmal auch weiße Blüten, die wie kleine Windräder aussehen. Sie bestehen aus fünf Blütenblättern, die an der Basis zu einer Röhre verwachsenen sind.

Groß in der Symbolik Früher diente Vinca minor als Schutzpflanze, die böse Personen, Geister und Krankheiten vom Haus fernhalten sollte. Darüber hinaus symbolisierte sie die Unsterblichkeit, weshalb die Toten aus Immergrün gebundene Kränze als Sinnbild des Kreislaufes des Lebens und der Wiedergeburt mit ins Grab bekamen und die zu der Bezeichnung Totenkraut geführt haben.

Alte Heilpflanze
Das Kleine Immergrün wurde auch zu arzneilichen Zwecken verwendet. Bereits die alten Griechen und Römer lobten ihre Wirkung bei Durchfall, Gebärmutterleiden, Zahnschmerzen oder gegen giftige Schlangenbisse. Auch später im Mittelalter fand die Pflanze medizinisches Interesse. Vor allem war sie damals ein bekanntes Wundheilmittel, das in den alten Kräuterbüchern unter der Bezeichnung Singrün (von mittelhochdeutsch sin = immerwährend) aufgeführt wurde. Der heute übliche Name Immergrün, der sich ebenso auf die das ganze Jahr über grünen Blätter bezieht, setzte sich erst später durch.

Aber auch als Symbol der Treue und Reinheit trugen früher junge Mädchen Kränze aus Immergrün, worauf die volkstümlichen Namen Jungfernkronenkraut oder Jungfernkranz Bezug nehmen. Ebenso trugen Bräute Immergrün als Brautschmuck, da es als eine Liebespflanze mit magischer Kraft galt. Das gemeinsame Essen der Blätter soll gar das Brautpaar noch enger miteinander verbunden haben.

Moderne Medizin In der Volksheilkunde wurde Vinca minor früher als diuretisches und blutreinigendes Mittel gebraucht. Außerdem sollte es gegen Husten, Halsentzündungen und Verdauungsprobleme helfen. Die Schulmedizin setzte die Pflanze vor nicht allzu langer Zeit vor allem in der Geriatrie zur Steigerung der Hirndurchblutung, zur Verbesserung der zerebralen Sauerstoffaufnahme sowie zur Erhöhung der Glukosebereitstellung im Gehirn ein. Daneben kam es bei Durchblutungsstörungen der Netzhaut und des Innenohres zur Anwendung.

Da aber die Wirksamkeit nicht ausreichend belegt ist und sich im Tierversuch Blutbildveränderungen zeigten, die auf die Begleitstoffe des Vincamins zurückzuführen sind, wurde 1987 ein Vertriebsverbot für die Pflanze erteilt und die Zulassung für alle immergrünhaltigen Präparate widerrufen. Obwohl Vincamin-haltige Fertigarzneimittel nicht von dem Verbot betroffen waren, sind auch sie aufgrund des Erlöschens der fiktiven Zulassung seit 2005 nicht mehr in Deutschland erhältlich, zumal sie zuvor schon durch die Entwicklung neuerer Medikamente zunehmend therapeutisch an Bedeutung verloren hatten. In der Homöopathie kommen weiterhin die frischen, oberirdischen Teile blühender Pflanzen bei nässenden Ekzemen, Schleimhautblutungen und Gerinnungsstörungen zum Einsatz.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 01/14 ab Seite 80.

Gode Meyer-Chlond, Apothekerin

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