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Wetterfühligkeit

KEINE EINBILDUNG

Das Gewitter, der Föhnwind, die Kaltfront: Für Kopfweh, Kreislaufprobleme und andere Befindlichkeitsstörungen wird gerne das Wetter verantwortlich gemacht. Doch was ist wirklich dran an der berühmten Wetterfühligkeit?

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Ob am Arbeitsplatz oder im Freundeskreis, an der Bushaltestelle oder im Taxi, in der Arztpraxis oder in der Apotheke: Kaum ein anderes Thema liefert so viel Gesprächsstoff wie das Wetter. Denn schließlich ist immer Wetter – meist jedoch leider das falsche. Zu heiß, zu kalt, zu windig, zu schwül, zu wechselhaft, rund ums Jahr bereitet uns das Klima Kopfzerbrechen – und mitunter auch Kopfschmerzen.

Zumindest denjenigen, die sich als wetterfühlig bezeichnen. Unter Wetterfühligkeit, auch Meteoropathie oder Meteorotropismus genannt, verstehen Experten eine Überempfindlichkeit gegenüber Witterungserscheinungen wie Luftdruckschwankungen, Hitzewellen, drückender Luft oder Gewitter. Diese Überempfindlichkeit wirkt sich dann prompt auf das Allgemeinbefinden aus: Wetterfühlige Menschen klagen bei Wetterwechsel oder bei bestimmten Wetterlagen über gesundheitliche Beeinträchtigungen, leiden beispielsweise unter Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Müdigkeit, Kreislaufproblemen, Antriebslosigkeit oder schlechter Stimmung.

Oft löst Föhnwetter körperliches Unbehagen aus. Als Föhn wird ein abwärts gerichteter Wind bezeichnet, der in der dem Wind abgewandten Seite von Gebirgen auftritt. Der warme Fallwind, der häufig in den Alpen bläst, kann Geschwindigkeiten von bis zu 150 Stundenkilometern erreichen. Im Schlepptau hat er warme Luft, die uns im Winter mitunter frühlingshafte Temperaturen beschert, aber eben auch Kopfweh & Co.

Anpassungsproblem mit Folgen Bei jedem Wetterwechsel muss der menschliche Körper eine Anpassungsleistung vollbringen. Das ist wichtig, um die Körpertemperatur konstant bei 37 C° zu halten. Normalerweise ist unser Organismus zum Glück in der Lage, unbemerkt auf Wetteränderungen zu reagieren. Bei manchen Menschen scheint diese Anpassungsfähigkeit allerdings beeinträchtigt zu sein – umso stärker, je schneller und stärker sich das Wetter ändert.

Kurzfristige Änderungen im Wetterablauf gelten als potenzielle Stressfaktoren für den Organismus. Ausgeprägte Luftmassenwechsel scheinen die Gesundheit und das Wohlbefinden besonders oft negativ zu beeinflussen. Auch Tiefzentren scheinen wetterbedingte Beschwerden und Befindlichkeitsstörung eher zu begünstigen, während warme Hochs einen eher günstigen Einfluss auf das allgemeine Befinden haben. Welche Wetterlage allerdings Kopfweh, Kreislaufprobleme, Abgeschlagenheit und ähnliche Symptome nach sich zieht, ist eine recht individuelle Angelegenheit und variiert von Mensch zu Mensch.

Über die genauen Ursachen der Wetterfühligkeit rätseln Wissenschaftler bis heute. Doch es gibt viele Theorien und Vermutungen. Eine davon: Luftdruckschwankungen könnten über die Sinneszellen an der Halsschlagader (sogenannte Barorezeptoren) die für Wetterfühligkeit typischen Beschwerden auslösen. Auch Sferics, schwache elektromagnetische Wellen, die zum Beispiel durch Blitzschlag oder luftelektrische Schwankungen ausgelöst werden, spielen womöglich eine Rolle.

Trotz intensiver Forschung gibt es bislang keine medizinischen Studien, die einen kausalen Zusammenhang zwischen Wetter und Wohlbefinden nachweisen. Wohl aber existieren zahlreiche Umfragen und Studien, die zeigen: Wetterbedingte Beschwerden sind keine Einbildung. Und der Leidensdruck Betroffener ist mitunter immens.

Kranke sind empfindlich Von der Wetterfühligkeit mit oft eher unspezifischen Symptomen unterscheiden Experten die Wetterempfindlichkeit: Dieses Phänomen kennen zahlreiche Menschen, die unter bestimmten Vorerkrankungen leiden, zum Beispiel unter Herz-Kreislauf-Problemen, Asthma, Bluthochdruck, Migräne oder einer rheumatischen Erkrankung. Bei ihnen können „ungünstige“ Wetterlagen oder Wetterwechsel die Grunderkrankung nachweislich verstärken und das Wohlbefinden so beeinträchtigen.

Bekannt ist beispielsweise, dass sowohl Kälte als auch große Hitze Herz-Kreislauf-Patienten stark zu schaffen machen können und dass sich Gelenkschmerzen durch Kälte verstärken können. Bei wetterempfindlichen Menschen sind die Zusammenhänge zwischen Wetterlage und Wohlbefinden oft klarer als bei denjenigen, die von klassischer Wetterfühligkeit geplagt werden.

Ein Beispiel: Bei Kälte verengen sich die Blutgefäße in der Haut und in anderen Körperregionen stark. Der Blutdruck steigt, das Herz muss das Blut gegen einen größeren Widerstand durch den Kreislauf pumpen. Für den Herzmuskel und die Gefäßwände ist das eine echte Herausforderung. Das erklärt, warum klirrende Kälte für Herzpatienten außerordentlich belastend und mitunter sogar höchst gefährlich ist.

Jeder Zweite ist betroffen Rund 50 Prozent der Deutschen sind der Meinung, dass das Wetter Einfluss auf ihre Gesundheit hat, so das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Deutschen Wetterdienstes im Auftrag des Umweltbundesamtes. Während 57 Prozent der Frauen wetterfühlig sind, beträgt der Anteil der Wetterfühligen bei den Männern lediglich 42 Prozent.

Neben dem Geschlecht spielt auch das Alter eine Rolle: In der Altersgruppe der 16- bis 29-jährigen ist die Wetterfühligkeit mit 40 Prozent signifikant niedriger als in der Gesamtbevölkerung, bei den über 60-jährigen mit 56 Prozent hingegen deutlich höher. Kopfschmerzen und Migräne sind die meistgenannten wetterbedingten Beschwerden, gefolgt von Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Gelenkschmerzen und Schlafstörungen.

Alarmierend: Bei 29 Prozent der Wetterfühligen waren die wetterbedingten Beschwerden im Jahr vor der Befragung mindestens einmal so stark, dass sie ihrer normalen Tätigkeit nicht nachgehen konnten.

Den Wetterkapriolen trotzen Die Umfrageergebnisse zeigen eindrucksvoll, dass Wetterfühligkeit für sehr viele Menschen ein wichtiges Thema ist und nicht selten eine erhebliche Belastung darstellt. Wichtig deshalb, dem wetterbedingten Unwohlsein ein Schnippchen zu schlagen. Ansonsten gesunde Menschen werden oft besser mit Wetterkapriolen fertig, wenn sie ihren Körper sanft abhärten und so seine Anpassungsfähigkeit an unterschiedliche Wetterlagen erhöhen.

Experten empfehlen zu diesem Zweck, bei jedem Wetter (Ausnahmen bilden Extreme wie Hagel, Sturm und Gewitter) an die frische Luft zu gehen. Schon ein 30-minütiger Spaziergang täglich ist gut, um die Thermoregulation des Körpers effektiv zu trainieren. Auch Maßnahmen wie Saunabesuche, Wechselduschen und Kneipp’sche Wasseranwendungen helfen, die Blutgefäße zu trainieren und den Körper „wetterfester“ zu machen.

Chronisch kranke Menschen, die über Wetterempfindlichkeit klagen, sollten allerdings zunächst mit dem behandelnden Arzt besprechen, ob Sauna, Kneipp- Anwendungen & Co. für sie infrage kommen. Grundsätzlich wichtig zu wissen ist, dass das Wetter alleine nicht krank macht. Wer immer wieder unter Schmerzen oder allgemeinem Unwohlsein leidet, sollte diese Beschwerden also nicht leichtfertig auf das Wetter schieben, sondern die Ursachen ärztlich abklären lassen.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 11/16 ab Seite 98.

Andrea Neuen-Biesold, Freie Journalistin

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