Grundlagen, Konzept und Anwendung

HOMÖOPATHIE

Die Homöopathie ist eine nachhaltig wirkende und nebenwirkungsarme Behandlungsmethode. In den letzten Jahren hat sich die Beratung zur homöopathischen (Selbst-)Medikation in der Offizin fest etabliert.

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Vermutlich erleben auch Sie in der täglichen Arbeit die große Nachfrage nach einer homöopathischen Beratung. Dieser Artikel ist der Auftakt einer Serie über die homöopathische Medizin und ihre Anwendungsmöglichkeiten in der Offizin. Zunächst betrachten wir die Grundlagen der Methode, um dann in den weiteren Folgen die Beratungsmöglichkeiten bei verschiedenen Indikationen zu besprechen.

Wirkt sie nun – oder wirkt sie nicht? Für die einen ist die Beschäftigung mit der Homöopathie ein „Rückfall ins Mittelalter“, andere sehen in ihr eine medizinische Methode mit einem verständlichen, nachvollziehbaren und eigentlich sehr modernen Konzept. In den letzten Jahren kamen etliche Studien und Metaanalysen zu einem positiven Urteil. Letztlich spielt jenseits von theoretischen Erwägungen die persönliche Erfahrung eine große Rolle: Wer die oft erstaunlich schnelle und kraftvolle Besserung seiner Lebensqualität nach Einnahme einer homöopathischen Arznei verspürt, dem ist meist egal, ob die Wirkung theoretisch nachvollziehbar oder durch Studien beweisbar ist.

Ähnlichkeitsprinzip Die Homöopathie ist ein eigenständiges, klar strukturiertes und auf der Grundlage rationaler Handlungsanweisungen aufbauendes Heilverfahren. Ihr visionärer Begründer, der deutsche Arzt und Apotheker Dr. Samuel Hahnemann , entwickelte den Grundgedanken der Methode, das Ähnlichkeitsprinzip (griechisch: homoios = ähnlich / pathos = das Leiden). Es besagt, dass ein homöopathisches Medikament krankhafte Zustände heilen kann, welche es in ähnlicher Form bei einem gesunden Menschen hervorruft. Ein Wirkstoff kann bei einem gesunden Menschen charakteristische Beschwerden hervorrufen – leidet ein Mensch unter einer Krankheit mit einer ähnlichen Symptomatik, wird diese Substanz zum passenden homöopathischen Arzneimittel.

Individuelle Arzneimittelwahl Dies führt zu der zunächst ungewohnten Situation, dass bei verschiedenen Kranken mit ein und derselben klinischen Diagnose, je nach persönlichem Beschwerdebild, verschiedene homöopathische Arzneimittel zum Einsatz kommen können. Zum „passenden“, heilenden homöopathischen Arzneimittel führt die individuelle Symptomatik des Patienten. Je „ähnlicher“ das homöopathische Arzneimittel gewählt ist, d. h. je genauer die persönlichen Beschwerden mit der Wirkung der Arznei (am Gesunden) übereinstimmen, umso effektiver ist seine heilende Kraft.

Arzneimittelprüfung Um den individuellen Symptomen eines Menschen ein passendes, ähnliches Arzneimittel zuordnen zu können, bedarf es einer detaillierten Kenntnis der zur Verfügung stehenden Wirkstoffe. Im Rahmen Homöopathischer Arzneimittelprüfungen durch gesunde Personen werden alle neu auftretenden Symptome beobachtet und dokumentiert. Diese Prüfungssymptome charakterisieren gemeinsam mit den bekannten pharmakologischen und toxikologischen Daten (Vergiftungssymptome) wie ein Mosaik das sogenannte Arzneimittelbild der homöopathischen Arznei. Das Erfassen der individuellen Symptome bei einem Kranken und der anschließende Abgleich mit Symptomen aus der Arzneimittelprüfung gemäß dem Ähnlichkeitsprinzip ist die rationale Basis der Homöopathie.

Herstellung homöopathischer Arzneien Die Anweisungen für die Herstellung der Arzneien sind im Homöopathischen Arzneibuch (HAB) verbindlich beschrieben. Das Prinzip der Potenzierung besteht in einer schrittweisen „Verdünnung“ der Ausgangssubstanzen in einem definierten Mischungsverhältnis. Es werden verschiedene Potenzierungssysteme unterschieden. Bei der Herstellung von D-Potenzen wird 1 Teil Urtinktur mit 9 Teilen (1:10) wirkungsneutralem Lösungsmittel (Alkohol) versetzt und verschüttelt. Diese Zubereitung ist die erste Dezimalpotenz, kurz D1 genannt.

Beträgt das Mischungsverhältnis 1:100, entstehen Centesimalpotenzen (C-Potenzen). Zur Herstellung steigender Potenzstufen wird der beschriebene Vorgang schrittweise wiederholt. Primär nicht lösliche Ausgangssubstanzen werden ebenfalls gemäß HAB mit Milchzucker verrieben (Tabletten). Die beliebten arzneilichen Streukügelchen (Globuli) entstehen durch Imprägnation zunächst unarzneilicher Zuckerkügelchen definierter Größe mit dem flüssig potenzierten Wirkstoff.

Störung der Homöostase Störungen unseres inneren Gleichgewichtes (Homöostase, Gesundheit) führen zu Regulationsbemühungen, die sich als Symptome klinisch manifestieren. Aus Sicht der konventionellen Pharmakotherapie sind es genau diese Symptome, die es zu behandeln gilt („symptomatische Behandlung“). Die zugrunde liegende Störung der Regulation, die Störung der Homöostase, bleibt dabei unberücksichtigt.

Regulationsbehandlung Die Homöopathie versteht sich dem gegenüber als Regulationsbehandlung. Die (passende) homöopathische Arznei setzt einen gezielten Impuls, darauf folgt als Reaktion des Organismus die Aktivierung der regulierenden, heilenden Mechanismen (körperlich und seelisch). Derart behandelt besteht die Chance auf nachhaltige Heilung – ohne dauerhafte Medikation.

Vorgehen in der Offizin Die homöopathische Beratung zur (Selbst-) Medikation orientiert sich im Apothekenalltag an den Prinzipien der bewährten Indikationen. Dabei werden vor allem die aktuell präsenten, lokalen Krankheitssymptome berücksichtigt. Im Unterschied zu der mehr bei chronischen Beschwerden angezeigten „konstitutionellen“ Behandlung, bei der die Zeichen und Symptome des ganzen Menschen, einschließlich seiner Geistes- und Gemütssymptome berücksichtigt werden, wird dieses Vorgehen als organotrop (organbezogen) bezeichnet. Dieses Vorgehen ist pragmatisch, einfach und auch mit einem Minimum an homöopathischer Theorie in der Offizin schnell umzusetzen.

Mit Hilfe der Frage: „Was ist am schlimmsten, was stört am meisten?“ gelingt es Ihnen meist schnell, die wesentlichen Symptome zu erkennen. Weitere Hinweise für die homöopathische Behandlung erhalten Sie dann durch die W-Fragen: Wo sind die Beschwerden? Wie fühlt es sich an? Wie ist die Absonderung beschaffen? Was bessert, was verschlechtert die Beschwerden? Was begleitet die Beschwerden?

Grenzen der Beratung Es ist selbstverständlich, dass bei der homöopathischen Beratung in der Offizin die fachgerechte medizinische Sorgfalt ihre Anwendung findet. Erfolgt z. B. bei akuten Krankheiten keine Besserung in adäquater Zeit, drohen lokale Komplikationen oder befindet sich die oder der Erkrankte in gefährdetem Allgemeinzustand, ist es geboten und selbstverständlich, den Betroffenen zum Arztbesuch zu raten.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 02/11 ab Seite 58.

Dr. med. M. Berger, Facharzt für Allgemeinmedizin, Homöopathie

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