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Alternative Heilmethoden

HILFE ZUR SELBSTHILFE

Therapiekonzepte, die sich von der klassischen Schulmedizin unterscheiden, liegen im Trend. Wichtig, dass Sie sich hier auskennen und Ihre Kunden kompetent über Chancen und Grenzen der „anderen“ Medizin informieren können.

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Die Deutschen sind aufgeschlossen, offen für Neues und durchaus auch bereit, gewohnte Pfade zu verlassen, um neue Wege einzuschlagen – zumindest beim Thema Gesundheit. Viele wollen sich nicht ausschließlich auf die Schulmedizin verlassen, wenn es darum geht, Krankheiten vorzubeugen und zu kurieren.

Aus ganz unterschiedlichen Gründen: Da gibt es Apothekenkunden, die ihren Körper auf möglichst sanfte und nebenwirkungsarme Weise von Beschwerden und Befindlichkeitsstörungen befreien möchten. Aber auch Patienten mit chronischen Erkrankungen, die von klassischen Therapiekonzepten enttäuscht und auf der Suche nach sinnvollen Ergänzungen sind.

Mit homöopathischen, anthroposophischen oder anderen komplementärmedizinischen Arzneimitteln assoziieren viele Kunden positive Eigenschaften wie ganzheitliche Wirkung, Aktivierung der Selbstheilungskräfte und gute Verträglichkeit. Vor diesem Hintergrund ist kein Wunder, dass sich alternative beziehungsweise ergänzende Behandlungskonzepte großer Beliebtheit erfreuen. Dass die Wirkung zahlreicher alternativer Heilmethoden wissenschaftlich umstritten ist und Kritiker so mancher Behandlung maximal einen Placebo-Effekt bescheinigen, macht sie für überzeugte Verwender nicht weniger wertvoll.

BEGRIFFSWIRRWARR
Die Termini „Alternativmedizin” und „Komplementärmedizin” werden häufig synonym verwendet. Von vielen Experten wird jedoch Letzterer bevorzugt. Aus gutem Grund, denn dies macht deutlich, dass viele unkonventionelle Therapien die naturwissenschaftlich orientierte Schulmedizin nicht ersetzen, sondern ergänzen wollen – was durchaus sinnvoll und bereichernd sein kann. Zu einer Gefahr für die Gesundheit können alternative Heilverfahren jedoch werden, wenn sie eine etablierte und nachweislich wirksame schulmedizinische Therapie ersetzen wollen und dadurch schlimmstenfalls eine dringend erforderliche Behandlung unterbleibt.

Anstatt auf pharmazeutische Studien verlassen sich viele Normalbürger eben lieber auf ihr „gutes Bauchgefühl“, ganz nach dem bekannten Motto: Wer heilt, hat recht! Umfragen belegen das enorme Interesse an Komplementärmedizin. Beispiel Naturheilmittel: Eine bevölkerungsrepräsentative Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach aus dem Jahr 2010 hat ergeben, dass 70 Prozent der Deutschen ab 16 Jahren bereits Naturheilmittel verwendet haben, für ein weiteres Fünftel der Bevölkerung käme dies zumindest infrage. Lediglich sieben Prozent äußerten sich strikt ablehnend.

Naturheilmittel werden vor allem bei leichteren Erkrankungen und Befindlichkeitsstörungen erfolgreich eingesetzt. Insbesondere bei Erkältungen, aber auch bei Magen- oder Verdauungsbeschwerden, Schlaflosigkeit und Kopfschmerzen hätten ihnen die Präparate geholfen, betonen die Verwender. Natürliche Heilmittel werden vor allem zur begleitenden Medikation geschätzt: Zwei Drittel der Nutzer nehmen normalerweise zusätzlich auch andere Arzneimittel, so ein wichtiges und richtungsweisendes Ergebnis der Studie. Ähnliche Resultate brachte vor drei Jahren eine repräsentative Befragung zu Bekanntheit, Verwendung und Image homöopathischer Arzneimittel ans Tageslicht. Auch diese Untersuchung wurde vom Institut für Demoskopie Allensbach durchgeführt.

Wichtige Ergebnisse: Über 90 Prozent der Deutschen kennen homöopathische Arzneimittel und über die Hälfte haben sie schon selbst verwendet. Vor allem durch Empfehlungen von Bekannten , vom Arzt (37 Prozent) und aus der Apotheke (31 Prozent) sind die Verwender auf Homöopathika aufmerksam geworden. Ein Ergebnis, das zeigt, welch hohen Stellenwert der Rat und die Empfehlung des Apothekenteams für deutsche Verbraucher haben.

Um kompetent über komplementärmedizinische Therapeutika, klassische Indikationen und Grenzen der (Selbst)-Behandlung informieren zu können, sollte sich die PTA mit „Alternativmedizin“ auskennen. Wobei es natürlich unmöglich – und auch nicht erforderlich – ist, alle noch so exotischen und teilweise skurril anmutenden Therapiekonzepte erläutern zu können.

Ein solides Grundwissen über gängige Behandlungen der Komplementärmedizin ist für die tägliche Beratungspraxis jedoch unverzichtbar. Im Beratungsgespräch darf dabei der Hinweis nicht fehlen, dass unklare, anhaltende oder zunehmende Beschwerden kein Fall für die Selbstmedikation mit Globuli & Co. sind, sondern Anlass für einen Arztbesuch. Im Apothekenalltag wichtige Rollen spielen unter anderem die anthroposophische Medizin und die Homöopathie, aber auch die Biochemie nach Dr. Schüßler und die Bach-Blütentherapie. Grund genug, diese vier „Alternativen” genauer unter die Lupe zu nehmen.

Anthroposophische Medizin – Ganzheitlich gesund Eine spirituelle Weltanschauung mit europäischen Wurzeln, das ist die Anthroposophie (griech. Weisheit vom Menschen). Der österreichische Wissenschaftler Rudolf Steiner (1861 bis 1925) begründete die Lehre, die er auch als „anthroposophische Geisteswissenschaft” bezeichnete, Anfang des 20. Jahrhunderts. Auf seiner Lehre basiert die anthroposophische Medizin, die sich nicht als Alternative, sondern als Ergänzung der Schulmedizin versteht.

Das Besondere: Jeder Patient wird individuell und ganzheitlich betrachtet. Für diese spezialisierten Ärzte bilden körperliches und seelisches Leben mit der Individualität des Menschen eine Einheit. „Die anthroposophische Medizin versteht sich als eine ,salutogenetische Medizin’, die die Selbstregulation des Organismus steigert“, erläutert Martin Straube, niedergelassener anthroposophischer Arzt aus Fischerhude bei Bremen. Medikamentöse Therapieansätze werden durch nicht-medikamentöse (z. B. Heileurhythmie, Achtsamkeitsübungen, Kunsttherapie) ergänzt.

Arzneimittel: Für die Herstellung werden pflanzliche, tierische, mineralische oder metallische Ausgangsstoffe (z. B. Quarz, Schwefel, Kupfer, Gold, Arnika, Euphrasia, Schlangengift) einzeln oder in Kombination verwendet. Die anthroposophische Pharmazie lehnt sich an bestimmte, auch in der Homöopathie verwendete Herstellungsvorschriften (Potenzierung) an, kann sich aber durch die verwendeten Pflanzenteile und Extraktionsmethoden unterscheiden. Es existieren auch spezifische anthroposophisch-pharmazeutische Herstellungsverfahren.

Grundsätzlich gilt: Hier ist eine Natursubstanz dann für die Behandlung von Krankheiten geeignet, wenn der jeweilige Krankheits- und ein Naturprozess sich entsprechen. Viele Pflanzen, Mineralien und Metalle haben charakteristische Merkmale, aus denen sich ihre medizinische Verwendung ableiten lässt. Auf Grundlage dieser Zusammenhänge wird das passende Arzneimittel für ein Krankheitsbild ausgewählt.

In der Praxis werden die unterschiedlichsten Arzneiformen eingesetzt, zum Beispiel homöopathische Globuli, Tabletten, Dilutionen, Suppositorien, Injektionen, Salben und Essenzen. Viele Arzneimittel für die innerliche und äußerliche Anwendung sind für die Selbstmedikation geeignet, vor allem bei leichteren Erkrankungen oder Beschwerden.

Klassische Einsatzgebiete sind unter anderem grippale Infekte, Kopfschmerzen, Verdauungsstörungen und Hautverletzungen. Es gibt auch verschreibungspflichtige und/oder GKV-erstattungsfähige anthroposophische Arzneimittel. Beispiele sind Herz-Kreislauf- Mittel mit Bilsenkraut sowie Mistelpräparate für die Krebstherapie.

Beratungstipp: Bei Stress und nervöser Erschöpfung kann diese Medizin helfen. „Es geht darum, einen guten eigenen Weg zu finden und die Stressresistenz zu erhöhen“, informiert Martin Straube. „Hier bietet die anthroposophische Medizin gut wirksame stoffliche und nicht-stoffliche Alternativen an, die gut verträglich sind und individuell kombiniert werden können.“ Auf medikamentöser Ebene stehen neben Mono- auch Kombinationspräparate mit Komponenten wie potenziertem Gold und Mineralien wie Quarz zur Verfügung.

Homöopathie – Gleiches mit gleichem heilen „Similia similibus curentur“, zu deutsch „Ähnliches werde mit Ähnlichem geheilt“, heißt das Wirkprinzip. Und das bedeutet: Geheilt werden krankhafte Zustände mit jenen homöopathisch aufbereiteten Naturstoffen, die – in größerer Dosis verabreicht – bei gesunden Menschen genau diese Krankheit auslösen würden.

Beispiel Küchenzwiebel: Die Knolle verursacht bei Gesunden bekannterweise eine laufende Nase und tränende Augen. Beim Kranken hingegen wird sie genau gegen diese Beschwerden eingesetzt. Diese Ähnlichkeitsregel, auch als Simileprinzip bezeichnet, bildet eines der Grundprinzipien der Homöopathie, deren Begründer der deutsche Arzt und Apotheker Dr. Samuel Hahnemann (1755 bis 1843) ist.

homöopathische globuli auf einer glasfläche
Dr. Samuel Hahnemann arbeitete zunächst mit starken Verdünnungen, ohne diese zu verschütteln, fand aber später heraus, dass durch das Potenzieren eine Wirkungsverstärkung erreicht werden kann.

Welches Arzneimittel das individuell passende ist, richtet sich nach der genauen Symptomatik des Patienten. Dabei gilt: Je ähnlicher das homöopathische Mittel gewählt ist, umso größer ist seine Heilkraft.

Arzneimittel: Für die Herstellung wird die Ausgangssubstanz (Urtinktur) schrittweise verdünnt, in der Homöopathie ist von Potenzierung die Rede. Das Besondere: Je stärker die natürliche Ausgangssubstanz verdünnt wird, umso höhere Wirkkraft wird ihr zugesprochen. Für die Herstellung von D1-Potenzen (D steht für Dezimal) wird ein Teil Urtinktur mit neun Teilen wirkungsneutraler Lösung versetzt und verschüttelt. Verdünnt man D1 erneut mit neun Teilen des Lösungsmittels entsteht D2 usw. Bei einer Verdünnung von 1:100 spricht man von C-Potenzen (Centesimalpotenzen).

Die genaue Herstellung der Präparate regelt das Homöopathische Arzneibuch (HAB) verbindlich. Angeboten werden sie vor allem als arzneiliche Streukügelchen (Globuli), Tabletten, Dilutionen und Salben. Als nebenwirkungsarme Behandlung eignet sich die Homöopathie auch für die Selbstmedikation bei alltäglichen Beschwerden und Bagatellerkrankungen. Praktisch für die Therapie der ganzen Familie sind spezielle Haus- und Reiseapotheken, die Mittel in gängigen D-Potenzen gegen Erkältungsbeschwerden, Magen-Darm-Probleme, Fieber, Verletzungen & Co. enthalten.

Beratungstipp: Einfach in der Anwendung sind Komplexhomöopathika (auch als Kombinationsmittel bezeichnet), die mehrere homöopathisch aufbereitete Substanzen beinhalten. Sie sind meist gegen mehrere Symptome eines Beschwerdebildes wirksam und auch für Kunden ohne Vorkenntnisse einfach anzuwenden. Klassische Indikationen sind beispielsweise Schlafstörungen, fieberhafte Erkältungen, Menstruationsbeschwerden und die Wundheilung. Aber auch zur unterstützenden Behandlung chronischer Erkrankungen wie Allergien oder rheumatischer Beschwerden sind Komplexhomöopathika geeignet.

Biochemie nach Dr. Schüßler – Kick für die Zellen Im 19. Jahrhundert entwickelte der deutsche Arzt Dr. Wilhelm Heinrich Schüßler (1821 bis 1898) eine Heilweise mit zwölf Mineralstoffverbindungen, die er biochemische Funktionsmittel nannte. Schüßler ging davon aus, dass mit dem Impuls der homöopathisch aufbereiteten Salze Störungen in der Verteilung der Mineralstoffe im Körper überwunden werden könnten. Nach seinem Tod führten seine Nachfolger 15 weitere Mineralstoffverbindungen ein, die als Ergänzungsmittel bezeichnet werden.

WEITERE ALTERNATIVEN HEILMETHODEN
+ Akupunktur ist Teil der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) und wird bei uns unter anderem zur Schmerztherapie und bei allergischen Erkrankungen eingesetzt. Durch das Einstechen mit Akupunkturnadeln an bestimmten Punkten des Körpers sollen Blockaden gelöst und Organsysteme beeinflusst werden.
+ Eigenblutbehandlung ist eine Reiztherapie, bei der der Patient sein eigenes Blut injiziert bekommt, das zuvor entnommen wurde. Einsatzgebiet sind beispielsweise allergische Erkrankungen.
+ Eigenurintherapie Hier wird der eigene Harn in kleinen oder größeren Mengen getrunken, äußerlich angewandt oder von einem Therapeuten injiziert. Dadurch sollen unter anderem die körpereigenen Abwehrkräfte angeregt werden. Zum Einsatz kommt die Therapie mit eigenem Urin beispielsweise bei Infektions- und Hautkrankheiten sowie bei Allergien.
+ Geistheilung Um die Krankheit ihrer Patienten zu heilen oder zu lindern, stellen Geistheiler vermeintlich einen Bezug zwischen sich und dem Patienten her. Sie sehen sich beispielsweise als Werkzeug Gottes oder als Vermittler von Energie. Verwandte Verfahren sind Handauflegen und Fernheilung.
+ Schröpfen Meist am Rücken des Patienten werden Gefäße, in denen Unterdruck erzeugt wird, auf die Haut gesetzt und dadurch Reize gesetzt. So sollen unter anderem Muskel- und Gelenkprobleme, Asthma und Wechseljahrsbeschwerden gelindert werden. Man unterscheidet unblutiges Schröpfen
(Schröpfmassagen) von blutigem.
+ Shiatsu stammt aus Japan und beinhaltet neben der Druckmassage (Akupressur) dehnende Griffe und Bewegungen. Durch Shiatsu sollen die Selbstheilungskräfte des Körpers angeregt werden.

Heute dienen Schüßler-Salze, die direkt auf den Mineralstoffhaushalt der Zellen wirken sollen, vor allem als „Hilfe zur Selbsthilfe” und werden unter anderem präventiv und therapiebegleitend eingesetzt.

Arzneimittel: Die 12 Basis- und 15 Ergänzungssalze werden nach den Vorgaben des Homöopathischen Arzneibuchs in D-Potenzen (z. B. D6, D12) hergestellt. Für die innere Anwendung stehen Tabletten, Pulver und Tropfen zur Verfügung, für die äußerliche gibt es Cremes und Lotionen. Welches Schüßler-Salz das richtige ist, darüber kann unter anderem die so genannte Antlitzanalyse Aufschluss geben: Anhand von Färbung, Struktur und Spannung der Haut können ausgebildete Berater erkennen, welches biochemische Funktionsmittel benötigt wird.

Beratungstipp: Berühmt und bei vielen Anhängern beliebt ist die „Heiße 7”, die bei Schmerzen und akuten Krämpfen für Linderung und Entspannung sorgen kann. Für die Zubereitung werden zehn Tabletten (für Kinder fünf) des Basissalzes Nr. 7 Magnesium phosphoricum in abgekochtem, heißem Wasser aufgelöst und getrunken.

Bach-Blütentherapie – Seelische Balance finden Das Original geht auf den englischen Arzt und Forscher Dr. Edward Bach (1886 bis 1936) zurück. Er ging davon aus, dass körperliche Erkrankungen auch mit einem seelischen Ungleichgewicht zusammenhängen. Bach definierte verschiedene disharmonische Gemütszustände (z. B. Eifersucht, Ängstlichkeit, Mangel an Selbstvertrauen), denen er einheimische Blüten zuordnete.

Bachblüten: Zur Anwendung kommen auch heute noch 38 speziell (homöopathieähnlich) aufbereitete Blütenauszüge von wild wachsenden Pflanzen in individuell zusammengestellten Mischungen. Klassische Einsatzgebiete sind die seelische Gesundheitsvorsorge sowie die Bewältigung anhaltender seelischer Stress- und Krisensituationen. Aber auch bei akuten und chronischen Krankheiten können Bachblüten therapiebegleitend eingesetzt werden.

Beratungstipp: Die bekannteste Mischung heißt „Rescue“. Vielen ist die fixe Mischung der fünf Bachblüten Star of Bethlehem, Rock Rose, Impatients, Cherry Plum und Clematis besser unter dem Begriff „Notfalltropfen” bekannt. Sie soll bei akuten Stress- und Schockzuständen, etwa Prüfungsangst oder nach einer Verletzung, für innere Ruhe sorgen. Der Name darf natürlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Notfalltropfen kein Ersatz für Erste-Hilfe-Maßnahmen sind! 

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 09/12 ab Seite 60.

Andrea Neuen-Biesold, Freie Journalistin

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