© shironosov / iStock / Getty Images
© shironosov / iStock / Getty Images

Alkohol und Arzneimittel

HELAU UND ALAAF – ABER OHNE PROST!

Närrisch geht es zurzeit her. Für ausgelassene Stimmung sorgen meist Wein, Bier, Schnäpse oder Alkopops. Keine gute Idee, wenn gleichzeitig Medikamente eingenommen werden. Lesen Sie hier, warum und wann Sie in der Apotheke zum Spielverderber werden sollten.

Seite 1/1 3 Minuten

Seite 1/1 3 Minuten

Alkohol wird vom Körper nahezu vollständig aufgenommen und zwar im Wesentlichen in Magen und Dünndarm. Bei nüchterner Einnahme erreicht die Konzentration im Blut etwa nach einer halben Stunde bis Stunde ihren Peak. Nach einer deftigen Mahlzeit verschiebt er sich entsprechend nach hinten. Ethanol ist in jeder Konzentration ein Giftstoff für den Körper, den er nur in kleinen Mengen schadlos abbauen kann. Weil er in Deutschland nahezu für jedermann problemlos erhältlich ist, wird dies weitgehend verniedlicht. Bereits in niedriger Dosierung verändert er jedoch unser Verhalten und greift in die Funktion unserer Organe ein. Dabei kann seine Auswirkung bei der Dosissteigerung bisweilen ins Gegenteil umschlagen.

Vom Schwips zum Koma So wird unser zentrales Nervensystem bei geringerer Alkoholkonzentration zunächst mal angeregt. Viele werden etwas lockerer und enthemmter, die Party kommt so richtig ins Rollen. Ab 0,5 Promille kippt die Stimmung. Dann kommt die sedierende Wirkung des Nervengiftes zum Tragen. Alkohol macht dann müde, benommen, sorgt für Schwindel, Atemdepressionen, Amnesien bis hin zum Koma. Auch der Herz-​Kreislauf unterliegt bei höherer Promillezahl einem Umkehreffekt.

Während kleine Mengen den Blutdruck etwas erhöhen und die Person anregen, sorgt mehr Alkohol im Blut dafür, dass sich die Gefäße weitstellen, was für einen Blutdruckabfall sorgt, der zu Schwindel und vor allem Wärmeverlust führt. Beim Feiern in Schnee und Kälte kann das gefährliche Folgen haben. Besonders Menschen mit Vorerkrankungen kann geringer Alkoholkonsum auch ohne zusätzliche Medikamente in Bedrängnis bringen. Das sind zum Beispiel Diabetiker: Sie müssen beim Alkoholkonsum eine Blutzuckersenkung mit einkalkulieren.

Wer zuerst? Die gleichzeitige Einnahme von Alkohol und Medikamenten birgt Gefahren, denn beide sind dosisabhängig potenzielle Gifte. In vielen Fällen konkurrieren Sie um die Enzyme, die die beiden Rivalen zum Abbau benötigen. Das heißt, dass bei gleichzeitiger Einnahme einer der beiden Stoffe nicht oder nur langsam abgebaut wird und diese Substanzen dann kumuliert. So erfolgt der Abbau von Alkohol zu etwa 90 Prozent in der Leber, wo er vom Enzym Alkoholdehydrogenase zunächst zu Acetaldehyd und in einem zweiten Schritt durch die Aldehyddehydrogenase zu Essigsäure beziehungsweise Acetyl-Coenzym A weiterverarbeitet wird.

Diese Substanz wird unter anderem in den Citratzyklus eingeschleust und dort zu Kohlendioxid und Wasser unter Gewinnung von Energie abgebaut. Der Entgiftungsprozess durch Aldehydehydrogenase wird durch zahlreiche Arzneistoffe gehemmt. Dazu gehören die Antimykotika Griseofulvin, Ketoconazol, Nifuratel (auch bakterizid), das gegen Bakterien und Parasiten wirksame Metronidazol sowie das Che- motherapeutikum Procarbazin. Dadurch steigt die Konzentration des toxischen Zwischenproduktes Acetaldehyd an, was zu den Symptomen Übelkeit, Flush, Kopfschmerzen, Schwindel, Atemnot, Tachykardie, Blutdruckabfall oder auch Blutdruckanstieg führen kann.

Die Antiarrhythmika Verapamil, Gallopamil können den oxidativen Abbau von Ethanol hemmen, sodass eine verstärkte Alkoholwirkung zu erwarten ist. Durch die H2-Blocker Ranitidin und Cimetidin kann es durch eine Hemmung des Alkoholabbaus ebenfalls zu einer verstärkten Alkoholwirkung kommen. Auch kann dieser Effekt bei den Tuberkulosemitteln Isoniazid und Protionamid eintreten. Hier steht der verminderte Ethanolabbau in Verbindung mit einer Blockade von Cytochrom-P450-Enzymen (Isoenzym CYP2E1).

Ausnahmslos null Promille Wichtig ist, dass Sie Ihre Kunden darauf hinweisen, dass es während einer medikamentöse Alkoholentzugstherapie mit Clomethiazol auch an Fasching keinerlei Ausnahmen beim Alkoholkonsum geben darf. Die Substanz weist einen hohen First-Pass-Effekt auf, der durch Alkohol reduziert wird. Sie steht mit Alkohol in Konkurrenz um Cytochrom-P450-Enzyme. Die dadurch hervorgerufene Kumulation des Arzneistoffes kann lebensbedrohliche Folgen haben. Als Symptome können unter anderem Blutdruckabfall, Atemdepression und Koma auftreten. Generell verstärkt Alkohol den sedierenden Effekt aller zentral dämpfenden Arzneimittel, sodass bereits geringe Mengen zu Benommenheit führen können.

Das gilt nicht nur für die verschreibungspflichtigen Antiepileptika, Antidepressiva, Benzodiazepine, Antipsychotika, Anticholinergika, Cannabinoide und Opiate, auch bei den nur apothekenpflichtigen Antihistaminika muss diese Nebenwirkung einkalkuliert werden. Wer bei der Einnahme von Schmerzmitteln wie Acetylsalicylsäure, Diclofenac und Ibuprofen ohnehin Probleme mit dem Magen hat, den sollten Sie darauf hinweisen, dass Alkohol die schleimhautschädigende Wirkung verstärkt und somit das Risiko für Magengeschwüre und -blutungen erhöht. Paracetamol und Methotrexat, das als Zytostatikum und in geringerer Dosierung als Antirheumatikum verwendet wird, belasten die Leber ohnehin stark, sodass sie nicht mit Alkohol eingenommen werden sollten.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 02/2020 ab Seite 84.

Dr. Susanne Poth, Apothekerin/Redaktion

×