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Bücher, von denen man spricht

HAUT NAH

Sie umhüllt uns, dient als körpereigene Klimaanlage, ist übersät mit Sensoren. Sie tötet schädliche Bakterien, die auf ihr siedeln wollen, und ist uns überhaupt ununterbrochen zu Diensten: unsere Haut.

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Unsere Haut ist knapp zwei Quadratmeter groß und Dr. Yael Adler ist ihr mit Haut und Haaren verfallen; so sehr, dass sie Dermatologin wurde und ein Buch über sie schrieb. Dabei gibt es nichts, was ihr peinlich ist. Sie schreibt über Schuppen, Ohrenschmalz und Pickel, über Talg und Fußkäse; sie erzählt von Syphilis und Tripper, über Feigwarzen und Herpes und weiß auch, was die griechische Göttin der Schönheit, die Venus, damit zu tun hat: Der Facharzt für Geschlechtskrankheiten, der Venerologe, hat seinen Namen daher. Ganz logisch.

Auch die Haut braucht Verständnis Dr. Yael Adlers Buch „Haut nah“ ist bereits 2016 erschienen und hat viel dazu beigetragen, dass nicht nur PTA und Apotheker, sondern auch Menschen außerhalb medizinischer Berufe sich dafür interessieren, was bei Akne in den Talgdrüsen passiert, wo man sich am leichtesten Fußpilz einfängt (in der Sauna) und warum Männer kein Cellulite bekommen (sie haben das straffere Bindegewebe). Und bevor die Autorin auf das Thema Hautkrankheiten kommt – eigentlich ist es erst am Schluss des Buches soweit – erklärt sie erst einmal, was wir alles tun, um die drei Hautschichten, ihre Sekretproduktion und ihren Licht-Abwehrschutz durcheinanderzubringen.

Einst in der Ausbildung lernte jede PTA alles über Subcutis, Lederhaut und Epidermis. Und wir wissen, dass die Talgdrüsen fleißig eine körpereigene Bodylotion produziert, die unsere Haut gegen das widrige Wetter eincremt; dass zusätzlich ein bestimmter pH-Wert eingehalten wird, der schädlichen Bakterien das Leben möglichst unwirtlich macht. Im Intimbereich ist dieser Wert besonders niedrig, sodass kein pathogener Einzeller dort freiwillig siedeln würde. Wir merken das sehr deutlich, wenn das empfindliche Gleichgewicht durch Antibiotika oder ungeeignete Waschlotionen gestört ist; dann vermehrt sich nämlich Candida albicans, der Hefepilz, und verursacht eine Vaginalmykose.

Waschen, bis der Arzt kommt Wer seiner Haut also nicht zurückgibt, was er ihr durch ständiges Einschäumen und Auslaugen entzieht, züchtet sich eine kranke Haut heran, die Krankheitserregern schutzlos ausgeliefert ist. „Zwei bis sechs Stunden dauert es, bis unsere Haut den Wert mühselig wieder absenken kann – und das nur, weil wir den Säureschutzmantel gerade außer Gefecht geseift haben und unsere körpereigenen Türsteherbakterien angeschossen auf dem Boden liegen, statt den Einlass zu kontrollieren“, schreibt Adler und folgert: „Wer zuviel seift, stinkt! Die Keime verändern unseren eigentlich guten Körpergeruch in Richtung bäh!“ Zu empfehlen sei nach der Körperreinigung eine Lotion mit Harnstoff, jenem natürlichen Feuchthaltefaktor, der sowieso in unserer Haut wohnt.

Von Butter-, Ameisen und Essigsäure Doch, keine Angst, es ergeht keine Aufforderung, sich ab sofort nicht mehr zu waschen: Es sei nur nicht nötig, bei jeder Reinigung den kompletten Körper abzuseifen: „Es genügt schon, wenn wir die Krisenherde etwas intensiver bearbeiten, also die Füße, die Achseln, die Leistenregion und die Pofalte. Überall sonst kann man sehr gut ausschließlich mit Wasser duschen. Schweiß, Staub und abgeschilferte Zellen sind nämlich exzellent wasserlöslich.“

Die Autorin, die mit einer weit über das Normalmaß reichenden Gabe für das Beschreiben bildlicher Zustände gesegnet ist, weitet das Thema Geruch ein paar Seiten später aus: „Der frische Schweiß stinkt nicht. Erst wenn Bakterien ihre Arbeit beginnen und den Schweiß zersetzen, beginnt er zu riechen. Besonders intensiv ist der Schweiß, der aus den Duftdrüsen kommt. Aber auch die Fettsäuren der Haut und die Hornzellen ergeben markante Gerüche, wenn sie durch Bakterien verdaut werden. Dabei entstehende dann stinkende Säuren wie Butter-, Ameisen-, Essig- und andere kurzkettige Fettsäuren, die in den Aromen Emmentaler, Limburger, ranzige Butter, Ziegenstall und Erbrochenem erhältlich sind … Je länger die Bakterien ungehindert arbeiten können, desto intensiver das Bouquet.“

Haut und Ernährung Unter dem Kapitel „Die Haut ist, was du isst“, widmet sich Adler, die sich zusätzlich zur Ärztin für Ernährungsmedizin ausbilden ließ, den Auswirkungen unserer Ernährung auf die Haut. „Denn bevor das Essen in zerlegter Form in unserer Haut ankommt, muss es erst den Darm passieren. Darm und Haut sind gute Freunde, sie kommunizieren miteinander und schützen den Organismus – der eine von innen, der andere von außen.“ Da unserer heutigen Ernährung viele gesunde Nährstoffe fehlen, plädiert sie für einen wachsamen Umgang mit verarbeiteten Lebensmitteln. Und sie bricht eine Lanze für Nüsse. Sie würden zwar immer für ihre Kalorienmenge gefürchtet, doch werde überhaupt nur ein Teil genutzt, denn Nüsse würden von den Zähnen nicht komplett zermalmt und können vom Verdauungsapparat nicht völlig aufgeschlüsselt werden.

„Abgesehen davon, Eichhörnchen fressen ganz viele Nüsse, aber haben Sie schon mal ein fettes Eichhörnchen gesehen?“ Adler plädiert dafür, dass Menschen ohne Nussallergie täglich ein paar dieser gesunden Nährstoffbomben zu sich nehmen sollten – „und schon sinken die Risiken der Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und Organentzündungen. Die Lebenserwartung steigt, die Haut bleibt jünger!“ Immer wieder verweist Yael Adler auf den Darm, der in so engem Zusammenhang mit unserem Hautbild steht. Bei Rosazea (übersetzt: „kleine Rosenblüten“) oder Couperose sei beispielsweise besonders häufig eine Dysbiose zu finden, also eine schwere Balancestörung in der Zusammensetzung der Bakterienstämme im Darm.

„Rosazea-Haut und ihr Besitzer“ profitierten daher von einer Darmsanierung. Das gelänge nicht nur über ballaststoffreiche Lebensmittel und probiotische Lebensmittel wie unpasteurisiertes Sauerkraut, Joghurt, Kefir oder Buttermilch. Oft sei auch die zusätzliche Gabe von Darmbakterien aus der Apotheke, die es im Tütchen gibt, ein prima Anschub zur Ansiedlung erwünschter Keime.

Das Wunderwerk Haut „Haut nah“ lässt nichts aus – nicht Ausfluss noch Dermatozoenwahn, noch Ohrenschmalz noch Acne conglobata. Vor allem aber erzählt sie davon, was für ein wunderbares Organ unsere Haut ist – wenn man sie denn lässt. „Wer der Haut wirklich Gutes will, sollte nicht zuviel tun“, sagt die Autorin. „Sie kann sich nämlich ganz gut um sich selbst kümmern. Da reichen wirklich ein paar Badelatschen in der Sauna, ein sparsamer Umgang mit Seife, eine gute und ausgewogene Ernährung, im besten Sinne Maß halten, wenn es um ungesunde Dinge geht, und gern auch maßlos sein, wenn man die Haut mit Küssen und Liebe verwöhnen kann.“

Schlimm findet sie Solarien („Wer sich auf die Sonnenbank legt, verletzt seine Haut unwiderruflich“), nicht so schlimm findet sie Botox und Hyaluronsäure: „Beides sind Stoffe, die vom Körper nach einer bestimmten Zeit selbstständig wieder abgebaut werden und neben der Schönheit auch medizinische Einsatzbereiche haben. Hier werbe ich für eine akzeptierende Aufklärungsarbeit.“ Am Ende sind wir es, die entscheiden, wie unsere Haut leben soll und wie nicht, sagt die Autorin. Ihr Buch solle helfen, Entscheidungen darüber informiert und kompetent zu treffen. Wer die Autorin zudem auf einer Lesung oder in Talkshows erlebt hat, wo sie quicklebendig über ihr Lieblingsthema redet, der kann es verstehen, dass man die eigene Haut richtig liebgewinnen kann – und alles tut, damit sie sich wohl fühlt.

Den Artikel finden Sie auch in der Sonderausgabe Apothekenkosmetik der PTA IN DER APOTHEKE ab Seite 72.

Alexandra Regner, PTA und Journalistin

Dr. med Yael Adler: „Hautnah.“ Alles über unser größtes Organ, Droemer HC, 384 Seiten, 16,99 Euro, Paperback, ISBN 978-3-426-27699-0.

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