© DIE PTA IN DER APOTHEKE
© DIE PTA IN DER APOTHEKE

Tiere in der Apotheke

HAT ROCKY NEURODERMITIS?

Bei der akralen Leckdermatitis handelt es sich um eine Verhaltensstörung, die durch exzessives, zwanghaftes Belecken vor allem der Vorderpfoten gekennzeichnet ist und von der vor allem große Hunderassen betroffen sind.

Seite 1/1 4 Minuten

Seite 1/1 4 Minuten

Hunde mit Leckdermatitis sind in der Tierarztpraxis keine Seltenheit. Tiere mit dieser Verhaltensstörung belecken eine bestimmte Stelle am Körper und das häufig mehrere Stunden am Tag. Am häufigsten sind Hautareale auf der Vorderseite der Vordergliedmaßen im Bereich des Karpus, also der Vorderfußwurzel, und seitliche Areale im Bereich des Tarsus, also des Sprunggelenks, betroffen – daher kommt auch der Name: Akral bedeutet „im unteren Bereich der Gliedmaßen“. An diesen Stellen entstehen in Folge gerötete Hautverdickungen und ulzerative, haarlose Hautbezirke, der sich schwarz verfärben können.

Durch das ständige Lecken mit der rauen Zunge oder durch Kratzen und Scheuern können bereits nach wenigen Stunden sichtbare Wunden auftreten. In anderen Fällen zeigen sich die Läsionen wiederum erst nach mehreren Wochen. Wegen der entzündeten, verdickten Haut, die der eines Neurodermitikers ähnelt, spricht man auch von Hunde-Neurodermitis. Mit der Erkrankung beim Menschen hat es jedoch nichts zu tun. In einigen Fällen führt jedoch ebenfalls ein starker Juckreiz zum Belecken der Stelle.

Multifaktorielles Krankheitsgeschehen Einige Rassen sind für diese Erkrankung anfälliger, wie der Deutsche Schäferhund, Golden und Labrador Retriever, Dobermann und Doggen. Meist sind es Rüden im mittleren Alter. Diese mechanisch bedingte Hauterkrankung kann entweder psychisch oder organisch bedingt sein. Mögliche Ursachen sind unter anderem Flohbefall, bakterielle Infektionen, Hautpilzerkrankung, Parasitenbefall, Schilddrüsenerkrankungen, Hormonstörungen, Neuropathien, Tumoren oder Fremdkörper, wie beispielsweise eingetretene Steine. Auch Arthrosen oder eine Arthritis, die oft mit Schmerzen verbunden sind, können mitverantwortlich für das Auftreten einer Leckdermatitis sein.

Die Dermatitis kann auch sekundär im Zusammenhang mit einer Futterunverträglichkeit beziehungsweise Allergie entstehen, die in der Regel mit Juckreiz einhergehen, was zu einem verstärkten Belecken der Stelle führt. Entsprechend muss nach dem auslösenden Allergen gefahndet werden. Im Anschluss an eine Verletzung, in deren Folge es zu einer Knocheninfektion oder bakteriellen Hauterkrankung kommt, kann sich ebenfalls eine Leckdermatitis entwickeln. Das exzessive Belecken kann darüber hinaus durch psychische Faktoren wie Langeweile bei sehr energiegeladenen oder durch Stress bei nervösen und ängstlichen Hunden entstehen. Bei der akralen Leckdermatitis kann es sich aber auch um eine Stereotypie, das heißt um sich wiederholende Handlungen handeln. Dies kann bei Hunden auftreten, die eingeschlossen sind oder wenig Platz haben.

Die Suche nach dem Auslöser Um das Problem angehen zu können, ist es gerade wegen der zahlreichen möglichen Auslöser wichtig herauszufinden, ob eine Grunderkrankung vorliegt, um eine optimale Behandlung einleiten zu können. Liegt eine bakterielle Sekundärinfektion vor, die sich auf der entzündeten Haut entwickelt hat, muss zunächst diese behandelt werden. Da es sich oft um eine chronische Erkrankung mit tiefen entzündlichen Reaktionen handelt, kann das wochen- oder sogar monatelang dauern. Wird ein Hautpilz diagnostiziert, werden Antimykotika verabreicht. Leidet der Vierbeiner an einer Arthrose, werden Analgetika eingesetzt.

Bei einer Allergie wird, je nach auslösenden Faktoren, eine Eliminationsdiät, im Falle einer Flohbissallergie eine Flohkontrolle oder eine Hyposensibilisierung durchgeführt. In vielen Fällen ist es jedoch schwierig, die eigentliche Ursache nachzuweisen. Dann muss der betroffene Hund in erster Linie daran gehindert werden, immer wieder an derselben Stelle zu lecken. Damit die Wunde heilen kann, empfiehlt sich die Applikation von wundheilungsfördernden, juckreizstillenden Salben. Das Auftragen von bitter schmeckenden Substanzen soll die Hunde davon abhalten, ständig zu lecken.

Diese Methode ist aber nicht immer erfolgreich, ebenso wenig wie Bandagen oder Socken, die die Läsion bedecken, da viele Hunden sehr geschickt darin sind, sich von Socken und Verbänden zu „befreien“. Das Tragen eines Halskragens kann sinnvoll sein, jedoch muss das Tier daran gewöhnt werden und diesen akzeptieren. Falls die Leckdermatitis psychisch bedingt ist, ist es anzuraten, Stresssituationen oder Langeweile zu reduzieren.

Wichtig sind darüber hinaus eine Verhaltenstherapie und Verhaltensmaßnahmen wie häufigeres Spazierengehen und Spielen mit dem Hund. Dies muss insbesondere bei bestimmten Rassen wie dem Labrador beachtet werden, da dieser sehr viel Auslauf braucht. Schäferhunde benötigen zudem mentales Training, um ausgelastet zu sein. In schwierigeren Fällen kann möglicherweise die Gabe angstlösender Psychopharmaka notwendig sein – zumindest kurzfristig.

Langwierige Therapie Dies zeigt, dass die Therapie der akralen Leckdermatitis aus einem multimodalen Konzept besteht, das neben mechanischen Maßnahmen zur Verhinderung des Leckens, einer systemischen Antibiose und der Behandlung von Juckreiz und Allergien auch den Einsatz von Psychopharmaka und eine Verhaltenstherapie umfasst. Im Einzelfall kann eine Radiotherapie, also die Behandlung mit ionisierenden Strahlen, eine Therapiealternative sein. Die Behandlung der Leckdermatitis kann für den Besitzer sowie für den Tierarzt und nicht zuletzt für den betroffenen Hund ziemlich frustrierend sein, denn diese Angewohnheit wird meistens nicht so schnell aufgegeben.

Wenn einmal eine derartige Verhaltensstörung entstanden ist, bildet sie einen permanenten Reiz zu weiterem Lecken, und so erhält sich die Erkrankung von alleine aufrecht. Das Lecken wird zu einer Gewohnheit, auch wenn die auslösenden Faktoren nicht mehr vorhanden sind. Es können daher verschiedene und langwierige Behandlungsschritte erforderlich sein, bis ein Erfolg erzielt wird. Jedoch kann die Erkrankung bei den meisten Hunden kontrolliert werden – eine frühzeitige Therapie vorausgesetzt.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 04/2021 ab Seite 94.

Dr. med. vet. Astrid Heinl, Tierärztin

×