Blutteströhrchen © Henrik Dolle / stock.adobe.com
© Henrik Dolle / stock.adobe.com

Rheumatische Erkrankungen

HÄMOCHROMATOSE

Wenn der Körper aufgrund einer Genmutation zu viel Eisen aus der Nahrung aufnimmt, kann sich das auch auf die Gelenke auswirken. Entscheidend für die Prognose ist eine frühe Diagnose.

Seite 1/1 3 Minuten

Seite 1/1 3 Minuten

Normalerweise ist der Eisenhaushalt streng reguliert: Die Gesamtmenge an Eisen im Körper beträgt konstant rund vier Gramm, nur etwa ein Milligramm Eisen geht pro Tag verloren und nur genauso viel nimmt der Körper aus der Nahrung auch wieder auf. Die Regulation erfolgt über das Leberhormon Hepcidin: Wenn ausreichend Eisen im Körper vorhanden ist, wird es ausgeschüttet und verhindert die Aufnahme von weiterem Eisen.

Bei fast allen Hämochromatose-Patienten findet man Mutationen im HFE-Gen. Der genaue Mechanismus ist noch nicht bekannt, aber vermutlich führen die Mutationen im HFE-Gen bei ihnen dazu, dass trotz Eisensättigung nicht ausreichend Hepcidin hergestellt wird. Deshalb funktioniert die negative Rückkopplung nicht mehr richtig und der Körper nimmt zu viel Eisen aus der Nahrung auf – die Folge ist eine zunehmende Eisenüberladung.

Organschäden 20 Gramm Gesamtkörpereisen und mehr werden bei Hämochromatose-Patienten gemessen. Die Eisenspeicher sind überfüllt, das überschüssige Eisen kann nicht ordnungsgemäß im Körper gespeichert werden und lagert sich deshalb in verschiedenen Geweben ab. Besonders betroffen sind die Leber, das Herz, die beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse und die Gelenke. Typische Frühsymptome einer Hämochromatose, die häufig zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr auftreten, sind Müdigkeit, Abgeschlagenheit und unklare Gelenkbeschwerden. Durch die Eisenablagerungen werden die Zellen geschädigt und es kann sich Narbengewebe (Fibrose) bilden. Dadurch kommt es zu Störungen der Organfunktion bis hin zum Funktionsverlust.

Bei Eisen-Einlagerungen in der Leber kann sich eine Leberzirrhose mit einem erhöhten Risiko für ein Leberzellkarzinom entwickeln, Einlagerungen im Herzen können zu Herzrhythmusstörungen und einer Kardiomyopathie führen, Einlagerungen in der Bauchspeicheldrüse zu Diabetes. Lagert sich Eisen in den Gelenken ab, können daraus Gelenkbeschwerden und Schmerzen resultieren. Wenn die Hypophyse betroffen ist, sinkt schließlich der Testosteronspiegel, was beim Mann in einer Impotenz münden kann. Eine Bronzefärbung der Haut tritt, wenn überhaupt, erst spät im Krankheitsverlauf auf. Weil der Prozess insgesamt sehr langsam verläuft, kann eine Hämochromatose über viele Jahre unerkannt bleiben.

Erbliche Erkrankung Die Hämochromatose gehört zu den häufigsten Erbkrankheiten. Jeder zehnte Nordeuropäer trägt eine Mutation in einem seiner beiden Allele für das HFE-Gen, bei etwa 0,3 bis 0,5 Prozent der Bevölkerung sind beide Allele verändert. Einerseits lassen sich bei fast allen Erkrankten Veränderungen in diesem Gen nachweisen, andererseits ist bis heute nicht abschließend geklärt, ob alle Träger von zwei veränderten Allelen auch zwingend erkranken. Neben der primären, genetisch bedingten Form der Hämochromatose existieren auch seltenere sekundäre Formen, etwa als Folge von angeborenen oder erworbenen Störungen des blutbildenden Systems.

Diagnose Für die Diagnose der Hämochromatose werden die Eisenparameter im Blut bestimmt: Eine erhöhte Transferrinsättigung sowie eine erhöhte Serumferritinkonzentration sprechen für eine Hämochromatose. Mittlerweile existieren Gentests, mit denen sich die Mutationen im HFE-Gen nachweisen lassen. Eine Leberbiopsie (früher Standard für die Diagnose) ist heute noch sinnvoll, wenn das Ergebnis des Gentests trotz Verdacht auf Hämochromatose unauffällig ist. Zudem erlaubt sie eine Einschätzung über die Art und das Ausmaß eines Leberschadens. Mögliche weitere Organschäden lassen sich mittels CT, MRT oder Organfunktionstests beurteilen.

Therapie: Aderlass Die Behandlung der Hämochromatose ist so simpel wie effektiv: Durch regelmäßige Aderlässe wird das überschüssige Eisen aus dem Körper entfernt. Ziel ist dabei ein Serumferritinwert von weniger als 50 Mikrogramm/Liter. In Abhängigkeit von der Höhe der Eisenüberladung ist dafür zu Beginn ein Aderlass von etwa einem halben Liter im wöchentlichen bis zweiwöchentlichen Rhythmus nötig. Ist der Zielwert zwischen 50 und 100 Mikrogramm/Liter erreicht, ist ein Abstand der weiteren Untersuchungen von etwa drei Monaten ausreichend. Bei Patienten, bei denen ein Aderlass nicht infrage kommt, können auch Eisenchelatbildner zum Einsatz kommen.

Patienten sollten bei ihrer Ernährung darauf achten, dass sie Nahrungsmittel, die hohe Mengen an Eisen enthalten – etwa Blutwurst und Innereien – meiden und Substanzen, die die Eisenaufnahme erhöhen – zum Beispiel Vitamin C – in begrenzten Mengen zu sich nehmen. Wegen des Risikos für eine Leberzirrhose sollte Alkohol nur in Maßen genossen werden. Je früher die Hämochromatose festgestellt wird, desto effektiver lassen sich Organschäden vermeiden. Sollten sie dennoch bereits aufgetreten sein, etwa in Form eines Diabetes oder von Herzrhythmusstörungen, ist eine Therapie erforderlich. Bei fortgeschrittener Leberzirrhose kann eine Lebertransplantation notwendig werden.

Familienscreening Im Fall einer erblichen Hämochromatose sollten alle Verwandten ersten Grades ebenfalls getestet werden, um bei ihnen die Erkrankung möglichst früh zu entdecken. Das höchste Risiko, ebenfalls erkrankt zu sein, tragen dabei die Geschwister. Wird die Diagnose frühzeitig gestellt und werden die Eisenwerte durch Aderlasse langfristig konsequent im Zielbereich gehalten, so sind in aller Regel keine Organschäden zu befürchten und die Lebenserwartung ist normal.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 04/18 auf Seite 126.

Dr. rer. nat. Anne Benckendorff, Medizinjournalistin

×