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Heilpflanzen

GELBER ENZIAN

Von den etwa vierhundert Arten der Enziangewächse ist der gelb-blühende Gelbe Enzian medizinisch interessant, denn seine Wurzel hilft bei Verdauungsbeschwerden.

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Gentiana lutea L. ist eine mittel- und südeuropäische Gebirgspflanze, deren Bestände durch intensives Sammeln zeitweilig stark dezimiert waren. Inzwischen ist das Enziangewächs in Deutschland unter Naturschutz gestellt und seine Wurzeln dürfen nur noch durch feldmäßigen Anbau gewonnen werden.

Stattliche Pflanze Der Gelbe Enzian wächst bevorzugt auf steinigen Gebirgsböden, Schutthalden und ungedüngten Weiden. Er ist mit einer wenig verzweigten, armdicken Wurzel im Boden verankert, die bis zu einen Meter lang und bis zu sieben Kilogramm schwer werden kann. Im Frühjahr treibt aus einer grundständigen Blattrosette ein fast anderthalb Meter hoher, fingerdicker hohler Stängel aus. Dieser trägt im unteren Bereich große elliptische, gegenständig angeordnete blaugrüne Blätter, die mit starken Bogennerven durchzogen sind. Nach oben hin bilden sie schalenförmige Tragblätter, in denen drei- bis zehn-gelbblütige Trugdolden bildende Blüten sitzen, die in Scheinquirlen angeordnet sind.

Bittere Wurzel Arzneilich kommen die unterirdischen Organe des Enzians zur Anwendung, also der Wurzelstock (Rhizom) und die Wurzeln. Die Enzianwurzel ist eine reine Bitterstoffdroge (Amara pura), was auch in den volkstümlichen Namen Bitterwurzel oder Bitterwurz zum Ausdruck kommt. Sie ist gemäß der Monographien der Kommission E und der ESCOP bei Verdauungsbeschwerden wie Appetitlosigkeit, Völlegefühl und Blähungen indiziert.

Glykosidische Bitterstoffe der Secoiridoidreihe regen die Geschmacksnerven an und führen reflektorisch zu einer Erhöhung der Magensaftsekretion. Zudem wirken sie direkt auf die Magenschleimhaut und führen zur Gastrinfreisetzung, wodurch eine Anregung der Gallen- und Bauchspeichdrüsentätigkeit sowie eine Aktivierung der Magen-Darm-Muskulatur zu verzeichnen ist.

Für die Wirkung ist neben Gentiopikrosid (früher als Gentiopikrin bezeichnet), Swerosid und Swertiamarin vor allem das Acylglykosid Amarogentin verantwortlich. Es kommt zwar nur in geringer Konzentration in der Wurzel vor, hat aber einen sehr hohen Bitterwert (58 Millionen) und macht die Enzianwurzel zur bittersten heimischen Arzneidroge. Da der Gehalt an Gerbstoffen nur gering ist, ist nicht mit unerwünschten Reizwirkungen im Magen zu rechnen. Allerdings sind Bittermittel für Personen mit einem Magen- oder Zwölffingerdarmgeschwüre nicht geeignet. Zudem können gelegentlich auch Kopfschmerzen auftreten.

Altes Heilmittel Die arzneiliche Verwendung der Enzianwurzeln geht schon bis in die römische Kaiserzeit zurück. Bereits im 1. Jahrhundert n. Chr. wurde sie von Dioskurides in seinem Werk „De materia medica“ erwähnt. Zum Namensgeber der Heilpflanze und aller Enziangewächse wurde der illyrische König Gentis (180 bis 168 v. Chr.), der die Pflanze der Sage nach gegen die Pest eingesetzt haben soll. Dioskurides und Plinius dem Älteren zufolge soll der Gattungsname Gentiana ihm zu Ehren entstanden sein. Die deutsche Bezeichnung Enzian leitet sich davon unter Verlust des Anfangbuchstabens „G“ ab. Der Artname lutea stammt von lat. luteus = gelb und verweist auf die gelben Blüten der Pflanze, deren Blütezeit von Juni bis Anfang August reicht.

»Die Droge hat den höchsten Bitterwert aller einheimischen Bitterstoffdrogen.«

Geschätztes Universalheilmittel Im Mittelalter fand die Enzianwurzel als Allheilmittel gegen vielerlei Beschwerden in verschiedenen Kräuterbüchern Erwähnung und diente oft als Ersatz für die damals hochgeschätzte Alraune. Daneben wurde die Droge gegen den Biss giftiger Tiere, bei Seitenstechen, Krämpfen, Magen-, Leber- und Gallebeschwerden sowie als Gicht- und Fiebermittel eingesetzt. Auf letztere Anwendung ist die traditionelle Bezeichnung der Heilpflanze als Fieberwurzel beziehungsweise Fieberwurz zurückzuführen. Allerdings konnte eine antipyretische Wirksamkeit bislang nicht nachgewiesen werden.

Magenmittel und mehr In der Volksheilkunde wird noch heute die unterstützende Wirkung auf die Verdauungsfunktion geschätzt. Dabei findet der Gelbe Enzian nicht nur als Bittermittel gegen Appetitlosigkeit, Völlegefühl und Blähungen häufige Verwendung, auch dient er als leichtes Abführmittel. Außerdem gilt die Pflanze als Kräftigungsmittel (Tonikum) und wird zur Besserung des Befindens bei Unwohlsein angewendet. Die Droge ist daher beliebter Bestandteil zahlreicher Schwedenbitterrezepturen, verschiedener Magenliköre und Bitterschnäpse.

Die Volksmedizin setzt den Enzian auch zur Vorbeugung von Erkältungen ein. Darüber hinaus gilt der Gelbe Enzian als Frauenheilpflanze, die eine zu schwache oder ausbleibende Menstruation anregen soll. Neben den Wurzeln kommen volksmedizinisch auch die weniger bitter schmeckenden Blätter zur Anwendung.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 01/14 ab Seite 82.

Gode Meyer-Chlond, Apothekerin

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