Lupe in Mund.© Bet_Noire / iStock / Getty Images

Tabuthemen

FAULIGER ATEM

Sein Gegenüber nicht riechen zu können, weil es unter Mundgeruch leidet, ist eine Situation, die jeder schon einmal erlebt hat. Und natürlich ist es den Betroffenen äußerst unangenehm, darauf angesprochen zu werden.

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Etwa ein Viertel der Bevölkerung hat zeitweise mit unangenehmem Mundgeruch zu kämpfen, sechs Prozent sogar dauerhaft. Neue Erkenntnisse zeigen, dass sich die Mundflora über Nacht verändert, sich bedingt durch weniger Speichelproduktion und verringerte Schluckraten besonders geruchsaktive Bakterien im Mundraum vermehren und am Morgen für den schlechten Atem sorgen.

Auf den Unterschied kommt es an Mundgeruch gibt es in verschiedenen Formen. Zum einen als sogenannte Halitosis, bei der die übelriechende Ausatemluft auch beim Ausatmen durch die Nase mit geschlossenem Mund wahrgenommen werden kann. Bei einer echten Halitosis liegt die Intensität des Geruchs weit über der sozial verträglichen Akzeptanz.

Im Unterschied dazu beschreibt die Pseudohalitosis beziehungsweise die Halitophobie den Mundgeruch, der nur in der Wahrnehmung des Betroffenen existiert. Ein vorübergehender Mundgeruch durch den Verzehr bestimmter Lebensmittel wird als transiente Halitosis beschrieben. Die Form des Foetor ex ore hingegen bezieht sich auf einen ungewöhnlichen Geruch beim Ausatmen ausschließlich durch den Mund.

Hauptursache ist oft die Zunge Häufig werden die Zähne sorgfältig geputzt, aber die Zunge vergessen. Besonders im hinteren Bereich können sich so Beläge aus Speiseresten, abgestorbenen Epithelzellen und Bakterien bilden. Hier lassen sich vor allem gramnegative, anaerobe Bakterien finden, die den sauerstoffarmen Nährboden als Lebensraum nutzen. Bei der bakteriellen Zersetzung von organischem Material entstehen so flüchtige, übelriechende Schwefelverbindungen.

Weitere Ursachen für einen Mundgeruch lassen sich in Veränderungen im Mundraum und an den Zähnen finden. Gingivitis, Parodontitis, Kariesläsionen oder schlecht sitzende Prothesen, unter denen sich die Bakterien ungehindert ausbreiten können, lassen sich hier finden.

Ein reduzierter Speichelfluss durch Stress, Rauchen oder die parallele Anwendung von bestimmten Arzneistoffen wie Anticholinergika oder Antihistaminika können die Situation noch weiter verstärken. Ebenfalls tragen spezielle Diäten, Low-Carb-Ernährung sowie hoher Kaffee- und Alkoholkonsum zu Mundgeruch bei.

Ignorieren oder ansprechen? Kunden mit Mundgeruch können sich momentan gut hinter ihrer Atemschutzmaske verstecken. Wenn man in der Apotheke in der Beratung noch dazu hinter einer Scheibe steht, ist es zwar angenehm, den üblen Gerüchen nicht ausgesetzt zu sein. Es ist aber auch ausgesprochen schwierig, das Problem zu erkennen. Soll man den Kunden überhaupt ansprechen? Die Situation ist heikel.

Wenn sich die Situation ergibt und Sie eine Möglichkeit finden, taktvoll und diskret darüber zu sprechen, können Sie Ihrem Kunden vielleicht helfen und ihn vor weiteren peinlichen Situationen bewahren. Sie können zum Beispiel bei der Abgabe von Medikamenten, die den Mund austrocknen, auf eine entstehende Geruchssituation hinweisen und Methoden aufzeigen, die den Speichelfluss anregen. Richten Sie auch besonderes Augenmerk auf Kunden, die regelmäßig Kaugummis oder Pfefferminzbonbons kaufen. Sie könnten Probleme oder Angst vor Mundgeruch haben.

Erstmal zum Zahnarzt Zunächst sollten Sie zur Mundkontrolle beim Zahnarzt raten. Er wird dann, wenn kein Zahnproblem zugrunde liegt, auf die Reduktion der Zahl der Mikroorganismen im Mund abzielen. Zur Verfügung stehen Antiseptika wie Chlorhexidin zur kurzzeitigen Keimzahlreduktion. Die Anwendung sollte nicht länger als zwei Wochen am Stück durchgeführt werden, um die Mundflora nicht dauerhaft zu schädigen und keine Zahnverfärbungen oder Geschmacksbeeinträchtigungen hervorzurufen.

Zur längerfristigen Anwendung eignen sich Mundspüllösungen mit Cetylpyridiniumchlorid, Zinnfluorid, Aminfluorid, Zinklactat oder Zinkchlorid. Sie wirken ebenfalls keimreduzierend und neutralisieren geruchsaktive Stoffe. Mundwässer, Kaugummis oder Lutschbonbons mit ätherischen Ölen können zur Überbrückung genutzt werden, bis das eigentliche Problem gelöst werden kann.

Regelmäßig die Zunge reinigen Zungenreiniger und der Einsatz von Zungenpaste, die mehrmals täglich von hinten nach vorne über die Zunge gezogen werden, verringern die Dichte der geruchsbildenden Keime und beseitigen ebenfalls Nahrungsrückstände und Bakterien. Der alleinige Einsatz von Zungenschabern wird heute kaum noch empfohlen, da nur die Zungenoberfläche bearbeitet wird. Geruchsbildende Anaerobier in den tiefen Gewebsfalten der Zunge werden nicht erreicht.

Mundschleimhaut befeuchten Mittel zur Behandlung der Mundtrockenheit stellen zuckerfreie Kaugummis mit Xylitol dar, die den Speichelfluss anregen. Es stehen auch Lutschpastillen mit Hyaluronsäure als Spray oder Gel zur Verfügung. Erinnern Sie auch ans ausreichende Trinken. So werden Keime über die Speiseröhre in den Magen gespült, wo sie durch die Säure inaktiviert werden.

Tipps fürs Beratungsgespräch Halitosis-Kunden sollen grundsätzlich nicht zu harte Zahnbürsten verwenden. Weisen Sie auch auf die Verwendung von Zahnseide und Zahnzwischenraumbürsten sowie Mundspüllösungen hin. Pflanzliche Hilfe können Tabletten mit Chlorophyll oder Fenchel-, Kardamom- und Korinanderpulver bieten. Sie binden schwefelhaltige Gerüche. Mit Ihrem feinfühligen, aber offenen Umgang geben Sie jedem Betroffenen die Chance, den Mundgeruch loszuwerden.

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 06/2022 ab Seite 68.

Daniel Finke, Apotheker

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