© Olga Danylenko / 123rf.com

Psychische Störungen

ESSVERHALTEN

Dünn sein gilt heutzutage als Statussymbol. Häufig möchten junge Mädchen so aussehen wie viele Models, was in einem gestörten Essverhalten enden kann.

Seite 1/1 4 Minuten

Seite 1/1 4 Minuten

Essstörungen äußern sich generell dadurch, dass die Betroffenen zu viel oder zu wenig Nahrung aufnehmen. Gedanklich beschäftigen sie sich sehr stark mit dem Essen und der eigenen Figur. Als psychische Störungen gelten Anorexia nervosa und Bulimia nervosa (Bulimie).

Adipositas dagegen ist als medizinische, nicht als psychische Erkrankung anerkannt. Sie geht mit starkem Übergewicht einher, das aus so genannten Binge-Eating-Attacken (Heißhungeranfällen) resultieren kann. Im ICD-10, Kapitel V sind Essstörungen unter F5 gelistet. Da meistens jugendliche Mädchen betroffen sind, wird im Folgenden von Patientinnen gesprochen.

Anorexia nervosa (ICD-10 F50) Betroffene stechen durch ihr gravierendes Untergewicht hervor. Es liegt mindestens 15 Prozent unter der Norm oder der Body-Maß-Index unterschreitet einen Wert von 17,5. Aufgrund ihrer großen Angst dick zu werden, setzen Patientinnen die Schwelle für ihr Gewicht extrem niedrig an. Sie können ihre äußere Erscheinung nicht mehr realistisch einschätzen und leugnen ihren defizitären, körperlichen Zustand.

Magersüchtige vermeiden hochkalorische Speisen und führen gegebenenfalls Erbrechen herbei. Sie missbrauchen unter Umständen Appetitzügler, Diuretika und Abführmittel. Oft sind sie zudem übertrieben sportlich aktiv. In der Regel beginnt die Erkrankung in der Jugend oder im jungen Erwachsenenalter und persistiert über Jahre. Da sich Magersüchtige zu Tode hungern können, erhalten sie eventuell über eine Magensonde hochkalorische Nahrung oder werden parenteral versorgt.

Die Mangelernährung geht mit der Gefahr körperlicher Schäden einher. Bei Frauen ist ein Ausbleiben der Menstruation zu beobachten. Männer haben eine verringerte Libido und eine eingeschränkte Potenz. Wie bedrohlich die Erkrankung ist, zeigte eine kanadische Studie: Die Wissenschaftler begleiteten Essgestörte über einen Zeitraum von 20 Jahren. Die Mortalitätsrate lag bei zehn Prozent.

Bulimia nervosa (ICD-10 F50.2) Im Unterschied zur Anorexia nervosa sind Bulimiepatientinnen nicht untergewichtig. Auch sie leiden an einer krankhaften Angst, dick zu werden. Betroffene setzen sich eine klar definierte Gewichtsgrenze. Charakteristisch für die Krankheit sind Essattacken, bei denen innerhalb von kürzester Zeit große Mengen an Nahrung konsumiert werden. Auf die typischen Anfälle folgen gegensteuernde Handlungen. Um das Körpergewicht trotz dieser unkontrollierten Nahrungsaufnahme in den Griff zu bekommen, wenden Betroffene verschiedene Maßnahmen an:

  • selbstausgelöstes Erbrechen nach Essanfällen
  • Einnahme von Appetitzüglern, Diuretika, Abführmitteln und Schilddrüsenhormonen
  • Einlegen von Hungerperioden.

Im Verlauf der Bulimie zeigen sich körperliche Folgen. Durch das ständige Erbrechen werden die Zähne durch den Kontakt mit der Magensäure stark geschädigt. Zahnfleischentzündungen und Zahnwurzelabszesse sind keine Seltenheit. Durch den  Missbrauch von Laxanzien und Diuretika sowie durch das ständige Erbrechen treten unter Umständen heftige Elektrolytverluste ein. Daraus resultierende Flüssigkeitsdefizite und Kaliummangelzustände begünstigen Verdauungsprobleme.

Medikation
Arzneimittel sind bei Essstörungen nur bedingt erforderlich. Um die Häufigkeit der Essanfälle zu reduzieren, können selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI) eingesetzt werden. Der Wirkstoff Fluoxetin ist gegen Bulimia nervosa zugelassen. Auch bei Magersucht wird er manchmal verabreicht, um Rezidive zu verhindern.

Durch die Hypokaliämie ist das Risiko für Herzrhythmusstörungen und für ein irreversibles Nierenversagen erhöht. Im Allgemeinen handelt es sich um einen chronischen Krankheitsverlauf, der in vielen Fällen mehr als ein Jahrzehnt andauert. Im Vergleich zur Magersucht sind bei der Bulimie Todesfälle selten. Oft ergibt sich das Leiden aus der Anorexia nervosa oder umgekehrt. Die Symptomatik der beiden Störungsbilder macht deutlich, dass die Krankheiten keineswegs scharf zu trennen sind.

Multimodale Therapie Die Behandlung setzt sich aus psychotherapeutischen, medizinischen und ernährungstherapeutischen Maßnahmen zusammen. Daher sind Ärzte, Psychotherapeuten und gegebenenfalls Diätassistenten an der Prozedur beteiligt. Bei stark untergewichtigen Personen muss zunächst einmal das Körpergewicht stabilisiert werden. Patientinnen müssen ihre Ernährung umstellen, mit dem Ziel, ein gesundes Essverhalten zu erlernen.

Im Rahmen der Psychotherapie haben sich verhaltenstherapeutische Verfahren bewährt. Ob die Behandlung ambulant oder stationär stattfindet, ist im individuellen Fall zu entscheiden. Dabei spielen Schweregrad der Erkrankung und weitere psychiatrische Probleme eine Rolle. Insbesondere Menschen, bei denen eine Gewichtsstabilisierung dringend nötig ist, wird eine stationäre Therapie empfohlen. Nach der Entlassung müssen Patientinnen weiterhin betreut werden. Sie sollten ihre Therapie ambulant bei einem Psychotherapeuten fortsetzen, um Rückfällen vorzubeugen.

Druck durch Schlankheitsideal Zahlreiche Aspekte begünstigen Essstörungen. Genetische Faktoren, belastende Lebensereignisse, sozio-kulturelle Einflüsse und familiäre Konflikte können bei der Entstehung mitwirken. Zwillingsstudien kamen zu dem Ergebnis, dass die Anfälligkeit für Bulimie und Magersucht durch Vererbung beeinflusst wird. Besonders in westlichen Kulturen eifern junge Mädchen einem vermeintlichen Schönheitsideal nach. Danach gilt Schlanksein als perfekt.

Dass Essstörungen teilweise auf kulturelle Einflüsse zurückzuführen sind, zeigen verschiedene Untersuchungen. Beispielsweise waren weiße College-Studentinnen in den USA weniger zufrieden mit ihren Körpern als ihre dunkelhäutigen Kommilitoninnen. Aus Zeichnungen präferierten Studentinnen mit einer weißen Hautfarbe schlankere Figuren, als es darum ging, ihr bevorzugtes Gewicht zu wählen.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 04/13 ab Seite 90.

Martina Görz, PTA und Fachjournalistin (FJS)

×