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Xerostomie

EIN STIEFKIND DER THERAPIE

Wenn der Speichel fehlt, fühlt sich der Mund trocken und unangenehm an. Essen und Sprechen wird zur schmerzhaften Pflicht. Leider werden die meisten Betroffenen mit den Beschwerden alleine gelassen.

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Das Gefühl kennt jeder: Wenn einem das Wasser im Mund zusammenläuft – zum Beispiel beim Anblick eines leckeren Essens oder beim Riechen des Duftes, der von der Bäckerei nebenan stammt. Auf diese äußeren Reize hin produzieren die Speicheldrüsen im Mund reflexartig ein dünnflüssiges Sekret. Gesteuert wird die Speichelsekretion über den Parasympathikus. Wird dieser durch bestimmte Auslöser aktiviert, nimmt auch die Speichelbildung zu.

Auf der anderen Seite bewirkt eine Blockade des vegetativen Nervensystems beispielsweise durch anticholinerge Arzneistoffe eine Reduktion des Speichelflusses und damit einen trockenen Mund. Der menschliche Körper weiß, dass er zur Nahrungsaufnahme und Verdauung ausreichend Flüssigkeit benötigt. Ohne Speichel wird das Essen trockener Speisen zur Qual. Sperrige Bissen reizen die Schleimhaut und können zu entzündlichen Läsionen bis hin zu Geschwüren in der Mundhöhle führen.

Speichel enthält aber nicht nur zu 99 Prozent Wasser, auch Mineralien, Spurenelemente, Enzyme, Wachstumsfaktoren und Antikörper sind in diesem besonderen Saft. Unabhängig vom Essen ist die Mundhöhle von einem zähen Basalsekret benetzt. Mucine sorgen für eine gute Haftung des Speichels an den Zähnen und der Mundschleimhaut. Der Speichel hat nicht nur die wichtige Funktion die Nahrung aufzuweichen und die ersten Schritte der Nährstoffaufspaltung zu übernehmen, er schützt auch die Zähne vor dem schädlichen Einfluss von kariesauslösenden Keimen. Im Speichel enthaltenes Fluorid stärkt den Zahnschmelz, Bicarbonat sorgt für einen günstigen pH-Wert von 7,8 am Zahn.

Zu wenig Spucke Ein gesunder Mensch produziert etwa 1,5 Liter Speichel – also etwa einen Milliliter pro Minute. Über den Tag wird dieser bei der Nahrungsaufnahme vermehrt gebildet, in der Nacht fahren die Drüsen ihre Leistung zurück, sodass viele die morgendliche Mundtrockenheit mit Mundgeruch kennen. Ein trockener Mund ist auch immer Zeichen von Durst. Alte Menschen trinken oft zu wenig, weil das Durstgefühl im Alter nachlässt. Doch die Speicheldrüsen benötigen für ihre Arbeit ausreichend Flüssigkeit.

Von Xerostomie sprechen Mediziner, wenn die Mundtrockenheit subjektiv als andauernd trocken empfunden wird und der gemessene Gesamtspeichelfluss ohne Stimulation weniger als 0,1 Milliliter pro Minute beträgt. Mundtrockenheit betrifft etwa jeden zehnten Deutschen. Bei den Senioren über 60 sind es etwa doppelt so viele.

UrsachenMit zunehmendem Lebensalter nimmt auch die Funktion der Speicheldrüsensekretion ab. Bei gesunden Menschen über 60 Jahre liegen die Ursachen meistens in der reduzierten Flüssigkeitsaufnahme und in den unerwünschten Begleitsymptomen vieler Medikamente. Aber auch Erkrankungen wie HIV, des Gastrointestinaltraktes, Morbus Parkinson, Schlaganfall und weitere können zu einer Störung der Speichelsekretion führen.

Weitere Ursachen können eine Chemo- oder Bestrahlungstherapie, Erkrankungen der Speicheldrüsen, Mykosen im Mundraum, Mundatmung und eine eingeschränkte Kaufunktion sein. Mundtrockenheit und sein Einfluss auf die Nahrungsaufnahme ist besonders bei alten Menschen nicht zu unterschätzen. Da über den Speichel Geschmacksstoffe freigesetzt werden, kann Xerostomie bei Menschen mit reduziertem Appetit eine völlige Nahrungsverweigerung auslösen.

Hilfe aus der Apotheke Häufig werden die Probleme schon durch vermehrtes Trinken gelindert. Bestehen diese Beschwerden dauerhaft und treten zusätzliche Symptome wie Schmerzen beim Essen, Schlucken oder Sprechen auf, sollte ein Gang zum Arzt angeraten werden. PTA und Apotheker sollten Patienten, die Arzneimittel mit anticholinergen Eigenschaften erhalten, auf das Problem der Mundtrockenheit aktiv ansprechen. Liegt es an den Medikamenten, sollte eine Umstellung der Arzneimittel erwogen werden.

Bei sehr starken Beschwerden können speichelanregende Mittel unter Berücksichtigung der sonstigen Medikation helfen. Eine gute Empfehlung für Patienten mit Xerostomie sind Kaugummis und zuckerfreie Lutschpastillen zur Anregungen des Speichelflusses. Alternativ gibt es auch Kunstspeichel als Lösung, Gel oder Spray, um die Mundschleimhaut zu schützen. Die Zusammensetzung ist bezüglich der physikalischen und chemischen Eigenschaften dem natürlichen Speichel sehr ähnlich. In diesen Produkten ist häufig Carboxymethylcellulose enthalten.

Einige Speichelersatzmittel haben eine demineralisierende Wirkung und sollten bei Patienten mit eigenen Zähnen nicht eingesetzt werden. Zusätze von Fluorid, Kalzium und Mucin in einigen Speichellösungen unterstützen hingegen die karieshemmende Wirkung und sind die bessere Empfehlung.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 10/12 ab Seite 124.

Dr. Katja Renner, Apothekerin

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