Tropfen © bdspn / iStock / Getty Images Plus
© bdspn / iStock / Getty Images Plus

Darreichungsformen

EDLER TROPFEN

Lösungen sind elementarer Bestandteil der modernen Medizin. Doch auch diese simple Darreichungsform bietet Möglichkeiten für Anwendungsfehler, deren Vermeidung in der Beratung einen festen Platz finden sollte.

Seite 1/1 4 Minuten

Seite 1/1 4 Minuten

Angefangen mit Tees über Säfte bis hin zu hochkonzentrierten Tropfen gibt es viele Möglichkeiten, einen Therapieerfolg mit flüssigen Zubereitungen zu erzielen. Die Vorteile liegen auf der Hand. Lösungen können leicht geschluckt und exakt dosiert werden. Eine hohe Compliance ist so auch bei älteren Patienten mit Schluckbeschwerden möglich, sofern sie die Tropfenzahl exakt entnehmen können. Zu beachten sind allerdings die Rabattverträge, die mit pharmazeutischen Bedenken genau zu beobachten sind. Der Austausch von starken Beruhigungsmitteln kann zu Über- oder Unterdosierungen führen. Nicht bei jedem Rabattartikel ergeben die auf dem Rezept verordneten fünf Tropfen auch die ärztlich vorgeschriebene Menge an Wirkstoff. Seitdem nun die Dosierung auf den Rezepten vermerkt werden muss, kann der Austausch leichter auf Fehler kontrolliert werden. Lösungen mit speziellen Dosierhilfen benötigen mehr Beratungsbedarf.

Lösungsmittel Damit eine Lösung chemisch gesehen als eine solche benannt werden darf, benötigt diese mindestens einen gelösten Stoff und ein Lösungsmittel. Das wichtigste Lösungsmittel ist Wasser. Dieses wird in vier Reinheitsgrade unterteilt, wobei in den meisten Apotheken im Wesentlichen nur zwei Arten zum Einsatz kommen. Aqua purificata wird für die Herstellung von Arzneimitteln benötigt, die weder steril noch pyrogenfrei sein müssen. In diese Kategorie fallen Nasensprays, Säfte oder Lösungen zur Anwendung auf den meisten Schleimhäuten. Die zweite Variante ist das Wasser für Injektionszwecke. Eingesetzt wird dieses bei der Herstellung von parenteralen Zubereitungen oder Augentropfen.

In wässrigen Lösungen können begrenzt Hilfsstoffe wie beispielsweise Ethanol, Glycerol oder Propylenglycol enthalten sein, um unter anderem Wirkstoffe in Lösung zu bringen. Diesen hydrophilen Lösungen stehen die lipophilen Lösungen gegenüber. Sie sind ohne Konservierungsstoffe gut haltbar. Grundlagen für diese Lösungen können verschiedene pflanzliche Öle oder halbsynthetische Fettsäureester wie Neutralöl sein. Die Herstellung einer Lösung ist oft unproblematisch, vorausgesetzt der zu lösende Stoff löst sich gut im Lösungsmittel. Bei thermostabilen Wirkstoffen kann auf Wärme zurückgegriffen werden, um den Lösungsprozess zu beschleunigen.

Applikationsort Die Mundschleimhaut besitzt für flüssige Zubereitungen gute Resorptionseigenschaften. Lösungen, die zur oralen Einnahme gedacht sind, sollten daher kurz im Mund behalten werden um einen Teil des Arzneistoffs direkt über die lokalen Schleimhäute aufzunehmen. So entfallen die Einwirkungen von Verdauungssäften und der First-Pass-Effekt. Der Wirkstoff kann schneller anfluten und stärker wirken. Als Beispiel hat Metamizol in Tropfenform eine höhere und schnellere schmerzlindernde Wirkung als die äquivalente Tablettenform. Was zusätzlich die Wirkung verstärkt ist der oft enthaltene Hilfsstoff Ethanol. Als Penetrationsenhancer vermindert er die Schutzmechanismen der Schleimhäute, wodurch Wirkstoffe schneller resorbiert werden können.

Ähnlich der Mundschleimhaut ist auch die Nasenschleimhaut ein möglicher Resorptionsort. Trotz der meist lokal gewünschten Wirkung kann es bei dieser Applikation zu systemischen unerwünschten Nebenwirkungen kommen. Dieser Effekt darf unter anderem bei der Abgabe von abschwellenden Nasensprays nicht unterschätzt werden. Erst vor kurzem kam es zu einem Rückruf xylometazolinhaltiger Nasentropfen, deren Überdosierung zu reflektorischer Bradykardie bei Säuglingen geführt hat. In anderen Fällen wird genau dieser systemische Effekt bewusst als Therapieoption genutzt. Fentanyl in Form eines Nasensprays kann bei extremen Durchbruchschmerzen als Bedarfsmedikation zum Einsatz kommen. Lipophile Vertreter von Triptanen können ebenfalls als Nasenspray appliziert werden, um einen potenziellen Migräneanfall effektiv zu verhindern.

Bei der Herstellung von Tropfen zur nasalen Applikation ist die Isotonie zu beachten. Damit wird hier die Anpassung der osmotischen Konzentration der Nasentropfen an die der Nasenschleimhaut bezeichnet. Wäre die Stoffmenge der gelösten Teilchen in den Tropfen zu hoch, so würde Wasser aus den Schleimhautzellen herausgezogen werden, um diesen Druck auszugleichen. Die Nasenschleimhaut wäre gereizt, würde brennen oder schmerzen. Die ideale osmotische Konzentration liegt bei 285 mosmol/kg, was einer 0,9 prozentigen Kochsalzlösung entspricht.

Die Regeln der Isotonie müssen auch bei Augentropfen bedacht werden. Die Augenschleimhäute stellen ein noch empfindlicheres Gewebe dar. Als wichtiger Applikationsort bei allgemeinen Erkrankungen des Sehapparates stellen sie höhere Anforderungen an die Verträglichkeit als die bisher erwähnten Schleimhäute. Bei einem Eigenvolumen der wässrigen Schleimhautschicht von sieben bis zehn Mikroliter pro Auge bleibt wenig Spielraum für veränderte Konzentrationen der eingesetzten Augentropfen, die im Schnitt ein Volumen von circa 50 Mikroliter pro Tropfen enthalten.

Tipps für die Beratung

+ Arzneipräparate zur oralen Einnahme in Tropfenform wirken effektiver, wenn diese vom Patienten kurz im Mund behalten werden, bevor sie geschluckt werden.
+ Geschmack kann bei Kindern als pharmazeutische Bedenken geltend gemacht.
+ Bei Austausch aufgrund von Rabattverträgen muss die Dosierung kontrolliert werden. Nicht immer ergeben die verordneten Tropfen auch die ärztlich verordnete Wirkstoffmenge.
+ Bei der Abgabe von Rabattpartnern bei Augentropfen sollten Isohydrie und Euhydrie beachtet werden. Andere pH-Einstellungen und osmotische Konzentrationen der Augentropfen können zu Reizung und Schmerzen bei der Anwendung durch den Patienten führen und so die Compliance stark gefährden.

AugentropfenZusätzlich zur Isotonie muss bei Augentropfen die Isohydrie beachtet werden. Sie besagt, dass der pH-Wert der Tropfen mit dem der Tränenflüssigkeit übereinstimmen muss. Der pH-Wert der Tränenflüssigkeit liegt bei 7,4. Viele Wirkstoffe sind nur im sauren pH-Bereich löslich und stabil. Somit muss ein Bereich geschaffen werden, der als Kompromiss zwischen der physiologischen Verträglichkeit und der Löslichkeit und Stabilität des Wirkstoffs fungiert. Die Euhydrie bezeichnet diesen physiologisch und technologisch vertretbaren pH-Bereich. Bis zu einem pH-Wert von 7,3 gelten Augentropfen als reizarm.

Die Schmerzgrenze beginnt individuell bei einem pH-Wert von circa 6. Das bedeutet für die Compliance, ein Austausch der Firmen aufgrund von Rabattpartnern kann problematisch sein. Auch wenn der Wirkstoffanteil identisch ist, hat jede Firma leicht variierende osmotische Konzentrationen und pH-Werte. Je nachdem wie empfindlich ein Kunde reagiert, können Augentropfen anderer Firmen starkes Brennen verursachen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kunde eine Unverträglichkeit reklamiert, ist bei Augentropfen daher um einiges höher als bei anderen Applikationsformen. Somit kann dieser Tropfen ins Auge wirklich ein Tropfen sein, der die Compliance zunichtemacht.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 01/2021 ab Seite 66.

Manuel Lüke, Apotheker und PTA-Lehrer für Gefahrstoffkunde

×