Frau mit Boxhandschuhen © Wavebreakmedia Ltd / Wavebreak Media / Thinkstock
© Wavebreakmedia Ltd / Wavebreak Media / Thinkstock

Geschlechtskrankheiten

BEI VAGINALINFEKTION HANDELN!

Gerät die Scheidenflora aus der Balance, verliert sie ihre Abwehrfunktion. Dann können sich krankheitserregende Bakterien und Pilze sehr stark vermehren und Infektionen der Vagina hervorrufen.

Seite 1/1 4 Minuten

Seite 1/1 4 Minuten

Die menschliche Vaginalschleimhaut ist mit Millionen von Keimen besiedelt, wobei es sich meist um Milchsäurebakterien (Laktobazillus) handelt. Das von ihnen ausgeschiedene Laktat schafft ein saures Klima (pH-Wert: 3,8- 4,5), in dem pathogene Bakterien, Pilze und Einzeller nicht gut gedeihen können. Nimmt die Zahl der Milchsäurebakterien drastisch ab, steigt der pHWert an, was das Wachstum solcher Keime und damit das Entstehen von Scheideninfektionen begünstigt. Sie zählen nicht ohne Grund zu den häufigsten gynäkologischen Erkrankungen, denn die Ursachen für die gestörte Balance der Scheidenflora können vielfältig sein. So kann sich die Zahl der Milchsäurebakterien durch Infekte, Stress oder hormonelle Zyklusschwankungen verringern, aber auch durch übertriebene Intimhygiene, falsche Kleidung, Antibiotika oder manche Kontrazeptiva.

Infektionen durch Bakterien Eine bakterielle Vaginose wird durch anaerobe Bakterien ausgelöst, wobei vor allem der Keim Gardnerella vaginalis eine Rolle spielt. Er kann beim Geschlechtsverkehr übertragen werden, findet sich aber auch bereits in der gesunden Scheidenflora und in größerer Menge im Darm, von wo er durch Schmierinfektion in die Scheide gelangen kann. Typisches Symptom einer Infektion ist ein nach Fisch riechender, grauweißer Ausfluss, während Juckreiz und Brennen eher selten sind. Die Hälfte der betroffenen Frauen bemerkt keinerlei Symptome, sodass die Vaginose erst im Rahmen der normalen Vorsorgeuntersuchungen entdeckt wird.

Unbehandelt kann die Erkrankung zu einer aufsteigenden Infektion führen. Bei Schwangeren wurde hierbei eine Korrelation mit der Häufigkeit einer Frühgeburt festgestellt, jedoch konnte nicht gezeigt werden, ob die Infektion wirklich die Ursache war. Behandelt wird die bakterielle Vaginose hauptsächlich mit den Antibiotika Metronidazol oder Clindamycin in Form von Tabletten, Vaginalzäpfchen oder -creme. Schwangere sollten, wenn möglich, erst nach dem ersten Trimester behandelt werden, dann mit Clindamycin oral. Muss bereits im ersten Trimester therapiert werden, wird Metronidazol eingesetzt.

Hierbei sollten Nutzen und Risiko jedoch genau abgewogen werden, da sich Metronidazol in Tierversuchen als karzinogen erwies. Wie lange die Medikamente angewendet werden müssen, hängt von der Schwere der Infektion und der Störung der Scheidenflora ab. Eine Mitbehandlung des Geschlechtspartners ist nicht nötig. Studien haben gezeigt, dass die Therapie dann zwar erfolgreicher, die Rückfallquote jedoch genau so hoch ist.

Chlamydien Auch Chlamydia trachomatis, einer der drei unter dem Sammelbegriff „Chlamydien“ bekannten Serotypen, kann ernst zu nehmende Schäden verursachen. Eine Infektion äußert sich durch Brennen beim Wasserlassen, einer Entzündung des Muttermunds oder Zwischenblutungen. Das Tückische daran: Die Bakterien können auch völlig beschwerdefrei ihr Werk verrichten, sie können die Eileiter verkleben und zu Unfruchtbarkeit führen. Die Infektion wird durch Geschlechtsverkehr übertragen; Männer spüren häufig keinerlei Beschwerden.

Antibiotika wirken hier sehr gut; beide Partner sollten behandelt werden. Auch eine Infektion durch Trichomonaden, die durch ihre heftigen Symptome nicht unbemerkt bleibt (grünlich-schaumiger Ausfluss, starke Entzündungsanzeichen) sollte sofort ärztlich behandelt werden. Besonders für Schwangere ist das wichtig. Sie haben das zusätzliche Problem, dass der pHWert in der Scheide sich durch die Schwangerschaft ändern kann. Deshalb: bei Beschwerden sofort zum, Arzt!

Nur keine falsche Scham: Fast jede Frau hat schon einmal mit einer Vaginose zu tun gehabt.


Infektion durch Hefepilze
Eine Scheideninfektion kann auch durch Pilze der Candida- Gruppe, meist Candida albicans, ausgelöst werden. Sie siedeln vor allem im Darm und können durch Schmierinfektion, zum Beispiel bei falscher Toilettenhygiene oder manchen sexuellen Praktiken, auf die Vaginalschleimhaut gelangen. Leitsymptome eines Scheidenpilzes sind starkes Jucken oder Brennen beim Wasserlassen und beim Geschlechtsverkehr sowie ein geruchsneutraler, bröckeliger Scheidenausfluss.

Ein Scheidenpilz wird über mehrere Tage mit Scheidenzäpfchen und -salbe behandelt; in schweren Fällen kann auch eine systemische Therapie nötig sein. Anders als bei der bakteriellen Vaginose sollte der Partner mitbehandelt werden, damit es nicht zu einem Ping- Pong-Effekt kommt. Ein schwacher Trost: Candida albicans braucht Estrogen, um zu wachsen, deshalb sind meist nur Frauen vor den Wechseljahren betroffen.

Balance wieder herstellen Wer häufiger unter bakterieller Vaginose oder Scheidenpilz leidet, sollte daran arbeiten, die Scheidenflora langfristig wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Hierzu kann das Bekämpfen anderer bestehender Infektionen ebenso beitragen wie die Vermeidung von Stress, der das Immunsystem schwächt. Darüber hinaus sollte man pH-neutrale Seifen nutzen und möglichst weite, atmungsaktive Kleidung und Unterwäsche tragen.

Unterstützen kann man die Scheidenflora durch die Einnahme von Prebiotika, zum Beispiel als Vaginalzäpfchen. Die hierin enthalten Milchsäurebakterien können wesentlich dazu beitragen die fehlende Balance wiederherzustellen. Dies belegen auch Studien: Bakterielle Vaginosen heilen schneller, wenn eine Rezidivprophylaxe mittels Lactobazillen verabreicht wurde. Die „Döderleinschen Stäbchen“, wie sie genannt werden, erniedrigen den pH-Wert wieder auf den normalen Wert und machen Pilzen und Bakterien das Leben schwer.

Schnelltests Viele Frauen sind bei Scheidenausfluss verunsichert, sie wissen nicht, ob sie eine bakterielle Vaginose oder einen Scheidenpilz haben. Schnelle Aufklärung darüber können Schnelltests liefern, die Sie empfehlen können. Ergibt der Test, dass es sich um einen Pilz handelt, können Ihre Kundinnen die Infektion sogar zeitnah ohne einen Besuch beim Gynäkologen behandeln. Das ist sinnvoll, wenn die Symptome am Wochenende auftreten oder kurzfristig kein Termin beim Frauenarzt zu bekommen ist. Raten Sie Ihren Kundinnen aber trotzdem, die Diagnose sobald wie möglich ärztlich bestätigen zu lassen. Frauen, die zum wiederholten Mal eine Vaginalpilz- Infektion haben, kennen die Symptome meist recht genau und müssen nur zum Arzt geschickt werden, wenn das Antimykotikum nicht wirken sollte.

Falscher Alarm Treten keine Bauchschmerzen, kein Jucken und Brennen und kein unangenehmer Geruch auf, handelt es sich vielleicht um einen Ausfluss, der keine Krankheit darstellt. Vor der ersten Menstruation tritt bei jungen Mädchen häufig der so genannte Weißfluss auf. Der Körper beginnt, immer mehr weibliche Geschlechtshormone zu produzieren, der Fluor albus ist ein Anzeichen dafür. Auch der Schleim, der wie ein Pfropf die Gebärmutter verschließt, verändert im Laufe des Zyklus seine Konsistenz: Nur an den fruchtbaren Tagen ist er glasklar, durchsichtig und nahezu flüssiger, ansonsten eher zäh und trübe.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 04/17 ab Seite 120.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

×