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Berühmte Apotheker

BEGRÜNDER DER LEHRANSTALTEN

Die mangelhafte Ausbildungssituation angehender Apotheker im 18. Jahrhundert zu verbessern – das war das Metier von Johann Christian Wiegleb (1732 bis 1800). Er gilt als Wegbereiter des wissenschaftlichen Pharmazie-Studiums.

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Er zählt zu den bedeutendsten Vertretern der Pharmazie und Chemie in einer Umbruchphase: Johann Christian Wiegleb. Geboren am 21. Dezember 1732 in Langensalza als Sohn des Herzoglich Gothaschen Hofadvokaten (Rechtsanwalts) Christian Ludwig Wiegleb (1702–1738) und dessen Ehefrau Rebecca Sophia (gestorben 1746) als drittes von fünf Kindern, verlor er früh – mit kaum sechs Jahren – seinen Vater.

Seine oft kränkliche Mutter heirate 1740 den Juristen und späteren Bürgermeister von Langensalza, Dr. Johann Christian Thilo (gestorben 1765), verstarb jedoch ebenfalls als Wiegleb dreizehn Jahre als war. So erinnert sich Wiegleb in seiner Skizze „Lebens und Studirens“, die heute noch Hauptquelle für seine Biographie darstellt, dass die Haupterziehungsarbeit sein Stiefvater innehatte. Dieser habe für guten Unterricht gesorgt und ihn auch sprachlich und argumentativ-rhetorisch geprägt, sei dafür durch das Wieglebsche Vermögen aber auch „genugsam schadlos gehalten“ worden.

Wieglebs spätere Arbeit in der Apotheke für Pharmazie und Chemie ist aufgrund dieser Erziehung durchaus nach dem Vorbild juristischer Fallentscheidungen durch Argumentieren und Widerlegen mittels Tatsachen geprägt, es werden experimentell nach festen Regeln erbrachte Ergebnisse herangezogen, nicht bloße Meinungen oder Spekulation. Und so wurde Wiegleb selbst auch ein begnadeter Lehrer...

Katastrophale Apotheker-Ausbildung ... nicht zuletzt wohl auch aufgrund eigener schlechter Erfahrung in seiner Lehrzeit. Denn statt Theologie zu studieren, wie sein Stiefvater wünschte, entschloss er sich zu seiner sechsjährigen Apothekerlehre an der Marien-​Apotheke bei Dr. C. Sartorius in Dresden. Erste positive Einblicke in diesen Beruf hatte er zuvor bei seinem Onkel, Johann Georg Reisig, erhalten, der 1727 die Schwanenapotheke, Rathausstraße Nummer 1, in Langensalza gegründet hatte.

Doch sein Lehrherr kümmerte sich kaum um die Offizin und das Labor, überließ die vier Lehrlinge den beiden Gehilfen, die mit ihrer Aufgabe völlig überfordert waren. Rückblickend schrieb Wiegleb später selbst: Es war „nicht von einer einzigen Arbeit Grund und Begriff verschafft worden“. „Wer sich also nicht selbst bildete, und das musste er meist unbemerkt tun, der blieb in der Kenntniß der Geschäffte, wie er war.“ Die schlechte Ausbildung war damals keine Ausnahme, es gab keine Anleitung, keine Lehrbücher. Diese eigene schlechte Erfahrung war sicherlich ein Hauptbeweggrund Wieglebs im Jahr 1779 das erste pharmazeutische Privatinstitut zu gründen.

Eigene Apothekerzeit Nach seiner Ausbildung verbrachte er jedoch noch ein halbes Jahr in der Dresdener Marien-Apotheke als Gehilfe (Geselle), wofür ihm Sartorius immerhin ein „stattliches Salarium von 10 Reichsthalern“ bezahlte. Nach einem etwa einjährigen Intermezzo in der Hofapotheke Quedlinburg folgte Johann Christian Wiegleb dem Ruf seiner Tante in die Heimat. Aufgrund des vorausgegangen Todes seines Onkels verwaltete Wiegleb ab 1755 die Schwanenapotheke in Langensalza – unter der Bedingung nicht länger als ein halbes Jahr bis Ostern 1756 auszuhelfen.

Daraus wurden mehr als vier Jahrzehnte! Denn Wiegleb „fand in dem Hause, was ich nicht gesucht und vermuthet hatte, und heyrathzete am Ende des 1758.Jahres die älteste Tochter des Hauses, übernahm die Apotheke von meiner Frau Schwiegermutter und verlegte sie in ein anderes, eigenes erkauftes Haus“, Marktstraße 7 in Langensalza. Mit der vier Jahre älteren Cousine Rebecca Christina Resig hatte Wiegleb nach und nach acht Kinder, von denen allerdings nur vier das Säuglingsalter überlebten.

Zwei davon – eine Tochter und ein Sohn – wurden bereits taubstumm geboren. Vermutlich eine Folge der inzestartigen Beziehung! Im Keller eines Seitengebäudes des neuen Hauses richtete sich Wiegleb ein geräumiges, modernes Laboratorium ein, das die Grundlage für seine spätere Forschungs- und Lehrtätigkeit bildete.

Wissenschaftliche sowie Lehrtätigkeit Seit seiner Lehrzeit widmete sich Wiegleb intensiv dem Studium pharmazeutisch-chemischer Literatur. Der Langensalzaer Arzt und späterer Professor an der Marburger Universität, Ernst Gottfried Baldinger (1738–1804), wies ihn bei einem Besuch auf den Zu- und Misstand seines Bücherbestandes hin. Er empfahl Wiegleb moderne chemische Literatur zu erwerben und regte ihn zu eigenen chemischen Untersuchungen an.

1767 veröffentlichte Wiegleb seine erste chemische Abhandlung zur Theorie vom „Acidum pinguis“ (fette Säure). Es folgten eine Vielzahl weiterer Werke als Monographien und Zeitschriftenaufsätze, die vor allem in der von Lorenz Crell herausgegebenen ersten chemischen Fachzeitschrift „Chemisches Journal“ publiziert wurden. Seine wissenschaftshistorische Schrift „Historisch-kritische Untersuchung der Alchemie oder der eingebildeten Goldmacherkunst“ war der bedeutendste und überzeugendste Beitrag jener Zeit gegen die Alchemie und für die Chemie als Wissenschaft.

Wieglebs umfangreiche publizistische Tätigkeit als Autor, Herausgeber und Übersetzer beweisen seine profunden Chemie-, Sprach-, Literatur- und Geschichtskenntnisse. Seine allgemeine Anerkennung als Chemiker führte 1776 zur Aufnahme in die Kaiserliche Deutsche Akademie der Naturforscher (Leopoldina) und in die Kurmainzische Akademie gemeinnütziger Wissenschaften in Erfurt.

Standardisierte wissenschaftliche Ausbildung 1779 gründete Wiegleb in Langensalza die erste private Lehranstalt zur wissenschaftlichen Ausbildung von Pharmazeuten in den deutschen Ländern. Insgesamt mehr als 40 junge Apothekergehilfen aus deutschen und europäischen Ländern erhielten bei ihm eine wissenschaftliche Ausbildung, darunter später so bekannte Namen wie Sigismund Friedrich Hermbstaedt (1760– 1833), Carl Ludwig Willdenow (1765–1812) oder der Dichter und Naturforscher Friedrich von Hardenberg, besser bekannt unter dem Namen Novalis (1772–1801).

Die Schüler wohnten in seinem Haus, hörten bei ihm täglich Vorlesungen zur „Scheide- und Apothekerkunst“, durften seine Bibliothek benutzen und führten unter seiner Anleitung Experimente im Laboratorium durch. Auch chemische Präparate wurden in größerem Umfang hergestellt. Mit dem eigens für den Unterricht verfassten „Handbuch der allgemeinen Chemie“ erschien 1781 ein Lehrbuch von weitreichender Bedeutung, auch für die folgenden Generationen. Diese chemisch-pharmazeutische-Lehranstalt wurde Vorbild für zahlreiche weitere Schulgründungen und bildete einen wichtigen Schritt hin zur Verankerung einer akademischen Apotheker-Ausbildung an den Universitäten.

Gemeinsam mit dem Langensalzaer Arzt Dr. Johann Christian Traugott Schlegel gab Wiegleb noch 1793 die zweite überarbeitete Auflage des „Deutschen Apothekerbuches“ heraus. Dieses erschien später in weiteren Auflagen und wurde auf längere Zeit Standardliteratur für Apotheker. Wiegleb selbst war ab 1789 durch einen Laboratoriums-Unfall jedoch gesundheitlich stark angeschlagen, verkaufte 1796 die Apotheke, gab kurze Zeit darauf auch seine Lehranstalt auf und starb am 16. Januar 1800 hochgeachtet in Langensalza – vermutlich an einer Lungenentzündung.

Angetrieben vom Nützlichkeitsdenken der Aufklärung hat Apotheker Johann Christian Wiegleb zur Mitbegründung der neuen, wissenschaftlich fundierten Pharmazie des 18. Jahrhunderts viel beigetragen. Er war wesentlich beteiligt am Schritt vom Apotheken-Handwerk zu einer akademischen Naturwissenschaft.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 10/17 ab Seite 98.

Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin/Fachjournalistin

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