© Annette Theissen

Bewegung statt Bettruhe

BALSAM FÜR KÖRPER UND SEELE

Reitsport wirkt sich auf vielfache Weise positiv auf das Wohlbefinden aus – nicht umsonst lautet ein altes Sprichwort: „Das Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde.“

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Reiten ist nicht nur ein Naturerlebnis mit einem hohen Spaßfaktor, sondern fördert darüber hinaus die Gesundheit. Die Sportart erfordert Verantwortungsbewusstsein, eine schnelle Reaktionsfähigkeit, Mobilität und eine gewisse körperliche Fitness. Auch die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) propagiert Reiten als Gesundheitssport – demnach gibt es spezielle Sportangebote, die nach den Qualitätskriterien des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOB) zertifiziert sind. Inhalte entsprechender Kurse sind präventive Haltungs- und Bewegungstrainings für alle Altersgruppen, um Inaktivität, Stress, altersentsprechenden Beschwerden sowie einseitigen Belastungen des Bewegungsapparates vorzubeugen und die schwache Muskulatur zu stärken.

Dressur, Western & Co. Es gibt verschiedene Reitarten: Dressurreiten ist laut Angaben der Deutschen Reiterlichen Vereinigung die Voraussetzung für jeden Pferdesport. Pferd und Reiter verschmelzen zu scheinbar einem Lebewesen und bewegen sich in den Gangarten Schritt, Trab und Galopp im Reitviereck. Die Übungen trainieren und gymnastizieren das Pferd, welches sensibel auf Gewichts-, Schenkel- und Zügelhilfen reagiert. Seit 1912 zählt Dressurreiten zu den olympischen Sportarten, die erste Weltmeisterschaft fand 1966 statt. Beim Springreiten ist körperliche Fitness von Pferd und Reiter unerlässlich. Das Pferd überwindet Hindernisse durch möglichst elegantes Springen, wobei der Reiter sich leicht nach vorne beugt.

Westernreiten hat seinen Ursprung im Wilden Westen Amerikas. Merkmale sind die einhändige Zügelführung oder das spezielle Outfit des Reiters mit Sternsporen, Cowboyhut, Westernsattel und weiteren Details. Das Pferd soll möglichst mit feinen Hilfen und ohne dauerhafte Einwirkung wissen, was es zu tun hat. Vielseitigkeitsreiten vereint verschiedene Elemente des Reitsports in einer Disziplin. Es handelt sich somit um einen Mehrkampf, der aus den Teilprüfungen Dressur, Geländeritt und Springen besteht. Entsprechende Prüfungen werden in verschiedenen Schwierigkeitsgraden ausgeschrieben, die Gesamtwertung in Wettkämpfen erfolgt nach der Anzahl an Fehlerpunkten.

Gangpferdereiten ist beispielsweise auf Islandpferden möglich: Die robusten Tiere haben neben den drei Grundgangarten Schritt, Trab und Galopp ein oder zwei zusätzliche Gänge und zwar den Tölt und/oder den Pass. Tölt ist ein Viertakt ohne Schwebephase, kann in verschiedenen Geschwindigkeiten geritten werden und gilt als sehr bequem. Beim Pass bewegt sich das Pferd hingegen von einem lateralen Beinpaar aufs andere, unterbrochen von einer Schwebephase.

Islandpferde eignen sich aufgrund ihres ruhigen Gemüts und ihrer Größe auch für Kinder oder ängstliche Reiter. Beim Galopprennsport legen Pferde so schnell wie möglich eine bestimmte Strecke zurück, wobei sie von Jockeys (Menschen mit einer Ausbildung zum Berufs-Pferderennreiter und einem maximalen Gewicht von 55 Kilogramm) geritten werden. Im Trabrennsport hingegen ist nur die Gangart Trab erlaubt, wobei das Pferd von einem Sulky, einem zweirädrigen Rennwagen, geführt wird. Auch hier gilt es, eine bestimmte Distanz in einer möglichst kurzen Zeit zu überwinden.

Heilende Lebewesen Pferde kommen auch in psychiatrischen und psychotherapeutischen Einrichtungen im Rahmen einer Therapie zum Einsatz. Patienten lernen den Umgang mit dem Pferd, also das Striegeln, Füttern sowie gewisse Stallarbeiten. Der Kontakt mit dem Pferd hebt die Stimmung und verbessert physische und psychische Erkrankungen. Zunächst reiten Patienten an der Longe, bis sie lernen, sich nach und nach auf die Bewegungen des Pferdes einzustellen, entspannt zu sitzen und das Tier schließlich eigenständig zu führen. Die positiven Auswirkungen des Reitens werden auch in der Physiotherapie genutzt, um zerebrale Bewegungsstörungen, Lähmungen oder Muskelschwächen zu verbessern.

Pferde halten fit Reiten stärkt die Bauchmuskeln, beugt Rückenschmerzen vor und begünstigt die Koordinationsfähigkeit, den Gleichgewichtssinn und das Wahrnehmungsvermögen. Der Körper passt sich permanent den Bewegungen des Pferdes an, sodass die Muskulatur zwischen An- und Entspannung wechselt und sich Verspannungen lösen können. Spannt der Reiter den Rücken beispielsweise an, ist dies ein Zeichen für das Tier, langsamer zu werden. Beim Leichttraben werden zusätzlich die Beine trainiert, denn der Reiter hebt sein Gesäß im Takt des Pferdes aus dem Sattel. Auch die Beckenbodenmuskulatur profitiert von der Sportart, schließlich wird sie durch das regelmäßige Kippen der Hüfte gestärkt.

Safety first Zur Sicherheitsausrüstung gehört in jedem Fall ein Reithelm, um den Kopf vor schweren Verletzungen zu schützen – schließlich sitzt der Reiter auf einem Fluchttier, das sich leicht erschrecken, zur Seite springen oder durchgehen kann. Eine für den Menschen harmlose Situation, wie etwa eine raschelnde Plastiktüte auf dem Reitweg, kann für das Pferd eine unheimliche Bedrohung sein, sodass es am liebsten davonlaufen würde. Spezielle Reitsicherheitswesten schützen die Halswirbelsäule und den Oberkörper (zum Beispiel vor Rippenbrüchen) und bieten eine zusätzliche Sicherheit.

Festes Schuhwerk ist ebenfalls wichtig, zum einen für den sicheren Halt im Steigbügel, zum anderen als Schutz, wenn der Huf während der Pferdepflege doch einmal auf dem eigenen Fuß landet. Reithandschuhe bewahren die Hände vor Blasen, während Reithosen mit ihrem Besatz mehr Haftung im Sattel gewährleisten. Grundsätzlich ist es ratsam, sich vor dem Reiten mit ein paar Hampelmännern oder verschiedenen Gymnastikübungen aufzuwärmen. Aufgrund der potenziellen Sturzgefahr sollten Reiter ein spezielles Falltraining absolvieren, das man beispielsweise beim Judo erlernt. Einsteiger üben die richtige Reittechnik am besten mit einem lizensierten Trainer A, B oder C und können sich durch ein umfangreiches Angebot an Fachliteratur gut in das Thema Reitsport einlesen.

Vorsicht: Unfallgefahr Natürlich kann Reiten auch gefährlich sein: Die meisten Unfälle im Reitsport passieren durch einen Sturz vom Pferd und gehen mit Prellungen oder Brüchen der Rippen, Arme, Beine oder Schultern einher. Gehirnerschütterungen, Kopf- oder Wirbelverletzungen gehören ebenfalls zu den Gefahren des Reitsports. Besonders folgenschwer fallen die körperlichen Schäden aus, wenn Reiter und Pferd gemeinsam stürzen und das Tier gar über den Reiter rollt oder auf ihn fällt.

Derartige Vorfälle gibt es nicht selten im Springsport, beim Vielseitigkeitsreiten oder beim Reiten im Gelände, etwa wenn das Pferd stolpert. Bei Ausritten kann es darüber hinaus zu dramatischen Unfällen mit Autos kommen. Allerdings sind auch Verletzungen bei der Pflege des Pferdes möglich und nicht zu vergessen: Die Tiere sind nicht immer zum Schmusen aufgelegt und können auch beißen oder treten.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 05/19 ab Seite 130.

Martina Görz, PTA, Psychologin und Fachjournalistin

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