© Die PTA in der Apotheke
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Tränen lügen nicht

AUGENERKRANKUNGEN

Wenn die Augen über längere Zeit gerötet sind und brennen, kann das ein Zeichen für das „Trockene Auge“ sein. Wird die Erkrankung nicht fachgerecht behandelt, kann dies bis zur Erblindung führen.

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Keratoconjunctivitis sicca, das Trockene Auge, ist heute eine Volkskrankheit, unter der nach Angaben des Bundesverbands der Augenärzte Deutschlands rund 12 Millionen Bundesbürger leiden. Aus verschiedenen Gründen kommt es bei ihnen zu einem Mangel an Tränenflüssigkeit, der zu Entzündungen von Horn- und Bindehaut führt. Die Folge sind brennende, gerötete, schmerzende oder müde Augen, die aufgrund der Austrocknung verstärkt tränen können. Auch ein Druck- oder Fremdkörpergefühl sowie geschwollene Lider und Lichtempfindlichkeit können vorkommen. Wenn auch zumeist keine Heilung möglich ist, kann man heute die Symptome oft durch die Gabe von Tränenersatzmitteln lindern. Wird das trockene Auge jedoch nicht behandelt, kann das schwerwiegende Folgen haben.

Der Tränenfilm – klein aber fein Um zu verstehen, wie es zum Trockenen Auge kommen kann, muss man den Aufbau und die Funktion des Tränenfilms genauer kennen. Obwohl nur wenige tausendstel Millimeter dick, ist er aus drei übereinander liegenden Schichten aufgebaut. Die innerste besteht aus Schleim und ermöglicht es, dass die Hornhaut von der darüber liegenden wässrigen Schicht benetzt werden kann. Diese macht rund 98 Prozent des Tränenfilms aus und wird von den Tränendrüsen produziert. Sie versorgt die Hornhaut, die keine Blutgefäße besitzt, mit Nährstoffen und Sauerstoff und enthält zudem Proteine und Immunzellen, die eingedrungene Krankheitskeime bekämpfen.

Den Abschluss nach außen bildet eine Lipidschicht, die den Tränenfilm stabilisiert und verhindert, dass er zu rasch verdunstet. Dieser dünne Fettfilm wird von den Meibom-Drüsen an den Rändern der Ober- und Unterlider abgeschieden.

Probleme beim Trockenen Auge
Ein intakter Tränenfilm benetzt Hornhaut, Bindehaut sowie die Lid - innenseiten und erhält sie glatt und geschmeidig. Ist jedoch zu wenig Tränenflüssigkeit vorhanden, wird die Augenoberfläche trocken und die Lider können nicht mehr reibungslos über Horn- und Bindehaut gleiten, was Irritationen hervorruft und schließlich zu einer chronischen Entzündung führt. Zudem wird die Hornhaut nicht mehr ausreichend mit Nährstoffen und Sauerstoff durch die wässrige Schicht des Tränenfilms versorgt. Diesen Mangel versucht das Auge durch eine stärkere Durchblutung der Bindehäute auszugleichen, wodurch sich das Weiße der Augen rötet.

Wird das Trockene Auge nicht behandelt, kann die Hornhaut völlig austrocknen, vernarben und sich eintrüben. Da mit dem Tränenfilm auch die darin befindlichen Proteine und Zellen der Immunabwehr verschwinden, wird die Augenoberfläche zudem sehr anfällig für In fektionen durch Bakterien, Viren oder Pilze. Durch solche Infektionen, aber auch durch die chronische Entzündung selbst, können sich schließlich Augengeschwüre entwickeln, die unter Umständen zur völligen Erblindung führen.

Vielfältige Ursachen Oft entsteht das Trockene Auge, da weniger Tränenflüssigkeit gebildet wird. Dies ist alleine schon mit dem zunehmenden Alter der Fall, weshalb die Erkrankung vor allem Menschen ab dem 40. Lebensjahr betrifft. Verantwortlich sein können aber auch bestimmte systemische Autoimmunerkrankungen wie das Sjögren-Syndrom oder die rheumatoide Arthritis sowie Diabetes, Schilddrüsen- oder Hauterkrankungen. In anderen Fällen spielen hingegen Faktoren eine Rolle, die die natürliche Zusammensetzung des Tränenfilms stören, wodurch er beim Blinzeln leichter aufreißt und mehr Flüssigkeit verdunsten kann.

Mögliche Ursachen hierfür sind etwa Entzündungen der Lidränder, Belastungen durch Ozon, Rauch oder Abgase, Vitamin-A-Mangel, Duftstoffe in Kosmetika sowie die Hormonumstellung während der Wechseljahre bei Frauen. Darüber hinaus kann auch eine Reihe von Medikamenten bei längerem Gebrauch die Komposition des Tränenfilms beeinträchtigen.

Hierzu zählen u.a.:

  • Antihistaminika
  • Anticholinergika
  • Ergotamin
  • Reserpin
  • Beta-Rezeptorblocker
  • Neuroleptika
  • Thiazid-Diuretika
  • Estrogene zur Hormonersatztherapie
  • Tri- und tetrazyklische Antidepressiva
  • Trihexyphenidyl

Büroarbeit fördert Trockene Augen Neben den eigentlichen Ursachen gibt es noch weitere Faktoren, die die Erkrankung begünstigen. Hierzu zählen das Tragen von Kontaktlinsen sowie Heizungsluft und Klimaanlagen, die alle das Verdunsten des Tränenfilms verstärken. Bildschirmarbeit fördert die Erkrankung ebenfalls, weil sie zu einer deutlichen Verminderung der Lidschlagfrequenz führt. Je häufiger wir aber blinzeln, umso besser wird das Auge befeuchtet. Da die Bildschirmarbeit häufig in trockenen, klimatisierten Büros erfolgt, verstärken sich diese Effekte gegenseitig, weshalb man das Trockene Augen im englischen Sprachraum auch als „Office eyes“ bezeichnet.

Vorsicht bei Selbstmedikation Viele Menschen wissen zunächst nicht, dass sie unter dem Trockenen Auge leiden und führen die Symptome auf eine vorübergehende Bindehautentzündung zurück. Aus kosmetischen Gründen werden dann gerne so genannte Weißmacher wie Tetryzolin oder Xylometazolin eingesetzt. Diese α-Sympathomimetika beseitigen Rötungen und Schwellungen, indem sie die feinen Gefäße der Bindehaut verengen. Beim Trockenen Auge angewendet, verbauen sie so jedoch die letzte Möglichkeit, die Hornhaut noch mit Nährstoffen und Sauerstoff zu versorgen, was langfristig fatale Folgen haben kann.

HILFREICHE MASSNAHMEN FÜR IHRE BETROFFENEN KUNDEN:

► Häufiger an die frische Luft gehen.
► Lange Bildschirmarbeit meiden, Blinzeln nicht vergessen.
► Luftfeuchtigkeit in den Räumen erhöhen .
► Reizarme Augenkosmetika verwenden.
►Tabakrauch und Abgase vermeiden.
► Gebläse und Ventilatoren nicht auf die Augen richten.
► Augenlider konsequent reinigen.
► Zwei bis drei Liter Wasser pro Tag trinken.

Auch Tränenersatzmittel sollten von den Betroffenen möglichst erst nach der Diagnose des Trockenen Auges durch dem Augenarzt angewendet werden, denn er kann am besten beurteilen, welche Medikation sich für die jeweilige Erkrankungsform am besten eignet. Er kann zudem weitere Untersuchungen durchführen lassen, um abzuklären, ob eine andere Erkrankung Ursache des Trockenen Auges ist, sodass man durch ihre Behandlung die Symptome möglicherweise bereits lindern kann. Im Rahmen der Untersuchung wird der Augenarzt zudem überprüfen, ob der Patient Medikamente nimmt, die zum Trockenen Auge führen können und die Behandlung gegebenenfalls umstellen.

Künstliche Tränen helfen Da das Trockene Auge meist nicht geheilt werden kann, müssen die Symptome durch Tränenersatzmittel gelindert werden. Sie enthalten Polymere („Filmbildner“), die auf dem Auge haften und Wasser binden, wodurch sie das Austrocknen der Augenoberfläche verhindern.

Die Filmbildner lassen sich in drei Gruppen einteilen:

  • Synthetische Polymere wie Polyvinylalkohol (PVA), Polyvinylpyrollidon (PVP), und Polyacrylat (Carbomer);
  • Cellulosederivate wie Hydroxyethylcellulose oder Hypromellose;
  • Hyaluronsäure.

Je nachdem welches Polymer enthalten ist, unterscheiden sich die Präparate in ihrer Zähflüssigkeit und somit ihrer Verweildauer im Auge. Daher können Sie Patienten mit leichteren Beschwerden eher wässrige Lösungen mit PVA oder PVP empfehlen, während bei stärkeren Beschwerden Cellulosederivate oder Carbomere angezeigt sind. In schweren Fällen schließlich sind höher visköse Hyaluronsäure-Präparate Mittel der Wahl.

Im Gegensatz zu den mehrmals täglich einzuträufelnden wässrigen Präparaten muss man visköse Cremes oder Salben sehr viel seltener anwenden. Da sie jedoch durch Schlierenbildung das Sehvermögen länger beeinträchtigen, raten Sie Ihren Kunden, diese eher vor dem Schlafen gehen anzuwenden. Eine Ausnahme bilden hier die Carbomere, da sie zur Verkrustung neigen. Daneben gibt es auch wässrige Präparate, die durch eine neuartige Galenik erst im Auge zähflüssig werden. Sie enthalten natürliche Polysaccharide wie das aus Guar-Gummi gewonnene Hydroxypropylenguar. In Verbindung mit Wasser und dem ebenfalls enthaltenen Propylenglykol bildet es auf der Augenoberfläche eine dünne Schleimschicht, ohne dass es zu störenden Schlieren kommt.

Ebenfalls über eine andere Galenik verfügen Präparate, die die gestörte äußere Lipidschicht des Tränenfilms stärken sollen. Sie enthalten Phospholipide, die als kleine Fettkügelchen (Liposomen) auf die geschlossenen Lider gesprüht werden und dann über die Lidränder ins Auge wandern, wo sie den Tränenfilm bis zu vier Stunden stabilisieren. Reichen Tränenersatzmittel nicht aus, um die Beschwerden zu lindern, bleibt als letzte Option beim Arzt der mechanische Verschluss der Tränenabflusskanäle im inneren Lidwinkel durch kleine Stöpsel aus Silikon oder Kollagen oder eine irreversible Verödung.

Konservierungsstoffe und Kontaktlinsen Tränenersatzmittel sollten möglichst keine Konservierungsstoffe wie etwa Benzalkoniumchlorid beinhalten, das sie das angegriffene Auge zusätzlich reizen können. Dies gilt be sonders, wenn weiche Kontaktlinsen getragen werden, in deren Poren sich solche Stoffe festsetzen können. Um dieses Problem zu umgehen, können Sie hier Augentropfen empfehlen, die jeweils in Einzeldosis-Ophthiolen erhältlich sind. Da sich zudem nicht jedes Tränenersatzmittel mit jeder Kontaktlinse verträgt, sollten sich Betroffene bei der Wahl von ihrem Augenarzt oder Optiker beraten lassen.

Weitere therapeutische Maßnahmen Trotz der Vielzahl an Präparaten, kann es auch unter ärztlicher Behandlung lange dauern, bis das richtige Tränenersatzmittel für den jeweiligen Patienten gefunden wird. Ist auch damit die Entzündung nicht in den Griff zu bekommen, kann eine zusätzliche Behandlung mit Augentropfen nötig sein, die Kortison oder das Immunsuppressivum Cyclosporin A enthalten. Um bereits vorhandene Schäden an der Horn- und Bindehaut zu heilen, kann man zudem Salben einsetzen, die Dexpanthenol oder auch Vitamin A enthalten.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 02/11 ab Seite 14.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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