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Säuglinge und Kleinkinder

AUA, MEIN OHR!

Ohrenschmerzen treten bei kleinen Kindern häufig auf und können sehr schmerzhaft sein. Nicht immer sind Antibiotika erforderlich, aber dennoch sollte der Kinderarzt konsultiert werden.

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Eine der häufigsten Ursachen für Ohrenschmerzen im Säuglings- und Kleinkindalter ist eine durch Viren oder Bakterien hervorgerufene akute Mittelohrentzündung (Otitis media). Zwei Drittel aller Kinder bis zum dritten Lebensjahr leiden mindestens einmal an der schmerzhaften Entzündung. Der Altersgipfel der Erkrankung liegt zwischen dem 6. und 15. Lebensmonat.

Aufsteigende Infektion Kinder, die von einer Mittelohrentzündung betroffen sind, waren vorher meistens erkältet. Bereits ein einfacher Schnupfen oder eine Halsentzündung können bei den Kleinen aufgrund der besonderen anatomischen Verhältnisse und der noch nicht voll ausgereiften Immunabwehr eine Entzündung der Schleimhaut im Mittelohr bedingen. Erreger aus dem Nasen-Rachenraum steigen im Kindesalter leicht über die Ohrtrompete (Eustach‘sche Röhre) in das Mittelohr auf. Dieser Verbindungsgang ist bei Kindern noch sehr kurz und weit und damit für die Viren und Bakterien leicht zu überbrücken.

Die Entzündungsreaktion geht mit Rötung, Erwärmung und Schwellung der Schleimhäute des Mittelohrs einher. Dadurch ist die Belüftung des Mittelohrs eingeschränkt und Sekret sammelt sich an, was ideale Voraussetzungen für ein Ansiedeln und Vermehren der Erreger schafft. Unter den viralen Erregern spielen besonders Respiratory-​syncytial-(RS)-, Parainfluenza-, Adeno- und Enteroviren eine Rolle. Sie sind häufig Wegbereiter einer bakteriellen Infektion. Bakterien können aber auch primär eine Otitis media hervorrufen. Am häufigsten lässt sich Streptococcus pneumoniae nachweisen. Daneben finden sich vielfach Haemophilus influenzae, Moraxella catarrhalis oder Staphylococcus aureus.

Vermindertes Hören mit Schmerzen Die Entzündung setzt typischerweise plötzlich ein und wird von heftigen Ohrenschmerzen begleitet. Eingedrungene Erreger vermehren sich im angesammelten Sekret, das nicht mehr abfließen kann. So ein Paukenerguss oder Tubenkatarrh ist für den Arzt an einer Vorwölbung des Trommelfells zu erkennen. Darüber hinaus ist das Hören meist beeinträchtigt. Wird der Druck im Mittelohr zu groß, besteht die Gefahr, dass das Trommelfell einreißt. Eine Perforation macht sich durch eine Eitersekretion aus dem Gehörgang bemerkbar („Ohrenlaufen“). Gleichzeitig lassen die Schmerzen deutlich nach. In der Regel verschließt sich der Riss nach wenigen Tagen von selbst wieder.

Körpersprache beachten Obwohl starke Ohrenschmerzen für eine akute Otitis media typisch sind, müssen sie nicht immer auftreten. Eine akute Mittelohrentzündung kann sich lediglich durch allgemeine Krankheitszeichen wie Fieber, Unruhe und Schlafstörungen bemerkbar machen. Säuglinge trinken zudem schlecht und weinen viel. Darüber hinaus stellen sich häufig noch Übelkeit, Erbrechen und Durchfall ein. Wegweisend für die Diagnose kann auch die Körpersprache sein, da die Kleinen meistens noch nicht sagen können, wo es ihnen genau weh tut. Typisch ist, dass sie sich bei einer Otitis media häufig ans Ohr fassen oder den Kopf hin und her wälzen.

Arztbesuch anraten Obwohl eine akute Mittelohrentzündung bei acht von zehn Kindern spontan ausheilt, sollte immer ein Arzt bei Verdacht auf Otitis media konsultiert werden. Er muss das Ohr otoskopisch untersuchen, um eingedrungene Fremdkörper (z. B. Perlen, Murmeln) auszuschließen und die Funktionstüchtigkeit des Trommelfells begutachten. Zudem muss er entscheiden, ob eine Antibiose erforderlich ist, um langwierige und schwere Krankheitsverläufe zu vermeiden. Gefürchtet ist die Entwicklung einer chronischen Mittelohrentzündung mit Hörminderung und verzögerter Sprachentwicklung sowie Komplikationen wie beispielsweise eine Knochenentzündung des Warzenfortsatzes (Mastoiditis) oder eine Perforation des Trommelfells.

Abschwellende Nasentropfen, Schmerzmittel und Zwiebelsäckchen bringen schnell Erleichterung bei Otitis media.

Watchful waiting Entgegen der früher praktizierten generellen Antibiotikagabe bei einer Mittelohrentzündung verordnen die Ärzte heute in der Regel antibiotische Wirkstoffe sehr zurückhaltend. Die hohe Selbstheilungsquote, besonders bei Kindern über zwei Jahren, und die Beobachtung, dass schwere Verläufe auch unter Antibiotikaeinnahme vorkommen, hat heute zu einer differenzierten Verordnung von antibakteriellen Wirkstoffen geführt. Antibiotika werden in der Regel nur noch sofort bei kleinen Patienten mit erhöhtem Risiko für einen schweren Verlauf rezeptiert. Dazu zählen Kinder unter zwei Jahren, Kinder mit Begleit- und Grunderkrankungen, rezidivierenden Infekten, Immunsuppression, hohem Fieber, anhaltendem Erbrechen, schlechtem Allgemeinbefinden oder Komplikationen bei früheren Ohrentzündungen.

Auch beidseitige Otitiden stellen eher eine Indikation für eine Antibiose dar. Liegen jedoch keine Risikofaktoren vor, gilt das Prinzip des „vorsichtigen Abwartens“ (watchful waiting). Damit ist eine engmaschige ärztliche Begutachtung der kleinen Patienten nach 24, 48 und 72 Stunden gemeint. Tritt in dieser Zeit keine Besserung ein oder verschlechtert sich gar der Zustand, werden Antibiotika notwendig. Dabei wird bei älteren prinzipiell länger als bei den jüngeren Kindern mit der Antibiotikagabe gewartet. Amoxicillin ist Mittel der Wahl (eventuell kombiniert mit Clavulansäure). Cephalosporine gelten als Mittel der zweiten Wahl und Makrolide wie Erythromycin und Azithromycin werden bei einer Allergie gegen Penicilline oder Cephalosporine eingesetzt.

Belüftung und Schmerzlinderung Abschwellende Nasentropfen sind bei einer Otitis media generell Mittel der Wahl. Mit altersgerecht dosierten alpha-Sympathomimetika wie Xylometazolin oder Oxymetazolin werden eine Belüftung des Mittelohrs und ein Abfließen des Schleims ermöglicht. Analgetisch-anästhetische Ohrentropfen sind hingegen nicht angezeigt, da sie zwar das Trommelfell erreichen, aber nicht durchdringen und somit nicht ins Mittelohr gelangen. Bei Trommelfellverletzungen sind Ohrentropfen sogar aufgrund der Gefahr der Keimverschleppung ins Mittelohr kontraindiziert. Sinnvoll ist es auch, Schmerzen und Fieber mit Paracetamol oder Ibuprofen zu lindern.

Ibuprofen hat den Vorteil, noch eine entzündungshemmende Komponente aufzuweisen. Empfehlenswertes Hausmittel sind zudem Zwiebelsäckchen, mit denen erfahrungsgemäß eine Erleichterung erzielt werden kann. Hierfür werden gehackte Zwiebelstückchen in einem Säckchen aus dünnem Stoff mehrmals täglich für etwa eine halbe Stunde auf das schmerzende Ohr gelegt, mit wärmender Wolle oder Watte abgedeckt und mit einer Mütze oder einem Kopftuch befestigt. Allgemeinmaßnahmen wie körperliche Schonung, ausreichende Flüssigkeitszufuhr und Zuwendung ergänzen die Therapie.

Vasalva-ManöverTritt nach einer überstandenen Mittelohrentzündung eine Hörminderung auf, kann das daran liegen, dass die Ohrtrompete noch nicht wieder vollständig durchgängig ist. Die Verengung kann mit dem regelmäßig und mehrmals täglich durchgeführten Vasalva-Manöver behoben wer- den. Dafür hält das Kind bei geschlossenem Mund die Nase zu und versucht, die Luft forciert durch die geschlossene Nase auszublasen und damit die Paukenhöhle wieder zu belüften. Alternativ können spezielle Nasenballons Abhilfe schaffen.

Pneumokokken-Impfung Durch Impfung gegen Pneumokokken lassen sich im Vorwege häufig schwerwiegende Verläufe einer Mittelohrentzündung vermeiden. Pneumokokken sind nicht nur die häufigsten Erreger der bakteriellen akuten Mittelohrentzündung, sie verursachen zudem die stärksten Beschwerden und sind insbesondere für die nicht spontan abheilenden Fälle verantwortlich.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 05/2020 ab Seite 24.

Gode Chlond, Apothekerin

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