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Heilpflanzen

ALTBEWÄHRTES LAXANS

Sennesblätter und Sennesfrüchte sind Drogen mit einer abführenden Wirkung. Sie werden von der Art Senna alexandrina MILL. aus der Familie der Johannisbrot- gewächse (Caesalpiniaceae) gewonnen.

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Ursprünglich wurde die Senna-Art in die zwei eng verwandten Arten Cassia senna L. (Syn. Cassia acutifola) und Cassia angustifolia VAHL. getrennt und der Gattung der Kassien (Cassia) zugeordnet. Da sich die beiden Arten nur wenig morphologisch, mikroskopisch und inhaltlich unterscheiden, werden sie nach neuer Nomenklatur nur noch als eine Art aufgefasst. Diese zählt heute nicht mehr zu den Kassien, sondern wurde in die Gattung Senna ausgegliedert und trägt den botanischen Namen Senna alexandrina MILL..

Verschiedene Monografien Im Europäischen Arzneibuch (Ph. Eur.) finden sich allerdings wie schon in den vorherigen Ausgaben weiterhin zwei Monografien zu Sennesfrüchten: Alexandriner-Sennesfrüchte und Tinnevelly-Sennesfrüchte. Erstere bestehen aus den getrockneten Früchten von Cassia senna L. (Cassia acutifolia) und zweitere aus den getrockneten Früchten von Cassia angusti- folia VAHL.. Da der Gehalt an Hydroxyanthracen-Glykosiden in den Früchten beider Pflanzen stark differiert, hat das Ph. Eur. unterschiedliche Anforderungen an ihre Qualität festgelegt.

Alexandriner- und Tinnevelly-Senna Die Sträucher von Cassia angustifolia VAHL. erreichen eine Höhe von ein bis zwei Metern, Cassia senna L. (Cassia acutifolia) wird lediglich 60 Zentimeter hoch. Die Heimat der ersten Art liegt in den Ländern zu beiden Seiten des Roten Meeres und wird in Südindien vor allem im Distrikt Tinnevelly kultiviert, worauf sich auch der Name der Tinnevelly-Sennesfrüchte bezieht. Man spricht auch von der indischen Senna. Cassia senna L. (Cassia acutifolia) ist in Nordafrika und im mittleren Nilgebiet beheimatet und wird im Sudan und in Ägypten angebaut, weshalb diese Sennes-Art auch als ägyptische Ware bezeichnet wird. Sie liefert die Alexandriner-Sennesfrüchte (früher auch Khartum-Senna), die ihren Na- men nach dem früheren Ausfuhrhafen Alexandria erhielten.

Sennesblätter und Sennesfrüchte An den gestreiften Stängeln der Sträucher stehen wechselständig angeordnet dünne, spröde und wenig behaarte oder kahle hellgrüne Blätter. Sie sind fünf- bis neunpaarig gefiedert. Während die indischen Fiederblättchen eine Länge von bis zu sechs Zentimetern haben, sind die der ägyptischen Ware nur halb so lang. Auf die länglich-lanzettliche Form der Blätter machen die beiden Artennamen aufmerksam (lat. acutifiolia = spitz- blättrig, lat. angustifolia = schmalblättrig). Die Blüten beider Arten sind gelb, blattachselständig und in Trauben ange- ordnet. Aus ihnen entwickeln sich flache, braun- bis grau-grüne bis zu fünf Zentimeter lange und etwa ein Zentimeter breite Hülsenfrüchte. Der oft verwendete Begriff Sennesschoten ist somit botanisch falsch. Die Hülsen sind nierenförmig gebogen und enthalten sieben bis zehn (Cassia angustifolia VAHL.) oder fünf bis sieben Sa- men (Cassia senna L.).

Altes Heilmittel Senna war schon eine wichtige Heilpflanze in der Antike. Der Prophet Mohammed (gestorben 632 n. Chr.) soll Sennesblätter als Heilmittel gegen vielerlei Erkrankungen gepriesen haben. Später empfahlen arabische Ärzte des 9. und 10. Jahrhunderts Sennesfrüchte. Sie waren jedoch kein Abführmittel wie heute, sondern wurden als kühlendes Mittel bei Augenleiden und Lepra verwendet. Erst die Kräuterbücher des 16. und 17. Jahrhunderts beschrieben Senna als gebräuchliche Droge gegen Verstopfung. Daneben wurde sie weiterhin gegen eine Vielzahl weiterer Krankheiten wie beispielsweise bei Melancholie, Milzstichen, Herz-, Lungen- und Leberleiden oder Syphilis aufgeführt.

In der Volksmedizin sind Sennesfrüchte und Sennesblätter bis heute ein beliebtes pflanzliches Laxans, wobei die Früchte milder als die Blätter wirken. Auch hat die Kommission E ihre abführende Wirkung bei Verstopfung anerkannt und positiv monographiert. Ebenso wurden sie von der ESCOP (European Scientific Cooperative on Phytotherapy) und vom HMPC (Herbal Medicinal Product Committee) zur kurzfristigen Behandlung gelegentlich auftretender Obstipation als „medizinisch allgemein anerkannt“ akzeptiert.

Anerkanntes Abführmittel Die abführende Wirkung ist auf Hydroxyanthracen-Derivate (Anthranoide oder Antrachi- none) zurückzuführen. Hauptsächlich sind die Sennoside A bis D (Dianthronglykoside) laxierend wirksam. Es handelt sich dabei um Prodrugs. Erst im Dickdarm werden aus der Transportform mithilfe von Bakterien die wirksamen Metaboliten (Anthrone) als hydragoge und antiabsorptive Wirk- form freigesetzt. Dadurch strömen weniger Wasser und Natrium aus dem Darm hinaus und mehr Elektrolyte und Wasser in den Darm hinein. So wird der Stuhl weicher und voluminöser, was die Darmperistaltik anregt und die Darmentleerung beschleunigt.

Die abführende Wirkung tritt bei richtiger Dosierung etwa nach acht bis zehn Stunden ein. Die Sicherheit von Senna als Laxans wurde lange widersprüchlich diskutiert. Inzwischen gilt die Droge als nicht mutagen, nicht kanzerogen und nicht toxisch. Bei bestimmungsgemäßem Gebrauch kommt es auch weder zur Gewöhnung noch zu einer Störung des Elektrolythaushalts. Dennoch sollen Sennesdrogen nur kurzfristig (ein bis zwei Wochen) zum Einsatz kommen. Eine Schwarzfärbung des Dickdarms durch Pigment- einlagerung (Pseudomelanosis coli) ist reversibel und nicht pathogen. Auch ist ein sich gelblich bis rotbraun verfärbender Urin nur vorrübergehend und harmlos. 

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 06/17 ab Seite 32.

Gode Meyer-Chlond, Apothekerin

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