Kino - Schon gesehen?
24 WOCHEN
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Die Kabarettistin Astrid (Julia Jentsch) begeistert ihr Publikum stets mit schwarzem Humor und zynischen Pointen. Ihr Ehemann und Manager Markus (Bjarne Mädel) unterstützt ihre Karriere, wo er nur kann und hält seiner Frau stets den Rücken frei. Das Ehepaar lebt mit seiner kleinen Tochter Nele (Emilia Pieske) in einem Haus in der Nähe von Leipzig und führt ein glückliches Leben. Nun erwarten die beiden ihr zweites Kind und freuen sich sehr auf den Nachwuchs: Es soll ein Junge werden. Auch Nele kann es kaum erwarten, ein kleines Brüderchen zu bekommen.
Nach 24 Wochen Schwangerschaft gerät das Familienglück allerdings stark ins Wanken: Bei einer ärztlichen Routinekontrolle erfährt das Paar, dass ihr Baby nicht nur einen Herzfehler hat, sondern auch noch unter dem Down-Syndrom leidet. Aufgrund der Löcher in den Herzklappen wird der Junge bereits nach wenigen Lebenstagen eine Operation nach der anderen über sich ergehen lassen müssen. Astrid und Markus sind geschockt, doch sie verzweifeln nicht. Allerdings steht nun eine unglaublich schwierige Entscheidung an, denn sie müssen wählen, ob das geistig und körperlich behinderte Kind leben soll oder ob sie eine Spätabtreibung in Erwägung ziehen.
Finger, Nase und ein Geschlechtsteil des kleinen Menschen sind schon auf dem Ultraschallbild zu erkennen. Weil das Kind bereits sechs Monate alt ist, könnte es einen herkömmlichen Schwangerschaftsabbruch überleben. Bei der Spätabtreibung würde daher eine tödliche Dosis Kaliumchlorid in das Herz des Kindes gespritzt, im Anschluss folgt die Totgeburt. Dieser künstlich herbeigeführte Geburtsvorgang dauert erfahrungsgemäß zehn bis 24 Stunden. Astrid bekommt erklärt, dass ihr der Leichnam nach der Geburt zur Trauerverarbeitung auf die Brust gelegt werden würde und die Klinik auf Wunsch Abdrücke der Füßchen anfertigen könnte.
Die Hebamme, die Astrid zur Seite steht, drückt es so aus: „Man kann diese Entscheidung nicht treffen, wenn man sie nicht treffen muss.“ Freunde und Familie bieten mit gutgemeinten Ratschlägen ihre Unterstützung an. Doch obwohl Markus bei seiner Frau ist und ihr klar macht, dass er ihren Weg mitgeht, fühlt sich die werdende Mutter an dieser Stelle alleine – keine Entscheidung scheint die Richtige zu sein. Nach einiger Zeit steht ein Entschluss fest, doch weder Astrid noch Markus sind damit vollständig im Reinen.
Chromosomenanomalie Bei etwa einer von 1000 Lebendgeburten kommt das Down-Syndrom vor. In den meisten Fällen resultiert es aus einem Fehler des 21. Chromosomenpaares während der Teilung in der Meiose, sodass sich in den Zellkernen drei statt normalerweise zwei dieser Chromosomen befinden. Seltener ist ein zusätzlich abgebrochenes Stück des 21. Chromosoms an ein anderes geheftet. Menschen mit Trisomie 21 sind geistig retardiert, durchlaufen eine langsame motorische Entwicklung, verfügen in der Regel nur über ein begrenztes Vokabular und haben Gedächtnis- und Sprachprobleme.
Typische körperliche Besonderheiten sind ein abgeflachtes Gesicht, ein gedrungener Körperbau, mandelförmige Augen sowie eine spezielle Falte, die sich über den Handballen zieht. Außerdem werden Betroffene oft mit Hörschwund, Augenkatarakten, Herz- und Darmschäden geboren. Die Lebenserwartung von Menschen mit Down-Syndrom ist dank medizinischer Fortschritte deutlich gestiegen, viele erreichen das fünfte Lebensjahrzehnt oder werden sogar 60 bis 80 Jahre alt.
ÜBERBLICK
In unserer Serie „Kino – Schon gesehen?“ stellen wir Ihnen demnächst folgendes verfilmte Krankheitsthema vor:
+ Der Landarzt von Chaussy
Soziale Unterstützung Kinder mit Trisomie 21 stellen kaum Augenkontakt zu anderen Personen her, sie lächeln weniger, erforschen Gegenstände nur beiläufig und zeigen zudem einen schwachen Muskeltonus. Die Ermutigung durch die Familie, insbesondere durch die Eltern, kann ihre Auseinandersetzung mit der Umwelt und somit ihre Entwicklung fördern. Auch Interventionsprogramme im frühen Kindes- und Vorschulalter nehmen einen positiven Einfluss auf die emotionalen, sozialen und motorischen Fähigkeiten.
Je älter, umso wahrscheinlicher Das Risiko, ein Kind mit Down-Syndrom zu gebären, steigt mit dem Alter der Mutter stetig an. Die Werte liegen bei 1:1900 im Alter von 20 Jahren, bei 1:300 im Alter von 35 Jahren, während Mütter im Alter von 45 Jahren mit einer Wahrscheinlichkeit von 1:30 damit rechnen müssen, dass das Baby betroffen ist. Genetiker vermuten als Ursache, dass die Eizellen der Frau im Alter schwächer werden. Daher teilen sich die Chromosomen im Rahmen der Meiose bei der Empfängnis nicht mehr richtig. Ob auch das Alter des Vaters eine Rolle spielt, ist wissenschaftlich noch nicht eindeutig geklärt. Hier liegen sowohl Daten vor, die dafür sprechen, als auch Studien, die keine Auswirkungen des väterlichen Alters ergeben haben.
„Es ist doch schon ein Mensch“ Ein besonders populärer Fall der Spätabtreibung ist die Geschichte von Tim, einem Jungen mit Down-Syndrom, der seine eigene Spätabtreibung überlebte und seitdem bei einer Pflegefamilie wohnt. Grundsätzlich bezeichnet man Abtreibungen, die nach der 20. Schwangerschaftswoche stattfinden, als Spätabtreibungen. In Deutschland sind Abbrüche innerhalb der ersten zwölf Schwangerschaftswochen nach vorhergehender Beratung straffrei. Besteht allerdings eine medizinische Indikation, ist die Abtreibung auch über diese Zeit hinaus noch möglich.
Wird bei der Pränataldiagnostik festgestellt, dass das Ungeborene schwer behindert ist oder kurz nach der Geburt versterben würde, ist die psychische oder körperliche Gesundheit der Frau durch das weitere Austragen gefährdet, kommt ein Schwangerschaftsabbruch in Betracht. Der Arzt ist in diesem Fall zur Beratung der Mutter verpflichtet und muss sich zusätzlich mit ärztlichen Kollegen besprechen. Zwischen der Diagnose und der schriftlichen Ausstellung der Indikation muss eine dreitägige Mindestbedenkzeit liegen.
Nicht zu unterschätzen sind die psychischen Risiken, die für Betroffene durch die Spätabtreibung bestehen. Meist stellen sich im Anschluss Gefühle von Verlust und Trauer ein, weil durch die Schwangerschaft bereits eine emotionale Bindung zum Kind aufgebaut wurde. Auch das aktive Mitwirken der Mutter bei der Geburt des toten Kindes kann für die Frau einen traumatischen Vorgang darstellen.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 03/17 ab Seite 90.
Martina Görz, PTA und Fachjournalistin