Wundheilung
PKA-Fortbildung

Nicht immer soll am besten Luft ran

Wie war es bei Ihnen als Kind, wenn Sie mal aufs Knie gefallen sind? Dann wurde Ihnen vielleicht auch gesagt, dass die Wunde am besten austrocknen soll. Und wenn dann doch ein Pflaster notwendig war, hat Sie wahrscheinlich nur die bunte Farbe oder das Motiv interessiert.

7 Minuten

Veröffentlichung der Teilnahmebescheinigung:
01. Januar 2022

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Wenn Sie heute um Rat gefragt werden, können Sie auf eine riesige Auswahl an Verbandmitteln zurückgreifen. Da die meisten Verbandmittel zu den apothekenüblichen Waren gehören, dürfen Sie als PKA die Kunden dazu beraten und auch die Produkte verkaufen. In seltenen Fällen kann es sich auch um Arzneimittel handeln, wenn das Verbandmittel einen pharmazeutischen Wirkstoff enthält, der überwiegend für die Heilung verantwortlich ist. In diesen Fällen befindet sich eine Zulassungsnummer auf dem Produkt und Sie müssen die Beratung an Ihre pharmazeutischen Kollegen weiterleiten.

Welche Verbandmittel können Sie empfehlen? Dazu gehören bei der akuten Wundversorgung sogenannte Wundschnellverbände, das ist der korrekte Ausdruck für den umgangssprachlichen Begriff Pflaster oder auch eine Vielzahl von verschiedenen Kompressen. Neben den klassischen Wundauflagen aus Mullgewebe oder Vliesstoff werden inzwischen auch für Bagatellverletzungen feuchte Wundauflagen empfohlen, man spricht auch von hydroaktiven, modernen oder interaktiven Verbandmitteln. Diese sollen ein Austrocknen der Wunde mit schneller Schorfbildung verhindern, weil inzwischen ein idealfeuchtes Klima für die Wundheilung angestrebt wird.

Dadurch können für die Heilung benötigte Substanzen leichter an Ort und Stelle gelangen. Das ist besonders wichtig bei Verletzungen, bei denen die Wundränder nicht direkt aneinanderliegen und es zu einer sogenannten sekundären Wundheilung mit der Gefahr einer unschönen Narbenbildung kommt. Ein weiterer großer Vorteil für die Patienten ist, dass der Verband nicht so leicht mit der Wunde verklebt, ein Verbandwechsel weniger schmerzhaft ist und bei nichtinfizierten Wunde auch seltener notwendig ist.

Diese Vorteile sollten Sie bei der Beratung bewusst erwähnen, da die meisten Kunden eher mit konventionellen Wundauflagen aus natürlichen Materialien wie Baumwolle sympathisieren. Konventionelle Wundauflagen, auch passive Wundauflagen genannt, haben ihre Berechtigung hingegen in der Erstversorgung von blutenden oder nässenden Wunden, da ihr Material gut Flüssigkeiten aufsaugt.

LERNZIELE
Lernen Sie in dieser von der Bundesapothekerkammer akkreditierten Fortbildung
+ was die Vorteile hydroaktiver Wundauflagen sind,
+ welche Materialien zum Einsatz kommen und
+ was sich ab dem 2. Dezember 2021 ändert.

Und welcher Kleber? Als Klebematerial für Wundschnellverbände wird neben der gut klebenden Zinkoxid-Kautschuk-Masse als hautverträglichere Alternative Polyacrylatkleber immer beliebter. Dieser ist nicht nur hypoallergen, sondern auch weniger schmerzhaft beim späteren Entfernen. Außerdem ist er weniger hitzeempfindlich und auch röntgenstrahlendurchlässig. Nur klebt er nicht so gut. Allergiegeplagten Kunden können Sie auch empfehlen, ganz auf Klebematerial zu verzichten. In diesen Fällen können Kompressen mit Mullbinden oder Schlauchverbänden fixiert werden.

Chronische Wunden versorgen Ihr Haupteinsatzgebiet haben hydroaktive Wundauflagen bei chronischen Wunden. Dazu gehören venöse Beinulzera, also durch Venenprobleme entstandene „offene Beine“. Durch Diabetes bedingte Fußulzera sind ebenfalls ein häufiges Problem, sie können unbehandelt bis zur Amputation führen. Auch hier führt ein feuchtes Mikroklima zu besseren Heilungschancen. Um dies zu verstehen, müssen wir uns an die Phasen der Wundheilung erinnern. Es beginnt mit der Reinigungsphase (Exsudationsphase), wobei mit dem Exsudat, also der Wundflüssigkeit, Gewebetrümmer und Mikroorganismen ausgespült werden.

Darauf folgt die Granulationsphase, die dem Wiederaufbau des Gewebes dient. Hier wandern gesunde Zellen in das defekte Gewebe ein, das dann oft himbeerfarben erscheint. Die Heilung endet mit der Epithelisierungsphase, wo es zum endgültigen Verschluss kommt. Bei chronischen Wunden geht der Phasenübergang nicht von alleine, weshalb hydroaktive Wundauflagen nachhelfen können. Auch dann ist noch viel Geduld gefragt, da der Prozess bis zum vollständigen Wundverschluss mehrere Monate benötigen kann. Optimal ist es, wenn sich dabei Pflegekräfte mit spezieller Weiterbildung als Wundexperten regelmäßig nach Anweisung eines Arztes um die Patienten kümmern können.

Was ändert sich bei der Abrechnung? Ab dem 2. Dezember 2021 können nicht mehr alle Verbandmittel ungeprüft zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung abgerechnet werden. Dazu hat der Gemeinsame Bundesausschuss aus Vertretern von Krankenkassen, Ärzten und Krankenhäusern (G-BA) eine Richtlinie (Anlage Va der Arzneimittelrichtlinie) herausgegeben, durch welche die Verbandmittel in drei Gruppen eingeteilt werden:

  • Anlage Va Teil 1: Sogenannte eineindeutige Verbandmittel
    Bei den Wundauflagen dieser Gruppe mit dem ungewöhnlichen Namen handelt es sich um klassische Wundauflagen, zum Beispiel auf Baumwoll- oder Zellstoff-Basis, die nur dazu dienen, die Wunde zu bedecken oder Wundflüssigkeit aufzusaugen. Sie werden erstattet.
  • Anlage Va Teil 2: Produkte mit ergänzenden Eigenschaften
    Den größten Teil dieser Gruppe könnte man als hydroaktiv bezeichnen, hinzu kommen antiadhäsive beziehungsweise metallbeschichtete Wundauflagen. Sie werden in der Regel erstattet, Ausnahmen sind möglich. Dies muss dann im Einzelnen geprüft werden. In der Anlage werden Verbandmittel wie folgt eingeteilt:
    + feuchthaltende Wundauflagen: Alginate, Hydrogele, Hydrokolloide
    + antiadhäsive Wundauflagen: Salbenkompressen/Salbentamponaden, zum Beispiel auf Vaselinbasis, Wundauflagen mit Silikon- oder Aluminiumbeschichtungen
    + Geruchsbindende Wundauflagen: zum Beispiel durch Aktivkohle oder durch Superabsorber
    + Wundexsudat bindende/antimikrobielle Wundauflagen: Auch hier können Aktivkohle oder Superabsorber zum Einsatz kommen, aber auch eine Beschichtung mit Dialkylcarbomoylchlorid (DACC) oder antimikrobielle Stoffe wie Silber, die aber keinen Wundkontakt haben dürfen und auch nicht in die Wunde gelangen dürfen. Ansonsten gehören sie zur Gruppe 3 und die Erstattungsfähigkeit muss geprüft werden.
    + reinigende Wundauflagen: zum Beispiel durch Ringerlösung, auch in Kombination mit feuchthaltenden, Gerücheoder Wundexsudat-bindenden Substanzen
    + metallbeschichtete Wundauflagen: Diese Oberflächen, beispielsweise von aluminiumbedampften Wundauflagen dient dazu, nicht mit der Wunde zu verkleben. Sie sind also ebenfalls antiadhäsiv. Auch diese Produkte sind erstattungsfähig, wenn sie keine weiteren, darüber hinausgehenden Eigenschaften besitzen.
     
  • Sonstige Produkte zur Wundheilung
    Bei dieser dritten Gruppe handelt es sich um Medizinprodukte, die einen oder mehrere pharmakologische, immunologische oder metabolische (den Stoffwechsel betreffende) Wirkstoffe besitzen. Sie werden nur erstattet, wenn sie durch den G-BA hinsichtlich ihres medizinischen Nutzens positiv geprüft worden sind. Das können beispielsweise mikroorganismenabtötende Produkte mit Silber sein. Hier kann es sich um sehr hochpreisige Medizinprodukte handeln. Deshalb ist es wichtig, dass Sie sich im Zweifelsfall vorher eine Genehmigung der jeweiligen Krankenkasse besorgen.
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