Eine Frau sitzt am Tisch. Vor ihr liegen zahlreiche Tabletten- oder Kapselblister. Sie kratzt sich am Arm.© Doucefleur / iStock / Getty Images Plus
Hautreaktionen können auf Arzneimittel zurückgehen - aber welche Wirkstoffe verursachen welche Nebenwirkung?

Nebenwirkung

WENN DIE TABLETTE UNTER DIE HAUT GEHT: DERMALE REAKTIONEN AUF ARZNEIMITTEL

Antibiotika, Schmerzmittel oder Antiepileptika lösen sie aus: Hautreaktionen auf Arzneimittel. Häufig verlaufen sie mild, sie können aber auch tödlich enden. Das Problem: Der Unterschied zu anderen Hauterkrankungen ist oft schwer zu erkennen. Worauf Sie in der Beratung achten sollten.

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Wie häufig genau Nebenwirkungen auf die Haut sind, ist unklar. Denn oft suchen Betroffene bei den meist leichten Beschwerden keinen Arzt auf oder denken gar nicht an Arzneimittel als Auslöser. Problematisch kann es werden, wenn die Reaktion im wahrsten Sinne des Wortes unter die Haut geht.

Denn die Bandbreite der kutanen Nebenwirkungen von Arzneimitteln reicht von leichtem Juckreiz bis zu lebensgefährlichen Symptomen. Um welche Wirkstoffe geht es und worauf sollten Kundinnen und Kunden achten? Hier kommt ein Überblick.

Hautreaktionen als Nebenwirkung: verschiedene Typen

Die höchste Rate an Nebenwirkungen auf die Haut weisen Sulfonamide und nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) auf. Frauen sind öfter betroffen als Männer. Genetische Besonderheiten spielen wohl ebenfalls eine Rolle. Auch die Einnahme mehrerer Medikamente (Polymedikation) oder ein höheres Alter sind Risikofaktoren.

Reaktionen auf Medikamente verlaufen nach zwei Mustern: Typ A, der pharmakologisch vorhersehbare Typ, leitet sich aus dem Wirkmechanismus des Arzneistoffes her und ist dosisabhängig. Ein Beispiel ist der Zytostatika-bedingte Haarausfall. Bizarr oder auch unerwartet ist Typ B. Er basiert auf individuellen Besonderheiten.

Typen der allergischen Reaktion

  • Typ I ist eine durch Immunglobulin E (IgE) vermittelte Sofortreaktion zum Beispiel auf Insulin. Sie äußert sich durch Urtikaria (Nesselsucht), Angioödem oder auch Anaphylaxie.
  • Typ II wird auch als zytotoxische Reaktion bezeichnet und zeigt sich oft als Hautblutungen (Purpura). T-Zellen reagieren hier auf Penicilline, Cephalosporine oder Sulfonamide.
  • Bei Typ III bilden sich aus Antigenen und Antikörpern Immunkomplexe, die die Gefäßwände schädigen und eine Gefäßentzündung auslösen können. Salicylate sind hier oft Auslöser.
  • Typ IV wird auch Spättyp-Reaktion genannt und äußert sich zum Beispiel durch Kontaktdermatitis oder Arzneimittel-Exantheme, ausgelöst etwa durch Lokaltherapeutika wie Neomycin.

Exanthem und Urtikaria am häufigsten

Die häufigste Reaktion ist das Arzneimittel-Exanthem. Es tritt binnen zwei Wochen auf. Meist verläuft es mild als Ausschlag und heilt ohne Behandlung ab. Besonders oft sind Ampicillin und Amoxicillin die Auslöser.

Beim fixen Arzneimittel-Exanthem handelt es sich um eine Sonderform mit scharf abgegrenzten Flecken, die innerhalb weniger Stunden auftreten. Sie verursachen meist keine Beschwerden, lediglich manchmal Juckreiz. Auslöser sind NSAR, Paracetamol, Ciprofloxacin, Cotrimoxazol und Fluconazol. Das Besondere: Nach erneutem Kontakt mit dem Arzneistoff erscheinen die Läsionen an derselben Stelle wieder.

Die zweithäufigste Hautreaktion ist die Urtikaria, auch Nesselsucht. Sie kann durch Antibiotika, NSAR, Opiate, Röntgenkontrastmittel, Steroide, Azol-Antimykotika, Narkosemittel und Lokalanästhetika verursacht werden und mit oder ohne begleitendes Angioödem auftreten. Bei diesem werden die Gefäßwände in Haut und Schleimhaut durchlässiger, was zu starken Schwellungen führen kann. Die Symptome treten binnen weniger Stunden auf. Eine Urtikaria klingt meist innerhalb eines Tages ab, ein Angioödem kann bis zu drei Tage bestehen.

Lebensgefährliche Reaktionen

Schwere akute Reaktionen auf Arzneimittel wie das Stevens-Johnson-Syndrom (SJS) und seine Maximalform, die toxische epidermale Nekrolyse (TEN), sind zum Glück selten. Eine genetische Veranlagung scheint bei der Entstehung eine Rolle zu spielen. Auch eine HIV-Infektion ist ein Risikofaktor.

Bei der potenziell tödlichen Reaktion lösen sich bis zu acht Wochen nach der Einnahme des Auslösers Teile der Epidermis in Haut und Schleimhaut. Zu Beginn treten grippeähnliche Symptome auf, nach wenigen Tagen kommt ein blasiger Ausschlag dazu. Leber, Niere, Knochenmark, Lunge und Augen können nachhaltig Schaden nehmen. Gefährliche Komplikationen sind Infektionen und Sepsis.

Meist lösen Arzneimittel diese Reaktion aus, insbesondere Carbamazepin, Lamotrigin, Allopurinol, Sulfasalazin, Antibiotika, Paracetamol, NSAR und Kontrastmittel. Wahrscheinlich setzen T-Zellen Botenstoffe frei, die die Keratinozyten stark schädigen.

Die Therapie erfolgt stationär mit systemischen Glucocorticoiden, aber auch Ciclosporin, N-Acetylcystein oder Immunglobulinen. Über die Wirksamkeit all dieser Maßnahmen herrscht Uneinigkeit. Das Wichtigste und zugleich mitunter Schwierigste: den Auslöser identifizieren. Denn dieser muss lebenslang gemieden werden.

Bleibende Hautveränderungen möglich

Arzneimittelreaktionen können auch chronisch verlaufen. Ein Beispiel ist die Weißfleckenkrankheit Vitiligo. Sie könnte durch Hemmstoffe von Tumornekrosefaktor-α (TNFα) verursacht werden. Auch der monoklonale Antikörper Dupilumab gegen schwere Formen von Asthma und Neurodermitis kann Vitiligo auslösen.

Der medikamenteninduzierte Lupus erythematodes tritt mitunter nach Behandlung mit Etanercept, α-Methyldopa, Infliximab und Isoniacid auf. Es handelt sich hier um eine Typ III-Reaktion mit Fieber, Lymphknotenentzündung und der charakteristischen Rötung auf Wangen und Nase (Schmetterlingserythem).

Der arzneimittelbedingte Haarausfall (Alopezie) tritt bei Zytostatika binnen weniger Wochen auf, bei anderen Arzneistoffen nach drei bis sechs Monaten. Nach Absetzen wachsen die Haare meist nach. Azathioprin, Methotraxat, Analgetika, ACE-Hemmer, Colchicin, Retinoide, Lipidsenker und Heparine können Auslöser sein, bei den Zytostatika vor allem Carboplatin und Cyclophosphamid.

Behandlung am besten durch den Arzt

Treten unklare Hautreaktionen auf, sollte man generell auch an Nebenwirkungen von Medikamenten denken. Hierbei muss man den zeitlichen Zusammenhang genau nachvollziehen. Es kann helfen, Familienmitglieder nach ähnlichen Reaktionen zu befragen. Bei bekannten Allergien sollten auch die Hilfsstoffe eines neuen Arzneimittels geprüft werden

Gegen leichte Reaktionen können Sie in der Apotheke kühlende Umschläge, juckreizstillende Gele und Cremes oder systemische Antihistaminika empfehlen. Über die Behandlung stärkerer Hauterscheinungen zum Beispiel mit Glucocorticoiden entscheidet der Arzt. Auch das Absetzen von Medikamenten sollte keinesfalls eigenmächtig erfolgen! Ist der Übeltäter identifiziert, kann der Arzt Alternativen einsetzen.

Quellen:
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/viele-arzneimittel-greifen-die-haut-an-146225/ 
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/laestig-bis-lebensbedrohlich-144974/ 
https://www.gelbe-liste.de/krankheiten/arzneimittelexanthem 

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