Mann mit Klopapierrolle © tverdohlib / stock.adobe.com
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Botanik und Drogenkunde

FARBSTOFF UND ABFÜHRMITTEL

Viele verschiedene Pflanzen bilden Anthrachinone und einige dieser Pflanzen werden schon seit Jahrhunderten als Laxanzien eingesetzt. Eine Zeitlang waren sie in Verruf geraten. Wie ist der Wissensstand heute?

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Pilze bilden sie und zahlreiche höher entwickelte Pflanzen, wie Senna, Faulbaum, Aloe oder Rhabarber. Sogar einige pflanzensaugende Insekten können die Anthrachinone verwenden, die sie aus der Pflanze aufgenommen haben. So ist beispielsweise der violette Farbstoff der Cochenilleschildlaus ein Anthrachinon-Derivat. Pflanzen brauchen natürlich kein Abführmittel. Für sie haben die Substanzen vermutlich eine abwehrende Wirkung auf Fraßfeinde. Manchen Pilzen verleihen die Anthrachinone ihre auffällige Farbe.

Ein bisschen Chemie Anthrachinone besitzen ein Anthracen-Grundgerüst, das aus drei aneinanderhängenden Benzolringen besteht. Es handelt sich um einen polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoff mit der Summenformel C₁₄H₁₀. Beim Anthrachinon besitzen nur die beiden äußeren Ringe konjugierte Doppelbindungen. Der mittlere Ring trägt zwei Ketogruppen. Die meisten natürlich vorkommenden Anthrachinone besitzen mehrere Hydroxylgruppen. In der Pflanze liegen die Anthrachinone an Zucker gebunden als Glycoside vor. Synthetische Anthrachinon-Derivate dienen häufig als Farbstoffe, denn durch das relativ große System konjugierter Doppelbindungen können einzelne Elektronen bereits durch geringe Energiemengen, wie sie von Lichtwellen im sichtbaren Bereich ausgehen, angehoben werden. Dem zurückgeworfenen Licht fehlt eine bestimmte Wellenlänge, es erscheint uns farbig.

Natürliche Prodrugs Die Anthrachinon-Glykoside müssen, um in die eigentliche Wirkform – das Aglykon – überführt zu werden, gespalten werden. Unsere Verdauungsenzyme können das jedoch nicht. Die Glykoside gelangen daher nach der Einnahme unverändert und ohne resorbiert zu werden an den eigentlichen Wirkort, den Dickdarm. Erst dort spalten die Darmbakterien den Zucker ab und es entsteht das laxierend wirkende Aglykon, das Anthrachinon. Wie auch die synthetischen Laxanzien Bisacodyl und Natriumpicosulfat wirken die Anthrachinone direkt motilitätsbeeinflussend, antiresorptiv und sekretagog. Das heißt, sie stimulieren die propulsiven Kontraktionen der glatten Dickdarmmuskulatur, wodurch es zu einem beschleunigten Transport im Dickdarm kommt.

Die verkürzte Kontaktzeit verringert die Wasserrückresorption und steigert die Elektrolyt- und Wassersekretion. Dadurch verbleibt mehr Flüssigkeit im Darm, was durch den Volumenreiz zusätzlich die Peristaltik erhöht und die Defäkation erleichtert. Die Wirkung setzt etwa acht bis zwölf Stunden nach der Einnahme ein. Dies führt, am Vorabend eingenommen, am Morgen zum gewünschten Effekt. Zu beachten ist, dass beispielsweise Tees aus Sennesblättern kalt oder lauwarm angesetzt werden müssen. Mit heißem Wasser käme es zur vorzeitigen Aufspaltung der Glykoside und dadurch zu einer schlechteren Magenverträglichkeit. Den Tee lässt man circa 20 Minuten ziehen und trinkt ihn dann vor dem Schlafengehen.

„Wenn ein Laxans so dosiert wird, dass ein Stuhl von physiologischer, das heißt, weicher, nicht flüssiger Konsistenz ausgeschieden wird, besteht KEIN Risiko von unphysiologischen Flüssigkeits- und Elektrolytverlusten oder einer Schädigung des Darms, auch nicht bei chronischer Behandlung.“ aus dem Konsensuspapier „Obstipation und Laxanzien“ von 1999

Alte Behauptungen nicht haltbar Bereits vor 20 Jahren trafen sich Experten zum Forum „Obstipation und Laxantien“, um die aktuelle Studienlage zu sichten und zu bewerten. Doch noch heute sind die Erkenntnisse nicht bei allen angekommen. Noch immer wird sowohl bei den synthetischen, als auch bei den natürlichen Laxanzien vor einem Elektrolytverlust, insbesondere einem Kaliumverlust gewarnt, der den Darm noch träger macht und in einen Teufelskreis führt. Dies ist bei vernünftiger Dosierung, also einer Dosierung, mit der man einen normalen Stuhl erzeugt, aber nachweislich nicht der Fall. Erst wenn Laxanzien – missbräuchlich – sehr hoch dosiert werden, kann es zu einem Kaliumverlust mit den entsprechenden Folgen kommen.

Vom Missbrauch spricht man, wenn Personen, die gar nicht unter Obstipation leiden, Laxanzien beispielsweise zur Gewichtsreduktion einnehmen, was man gelegentlich bei Anorexie- oder Bulimie-PatientInnen beobachten kann. Laxanzienabusus wird häufig mit dem chronischen Gebrauch von Abführmitteln gleichgestellt. Dies ist in alten Lehrbüchern zwar noch häufig zu finden, ist aber ebenso falsch. Wer an chronischer Obstipation leidet und regelmäßig Abführmittel in angemessener Dosierung nimmt, der erzeugt lediglich normalen Stuhlgang und keine Durchfälle. Entsprechend werden auch keine Elektrolyte ausgeschwemmt und es kommt nicht zur Gewöhnung und Dosissteigerung oder zur Abhängigkeit. Vielen Menschen mit chronischer Obstipation ist mit dem Rat, mehr zu trinken, ballaststoffreich zu essen und sich mehr zu bewegen, nicht geholfen, denn daran liegt es nur in den seltensten Fällen.

Es ist auch nicht sinnvoll, ihnen ein schlechtes Gewissen einzureden, wenn sie in der Apotheke ein Laxans verlangen. Da Obstipation weitgehend durch Selbstdiagnose festgestellt und mit Selbstmedikation behandelt wird, kommt der Apotheke eine verantwortungsvolle Rolle bei der Beratung und Aufklärung des Patienten zu, ebenso beim Erkennen der Grenzen der Selbstbehandlung und von Missbrauch. Für die Laxanzien-​Angst, die viele Patienten, Ärzte und auch Apotheker und PTA immer noch haben, besteht nach der aktuellen Studienlage kein Grund.

Und wie ist es mit der Kanzerogenität? Tierexperimentelle Studien hatten eine krebserregende Wirkung für das synthetische, leicht resorbierbare Anthrachinon Danthron sowie für das chemisch ebenfalls verwandte Phenolphthalein nachgewiesen, was dann Untersuchungen der kanzerogenen Risiken der gesamten Stoffklasse der Anthranoide ausgelöst hat. Dabei erwiesen sich die Sennoside aus den Sennesblätter und andere Substanzen in vitro und in vivo als unbedenklich. Auch Langzeituntersuchungen zeigen kein kanzerogenes Risiko. Da potenziell krebserregende Stoffe durch die Anwendung der Anthrachinone weniger lange im Darm bleiben, wurde ihnen sogar eine schützende Wirkung zugeschrieben.

Aber was ist mit der Verfärbung der Darmschleimhaut? Auch dies wurde untersucht und auch hier gibt es Entwarnung. Bei regelmäßiger Einnahme von Anthrachinonen kommt es zu einer reversiblen Einlagerung von Pigmenten in die Darmmucosa, was man früher für Vorstufen von Karzinomen hielt. Man nennt diese Verfärbung Pseudomelanosis coli. Sie hat jedoch nach aktuellem Wissensstand keine Bedeutung und stellt auch keine Krebsvorstufe dar. Das Expertenforum stuft sie als harmlos ein.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER SCHULE 2019 auf Seite 10.

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