Frau sitzt auf Berg.© Zulman / iStock / Getty Images

Ayurveda

ZU SICH SELBST FINDEN

Wie geht das genau? Was ist denn überhaupt damit gemeint? Wie verbinde ich mich mit mir selbst und mit anderen? Welche Tools oder Hilfsmittel gibt es zur Unterstützung? Yoga kann einen Weg zeigen.

Seite 1/1 5 Minuten

Seite 1/1 5 Minuten

Das Wort Verbindung bekommt in einer Zeit, in der wir uns mehr oder weniger zurückziehen, um echte Kontakte zu reduzieren, eine ganz neue Gewichtung. Es bedeutet uns wieder viel mehr, wenn wir das Gemeinschaftsgefühl erleben dürfen. Und letztendlich können wir uns auch nur mit anderen verbunden fühlen, wenn wir mit uns selbst verbunden sind. Um diese Verbindung immer wieder zu spüren, neu aufzubauen oder zu intensivieren, kann uns Yoga helfen. Yoga und Ayurveda haben die gleichen Wurzeln und gehören unmittelbar zusammen.

Yoga Das Wort Yoga bedeutet Einheit, Harmonie und auch Verbindung. Man benutzt das Wort Yoga meist dann, wenn man die Körperübungen, Asanas, auf der Yogamatte meint. Aber Yoga ist viel mehr als das. In den Yoga Sutras nach Patanjali, eine der wichtigsten Schriften des Yoga heißt es: Yoga ist das Zur-Ruhe-Kommen der Gedankenwellen im Geiste. Insgesamt gibt es sechs Yoga-Wege. Der erste ist Hatha-Yoga, das ist Yoga der Körperübungen und wohl am be- kanntesten. Der zweite Weg ist Kundalini-Yoga, Yoga der Energie.

Durch viele Atemübungen werden Energiezentren und -kanäle gereinigt und harmonisiert und unsere Schöpferkraft geweckt. Drittens möchte ich Raja-Yoga nennen. Raja bedeutet König, es ist der königliche Yoga-Weg. Denn hier geht es um die Beherrschung des Geistes, die Gedankenkontrolle. Um unsere Gedanken zur Ruhe zu bringen, hat Patanjali ein Übungssystem entwickelt, welches sich Ashtanga-Yoga nennt, der achtgliedrige Pfad.

Viertens gibt es Jnana-Yoga zu benennen, Yoga des Wissens. Es beschäftigt sich mit philosophischen Fragen über den Sinn des Lebens und die menschliche Existenz. Fünftens haben wir Bhakti-Yoga, Yoga der Hingabe und Liebe zum Göttlichen. Es umfasst alle Religionen. Durch Gebete, Rituale und Mantras- Singen wird das Herz geöffnet. Sechstens wäre da noch Karma-Yoga zu nennen, Yoga des selbstlosen Handelns für andere, ohne einen Vorteil davon zu haben.

Ashtanga Yoga Der achtgliedrige Pfad, der zum Raja-Yoga gehört, besteht also aus acht Punkten, die uns helfen sollen den Zustand der Gedankenruhe zu erreichen. Zu diesem Übungssystem gehören die Yamas (Umgang mit unseren Mitmenschen), Niyamas (Umgang mit uns selbst), Asanas (Körperübungen), Pranayama (Atemübungen), Pratyahara (Zurückziehen der Sinne von der Außenwelt), Dharana (Konzentration auf nur einen Gedanken), Dhyana (Meditation) und Samadhi (Selbstverwirklichung, Erleuchtung).

So bekommen wir viele Werkzeuge an die Hand uns mit der universellen Kraft zu verbinden oder ihr näher zu kommen. Und so merken wir, dass Yoga nicht nur auf der Matte stattfindet, sondern sich durch unser ganzes Leben zieht. Denn ursprünglich wurden die Asanas nur praktiziert, um bequem im Schneider- oder Lotussitz für die Meditation verweilen zu können und so die Verschmelzung mit dem Göttlichen zu erfahren.

Fünf Yamas Die Regeln für den Umgang mit unseren Mitmenschen nennt man auf Sanskrit Yamas. Die erste und vielleicht wichtigste heißt

  • Ahimsa, Gewaltlosigkeit. Dies geht weit über die körperliche Gewaltlosigkeit hinaus. Es handelt sich um die Gewaltfreiheit in Gedanken, Worten und Taten. Es geht darum, destruktive Gedanken bereits zu erkennen, bevor sie zu Worten werden können. Und zwar auch gegen uns selbst. Denn wir können sicher sein, so wie wir mit anderen Menschen reden, reden wir letztendlich auch mit uns selbst. Somit schließt die Bedeutung von Ahimsa auch unsere gesamte Umwelt und alle Lebewesen mit ein. Und wir sollten bei allem abwägen, was den geringsten Schaden anrichtet. Die Zweite heißt
  • Satya, die Wahrhaftigkeit. Auch hier gilt es wieder wahrhaftig in Gedanken, Worten und Taten zu sein. Es geht hierbei darum, authentisch zu sein. Es soll nichts vorgegeben werden, was nicht wahr ist. Auch nicht aus falscher Rücksichtnahme. Wir achten nicht nur darauf, was gesagt wird, sondern auch wie es gesagt wird und welche Konsequenz die Wahrheit hat.
  • Asteya ist die dritte Regel der Yamas und bedeutet: Nicht stehlen und auch keinen Neid entwickeln. Es geht darum, sich nichts zu nehmen, was einem nicht gehört. Es wird kein Unterschied gemacht zwischen Gütern, Taten oder Gedanken. Sich Ideen oder Gedankengut zu klauen ist genauso verwerflich wie Gegenstände mitgehen zu lassen. Das Eigentum des anderen gilt es zu respektieren. Viertens ist
  • Brahmacharya zu nennen, die sexuelle Zurückhaltung. Hierunter versteht man aber auch Maßhalten in allen Lebensbereichen. Sich nicht seinen Leidenschaften auszuliefern und somit abhängig zu machen. Alles im Übermaß kann dazu führen, sich zu sehr auf eine Sache zu fokussieren, sodass das Denken und Handeln nur noch davon bestimmt wird. Gemeint ist nicht seine Ziele zu verfolgen, sondern alles, was ins Extreme geht und uns dann nicht mehr guttut. Das fünfte der Yamas heißt
  • Aparigraha: nicht horten. Also keine Habgier entwickeln. Es ist ähnlich zu Asteya, konzentriert sich jedoch stärker auf die innere Haltung einer Anspruchslosigkeit. Was brauche ich wirklich zum Leben und Glücklichsein? Ein Haus, eine Wohnung, Kleider, Möbel, Lebensmittel, aber auch Dinge wie Ehre, Ruhm und Anerkennung? Wie abhängig bin ich davon? Es geht also darum, sich von Erwartungshaltungen zu lösen und den eigenen Wert zu erkennen.

Fünf Niyamas Es sind die Regeln für den Umgang mit uns selbst, sprich die eigene Lebensführung. Als erstes ist da

  • Shaucha zu nennen, Reinheit. Darunter verstehen wir körperliche, geistige und emotionale Hygiene. Das bedeutet auch bewusste gesunde Ernährung und den Körper rein zu halten durch regelmäßige Übung der Asanas. Auch die Reinhaltung von Wohnung und Umgebung gehört dazu. Auf geistiger Ebene bedeutet es, reine Gedanken zu haben sowie Rücksichtnahme. Das zweite der Niyamas ist
  • Santosha, die Zufriedenheit. Es bedeutet, mit dem zufrieden zu sein, was man hat, auf materieller, körperlicher und intellektueller Ebene. Das setzt voraus, sich selbst und seine persönlichen Umstände zu akzeptieren. Das schließt jedoch nicht aus, dass es keine Weiterentwicklung geben darf. Es ist vielmehr so gemeint, dass man seine innere Zufriedenheit nicht von äußeren Umständen abhängig macht.
  • Tapas als dritte Regel bedeutet Disziplin. Diese Selbstdisziplin entsteht aus einem brennenden Verlangen (Tapah = Hitze) und einem inneren Bedürfnis. Auf diese Weise kann man einen anstrengenden Weg meistern, da der innere Antrieb groß ist. Im Yoga direkt bedeutet das zum Beispiel die tägliche Yogapraxis auch unter schwierigen Umständen aufrecht zu erhalten. Dann gibt es da noch
  • Svadhyaya, das Selbststudium. Dies beinhaltet auch das Studium der alten Schriften, um dadurch Selbsterkenntnis zu erlangen. Es beinhaltet aber auch die Fähigkeit sich selbst zu beobachten und zu analysieren und zu reflektieren. Was beeinflusst das eigene Verhalten in bestimmten Situationen? Welche Glaubenssätze sind in uns verankert, wie zum Beispiel: „Das bin ich nicht wert.“ „Das passiert immer mir.“ Und als letzte Regel im Umgang mit uns selbst gibt es noch
  • Ishvara Pranidhana Dies bedeutet Vertrauen in eine höhere Kraft haben, sich in den Dienst eines Höheren zu stellen zum Wohl der Menschheit, um einen Beitrag zum Leben auf der Erde zu leisten. Es bedeutet aber auch seine eigenen Grenzen zu erkennen und zu akzeptieren und dass es Dinge gibt, die nicht in unserem Einflussbereich der eigenen Macht stehen. So bedeutet dies auch loslassen zu können und Vertrauen in das Leben an sich zu haben.

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 04/2022 ab Seite 118.

Stefanie Berhausen, Apothekerin, Ayurveda-Gesundheitsberaterin, Meditations- und Yogalehrerin, www.vedawelt.de

×