Eine Schreibmaschine, auf der rot lackierte Hände tippen
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Kolumne | PTA in Zeiten von Corona

WOCHE 1

Seltsam war sie, die zurückliegende Woche. Jeden Tag überschlugen sich die Ereignisse – erst wurde dies verboten, dann jenes geschlossen und plötzlich gab es sogar Änderungen gewisser Apothekenvorschiften, die bisher in Stein gemeißelt schienen. Und das alles wegen Corona.

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Ich hatte es zunächst unterschätzt, das kleine Virus. Aber das tat Professor Lothar Wieler, Leiter des Robert-Koch-Institutes, anfangs ja auch. Er sagte, es würde schon nicht so schlimm werden. Also beruhigte ich die Kunden, die sorgenvoll vor der Kasse Schlange standen: „Keine Angst, schauen Sie sich doch die Krankheitsverläufe an, ziemlich harmlos, oder? An der Grippe sind viel mehr Leute gestorben.“ Genau denselben Schwachsinn, den alle damals redeten. Dass eine Pandemie auf uns zurollte, die noch keiner von uns erlebt hatte, sah ich nicht.

Die Woche begann mit einem Paukenschlag. Alle Schulen wurden geschlossen. Meine tapferen Kolleginnen, die schulpflichtige Kinder hatten, kriegten das irgendwie hin und kamen weiterhin zur Arbeit. Während sich viele Menschen zu Ausbesserungsarbeiten in ihre Häuser zurückzogen, im Homeoffice arbeiteten und die Kinder bei wundervollem Wetter im Garten ihre Hausaufgaben online erledigten, begann bei uns ein überwältigendes Arbeitsaufkommen, das alle an ihre Grenzen brachte.

Ich glaube, so richtig bewusst wurde mir die Gefährlichkeit und Allgegenwart von SARS-CoV-2, als wir die Anweisung erhielten, die Offizin inklusive Backoffice nur noch mit Maske und Handschuhen zu betreten. Als die Botendienstfahrer, die normalerweise nachmittags um halb fünf anfingen, jetzt um zehn Uhr morgens erschienen und den ganzen Tag zu tun hatten. Als ein Eingang eingerichtet wurde, vor dem hustende Kunden warten mussten, bis wir ihnen das Gewünschte hinausreichten.

Unsere Autorin Alexandra Regner, PTA und Journalistin, berichtet in dieser Kolumne aus ihrem Apothekenalltag. „PTA in Zeiten von Corona“ erscheint einmal wöchentlich online auf www.diepta.de

Das Verhalten der Kunden änderte sich. Es durften nur noch zwei auf einmal in die Apotheke. Der Rest staute sich auf dem Bürgersteig. Alle hielten Abstand. Kein Mensch beschwerte sich mehr, wenn statt der gewohnten plötzlich eine andersfarbige Packung auf dem HV lag. Alle waren froh, überhaupt noch was zu bekommen. Das übliche Gemecker legte sich, wenn Rezepte falsch bedruckt waren, sodass Rückrufe beim Arzt erforderlich wurden. Man gab uns alle Zeit der Welt. Und mehr noch: Noch nie hatten wir so viel Lob erhalten. „Danke, dass Sie den Laden hier am Laufen halten“, sagte einer. „Ich bin ja so froh, dass Sie die Stellung halten“ eine andere. Die Apotheken-Nachbarin fing mich auf der Straße ab, als ich einen Parkplatz suchte. „Sie können hier neben meiner Garage parken. Immer. Und Sie brauchen auch nicht zu fragen.“ Und die Arzthelferin aus der nahe gelegenen Praxis erschien mit einem Stapel Rezepte, die sie neben die Kasse legte. „Wollte euch von einer neuen Studie erzählen“, sagte sie und sah uns verschmitzt an. „Alkohol desinfiziert. Auch von innen!“. Dann zog sie zwei Piccolo aus der Tasche und stellte sie mitten auf den HV-Tisch.

Rezepturen wurden nicht mehr angenommen. Stattdessen riesige Kanister mit Isopropyl-Alkohol geliefert; das Labor sah aus wie eine Tankstelle. Eine Biozid-Verordnung wurde aufgehoben, von der ich gar nicht wusste, dass es sie gibt. Dann begann die Herstellung von Desinfektionsmittel, so ziemlich das einfachste der Welt, und ich wunderte mich wieder mal über total sinnlose Vorschriften, die man erst offiziell außer Kraft setzen musste, bevor die Apotheker ihren Job machen durften.

Gewisse Glücksgefühle durchströmten mich, selbst in Zeiten von Corona, als die Meldung erschien, dass wir die Rabattverträge missachten durften. Erst machten nur ein paar Kassen mit, dann alle, und man spendierte uns sogar eine Sonder-PZN. Die Leute sollten ihr Medikament sofort kriegen und nicht noch einmal zum Abholen erscheinen. Wir sollten „Covid“ neben das betreffende Medikament schreiben und fertig. Meine Güte, das war cool. (Mal sehen, was noch alles außer Kraft gesetzt wird, das uns den Apothekenalltag nur unnötig schwermacht :-) ).

Ab dieser Woche werden wir in zwei Teams aufgeteilt. Wenn einer von uns erkrankt oder unter Quarantäne gestellt wird, kann das andere Team weiterarbeiten. Ich erzähle Ihnen, wie´s weitergeht.

Alexandra Regner,
PTA und Journalistin

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