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Antibiotika

WIRKSAMKEIT ERHALTEN

Bereits als harmlos abgehakte Infektionen können wieder zu ernsthaften Komplikationen führen, wenn antimikrobielle Medikamente nicht mehr wirken. Was lässt sich dagegen unternehmen?

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Die WHO hat im Frühjahr ihren ersten globalen Report zu Antibiotikaresistenzen vorgelegt: Wir haben es nicht mehr mit einer Vorhersage für die Zukunft zu tun, sondern Resistenzen gibt es bereits jetzt – und zwar weltweit.

Das ProblemJeder Einsatz von Antibiotika erzeugt einen Selektionsdruck auf die Bakterien. Werden sie mit Antibiotika in ihrer Umwelt konfrontiert, so bilden sich mit der Zeit Stämme heraus, die dagegen unempfindlich sind. Diese gedeihen dann umso besser – und können ihre Resistenzen an bislang noch nicht resistente Stämme weitergeben. Die Folge: Immer mehr Keime werden gegen einige oder sogar alle verfügbaren Antibiotika resistent, Infektionen mit ihnen sind nur noch schwer oder gar nicht mehr beherrschbar.

Schätzungen zufolge sterben allein in Europa jährlich 25 000 Menschen an Infektionen mit resistenten Bakterien. Prinzipiell führen zwei Wege aus dieser Krise: Die Entwicklung neuer Antibiotika, gegen die die Bakterien noch keine Resistenzen herausgebildet haben, sowie die Senkung des Antibiotikaverbrauchs, um den Selektionsdruck so gering wie möglich zu halten.

Nicht genügend neue So kam 2012 hier zu Lande ein Breitbandantibiotikum auf den Markt, das unter anderem gegen den multiresistenten Klinikkeim MRSA wirksam ist. Seit 2013 ist ein neues Medikament gegen den gefürchteten Darmkeim Clostridium difficile verfügbar und seit diesem Jahr zwei neue Mittel gegen Tuberkulose sowie eines gegen Lungenentzündung. Zahlreiche weitere Antibiotika befinden sich in der Entwicklung. Allerdings ist abzusehen, dass diese Anstrengungen nicht ausreichen werden, um der Bedrohung durch die fortschreitende Resistenzentwicklung Herr zu werden.

Einsatz minimieren Dabei ist zunächst einmal festzuhalten, dass Deutschland im ambulanten Sektor im internationalen Vergleich gut dasteht: Wir gehören zu den EU-Ländern mit dem geringsten Verbrauch. In manchen anderen Ländern werden bis zu vier Mal so viele Antibiotika eingesetzt. Trotzdem sind Experten überzeugt, dass auch bei uns noch Einsparpotenzial besteht. Eine aktuelle Auswertung des Zentralinstituts für die kassenärztliche Vereinigung zeigt, dass der Verbrauch im ambulanten Bereich zwischen 2008 und 2012 zwar in einigen, aber nicht in allen Altersgruppen leicht zurückgegangen ist.

»Schätzungen zufolge sterben allein in Europa jährlich 25 000 Menschen an Infektionen mit resistenten Bakterien.«

Besorgniserregend ist besonders, dass die Verordnung von Cephalosporinen zunahm und der Anteil der Fluorchinolone gleich blieb. Beide zählen zu den Reserveantibiotika und scheinen zudem die Entstehung von Resistenzen besonders zu begünstigen – und sollten daher so restriktiv wie möglich eingesetzt werden.

Leuchtkraft besitzt ein Pilotprojekt an der Uniklinik Freiburg: Dort erhielt das Personal Informationen, bei Visiten und Konsilen wurde das Thema ausdrücklich diskutiert. Der Einsatz von Cephalosporinen und Fluorchinolonen wurde kritisch gesehen, der von Penicillinen (die Resistenzentwicklungen weniger stark fördern) dagegen war ausdrücklich erlaubt. Das Ergebnis: Die Verordnung der Reserveantibiotika konnte um ein Drittel gesenkt werden. Zwar wurden im Gegenzug mehr Penicilline eingesetzt, trotzdem gelang insgesamt eine Nettoeinsparung – ohne dass die Qualität der Behandlung gelitten hätte.

DART & Co. Weitere wichtige Maßnahmen gegen Resistenzen neben dem gezielten und intelligenten Einsatz von Antibiotika umfassen verbesserte Hygiene und Impfungen, um potenzielle Infektionen von vornherein zu verhindern. Gefordert wird auch die Entwicklung von Schnelltests, um noch vor Beginn einer Behandlung zuverlässig festzustellen, um welche Art von Keimen es sich genau handelt und auf welche Antibiotika sie gut ansprechen.

Ein zusätzliches umfangreiches Feld: die Veterinärmedizin, in der ebenfalls große Mengen Antibiotika eingesetzt werden. Um all diese Ansätze zu definieren und koordinieren, wurde bereits vor sechs Jahren die Deutsche Antibiotika Resistenzstrategie (DART) ins Leben gerufen. Aktuell wird sie – basierend auf den Erfahrungen der letzten Jahre – überarbeitet.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 11/14 ab Seite 116.

Dr. Anne Benckendorff, Medizinjournalistin

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