Apotheker und PTA © gewitterkind / stock.adobe.com
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Psychologie

WIE ENTSTEHT GESUNDHEITSVERHALTEN?

PTA und Apotheker haben durch ihren Status als Vertrauenspersonen großen Einfluss auf das Gesundheitsverhalten von Kunden. Welche Einflussvariablen gibt es?

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In den 1970er Jahren wurde von Aaron Antonovsky der Begriff der Salutogenese entwickelt: Dieser beschäftigt sich mit der Frage, wie Gesundheit entsteht und wie man diesen Zustand erhält. Gesundheit und Krankheit stellen nach Antonovsky zwei gegensätzliche Pole dar, während sich der aktuelle Zustand auf dem Kontinuum zwischen diesen Extremen befindet. Um sich in Richtung Gesundheit zu bewegen, muss der Mensch in der Lage sein, seine Ressourcen zu erkennen und sie entsprechend zu nutzen. Diese Fähigkeiten können im Rahmen der Beratung durch die PTA und den Apotheker angesprochen und gestärkt werden.

Theorie der Gesundheitsförderung Doch welche Variablen sind wichtig, um Gesundheitsverhalten zu unterstützen? Eine Antwort darauf hat das Sozial-kognitive Prozessmodell des Gesundheitsverhaltens, auch als HAPA-Modell (englisch: Heath Action Process Approach) bezeichnet. Das von Ralf Schwarzer entwickelte Modell dient der Erklärung von gesundheitsförderlichen und –schädlichen Verhaltensweisen. Es enthält alle Variablen, die sich durch Untersuchungen als relevant und wichtig für die Erklärung von Gesundheitsverhalten erwiesen haben. Zunächst geht Schwarzer von verschiedenen Einflussvariablen aus, die bei Individuen mehr oder weniger stark ausgeprägt sind.

Dazu gehört zunächst das Konzept der Selbstwirksamkeit, welches die subjektive Gewissheit darstellt, neue oder schwierige Anforderungssituationen aufgrund eigener Kompetenzen bewältigen zu können. Im Rahmen des Apothekenalltags kann dies beispielsweise auf das Konzept der Compliance übertragen werden: Ein Kunde erhält ein Medikament, welches er langfristig zweimal täglich einnehmen soll. PTA und Apotheker könnten im Rahmen der Beratung erfragen, ob sich der Patient die konsequente Einnahme des Arzneimittels über einen längeren Zeitraum zutraut.

Ist dies nicht der Fall, könnten PTA und Apotheker Möglichkeiten aufzeigen, wie es dem Kunden leichter fallen könnte (zum Beispiel durch Aufstellen eines Medikamentenplans, das Einstellen der Alarmfunktion auf dem Handy zur Erinnerung) und auf diese Weise indirekt seine Selbstwirksamkeit stärken. Der zweite von Schwarzer genannte Faktor ist die Risikowahrnehmung. Auf unser Beispiel bezogen bedeutet dies, die eigene Verwundbarkeit zu betrachten, wenn das Verhalten – in diesem Fall die Einnahme des verordneten Medikaments – NICHT regelmäßig ausgeführt wird. PTA und Apotheker sollten Patienten mit einer geringen Risikowahrnehmung demnach deutlich machen, mit welchen Gefahren eine Nichteinnahme des Mittels einhergehen könnte.

Die Risikowahrnehmung kann in jeglichen Beratungskontexten identifiziert werden, beispielsweise spielt sie auch bei der Raucher-Entwöhnung eine große Rolle. Es ist bekannt, dass Raucher ihr eigenes Erkrankungsrisiko häufig als geringer einschätzen als das anderer Raucher. An dieser Stelle ist es sinnvoll, wenn PTA und Apotheker über die Eintrittswahrscheinlichkeit von Folgeerkrankungen der Nikotinsucht informieren.

Zuletzt stellt die Handlungsergebniserwartung einen wichtigen Punkt im HAPA-Modell dar: Sie gibt an, inwieweit eine Person glaubt, dass das eigene Handeln zu einem erwünschten Resultat führt. Hat der Arzt ein Medikament verordnet, sollte der Kunde möglichst überzeugt davon sein, dass die Einnahme zu einer Verbesserung der Beschwerden oder im besten Fall zu einer Heilung der Erkrankung führt. Auch hier können PTA und Apotheker durch ihr umfassendes Hintergrundwissen Einfluss nehmen, indem sie Betroffenen deutlich machen, mit welchen Vorteilen die Anwendung einhergeht.

Gesundheitskompetenz bedeutet, dass man förderlich mit der eigenen Gesundheit umgeht.

Die Schritte bis zur Handlungsausführung Die drei beschriebenen Variablen nehmen im sozial-kognitiven Prozessmodell des Gesundheitsverhaltens Einfluss auf die Zielsetzung einer Person. Der Kunde setzt sich beispielsweise das Ziel, die Medikamente regelmäßig einzunehmen, um die Symptome seiner Erkrankung zu verbessern oder zu beseitigen. In Bezug auf die Raucherentwöhnung könnte der Raucher den Entschluss fassen, das Laster aufzugeben. Nach der Zielsetzung beginnt die konkrete Planung der Handlung: Wie oft ist das Arzneimittel einzunehmen, sodass sich gesundheitliche Vorteile einstellen? Was kann man tun, um stets an die Einnahme zu denken?

Schließlich wird die Handlung initiiert (in diesem Beispiel beginnt der Kunde mit der Einnahme) und möglichst dauerhaft aufrechterhalten (solange der Arzt das Medikament verordnet). Ab diesem Zeitpunkt findet eine permanente Handlungsausführungskontrolle statt, welche das Verhalten und die Intention gegen konkurrierende Intentionen (wie zum Beispiel: „Ich würde lieber Alkohol trinken als meine Arzneimittel heute Abend einzunehmen.“) abschirmt. Die Überwachung des eigenen Verhaltens ist solange notwendig, bis dieses zur Gewohnheit geworden ist (und der Kunde beispielsweise selbstständig morgens und abends an die Einnahme des Arzneimittels denkt).

Motivation und Volition Das Modell wird insgesamt noch in die Motivationsphase, in der die Absicht, das Gesundheitsverhalten auszuführen, gebildet wird, sowie in die Volitionsphase, in der die Umsetzung der Intention stattfindet, unterteilt. Es kann auf jegliche Bereiche des Gesundheitsverhaltens übertragen werden. Neben den erwähnten Beispielen der Medikamenteneinnahme oder der Raucherentwöhnung könnten sich PTA und Apotheker unter anderem bei Beratungen rund um die Gewichtsreduktion, den Stressabbau oder dem Aufbau von körperlicher Aktivität zur Reduktion von Herz-Kreislauf-Erkrankungen an dem Modell orientieren. Selbstverständlich lässt der zeitlich begrenzte Rahmen der Beratung in der Apotheke nur einen geringen Einfluss von PTA und Apotheker auf relevante Faktoren zu, das Gespräch kann allerdings wichtige Denkanstöße beim Kunden liefern.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 06/18 ab Seite 132.

Martina Görz, PTA und Fachjournalistin

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