Nahaufnahme einer Krebszelle
Nahaufnahme einer Krebszelle. © peterschreiber.media / iStock / Getty Images Plus

Krebstherapie | Metastasierung

„WENN WIR DEN KREBSZELLEN GENUG SAUERSTOFF GEBEN, HABEN SIE KEINEN GRUND, DEN TUMOR ZU VERLASSEN“

Krebszellen sind Spezialisten: Sie sind oft deutlich schlechter mit Sauerstoff versorgt als gesunde Körperzellen. Sie wehren sich, indem sie ein Protein produzieren, das das Wachstum von Blutgefäßen anregt. Forscher fanden heraus: Hindert man sie daran, streut der Krebs häufiger und vermindert so die Überlebenschancen.

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Moderne Chemotherapeutika greifen unter anderem in den Regelkreislauf von Krebszellen ein. Das Protein, das das Wachstum von Blutgefäßen zum Tumor anregt, heißt Vascular Endothelial Growth Factor (VEGF), und genau dieses wird durch ein solches Krebsgift behindert. Das hat allerdings auch Nachteile: Es hat sich gezeigt, dass Tumore mit Sauerstoffmangel eher Metastasen bilden, was die Sterblichkeitsrate der Patienten deutlich erhöht.

Denn beginnt ein Tumor zu streuen, lösen sich daraus sowohl einzelne Krebszellen als auch Cluster von mehreren Krebszellen. Diese Zusammenballungen von zirkulierenden Tumorzellen (CTC) haben verglichen mit einzelnen Exemplaren das höchste Metastasen-Potenzial: „CTC-Cluster mit wenig Sauerstoff sind aggressiver als solche mit normaler Sauerstoffsättigung“, sagt der Forscher Nicola Aceto von der Universität Basel.

Die Schweizer Forscher stellten zudem fest, dass die sauerstoffarmen Zellcluster eine spezifische genetische Struktur haben. Mithilfe von Daten aus dem Krebsgenomatlas – einem Projekt, in dem seit 2005 das Genom vieler verschiedener Tumoren erfasst wird – konnten die Forscher sogar zeigen, dass sich anhand der von ihnen identifizierten Gensignatur die Prognose von Brustkrebspatientinnen vorhersagen lässt. Patientinnen also, deren Krebszellen nicht die auf Sauerstoffmangel hindeutende Signatur hatten, überlebten zu einem wesentlich größeren Anteil als solche, deren Krebszellen die entsprechende Signatur aufwiesen.

Im Tierversuch wurde Mäusen ein zugelassenes Chemotherapeutikum verabreicht, das das Wachstum von Blutgefäßen zum Tumor hemmt. Erwartungsgemäß blieben die Tumoren dieser Mäuse kleiner. Allerdings streuten sie häufiger, was die Lebenszeit der Tiere verkürzte. Einer anderen Gruppe von Mäusen verabreichten sie stattdessen ein Mittel mit der gegenteiligen Wirkung: Es stimulierte das Wachstum von Blutgefäßen zum Tumor und sicherte so eine ausreichende Blutversorgung in allen Bereichen des Krebsgeschwürs. Die Tumoren dieser Mäuse wuchsen wesentlich schneller und wurden insgesamt auch deutlich größer. Sie streuten aber nicht. Die Tiere überlebten die Ausdehnung ihrer Tumore also deutlich länger. Das sei ein „provokantes Ergebnis“, meinte Aceto dazu: „Wenn wir dem Tumor genug Sauerstoff geben, so haben die Krebszellen keinen Grund, den Tumor zu verlassen und Metastasen zu bilden. Andererseits beschleunigt dies aber auch das Wachstum des Primärtumors.“

Und er zieht den Schluss: „Wir spekulieren, dass Therapien, die den Sauerstoffmangel im Tumor bekämpfen, allein oder in Kombination mit Chemotherapeutika, eine neue Möglichkeit darstellen könnten, die Metastasierung abzuschwächen.“

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Alexandra Regner,
PTA und Journalistin

Quelle: wissenschaft.de

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