Mann schwitzt © demaerre / iStock / Thinkstock
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Hauterkrankungen

WENN SCHWITZEN ZUR QUAL WIRD

Die Verdunstung von Wasser durch die Haut ist lebenswichtig, damit unser Körper nicht überhitzt. Übermäßiges Schwitzen, eine Hyperhidrose, ist hingegen eine Erkrankung, welche die Betroffenen oft psychisch stark belastet.

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Unser Körper hat etwa vier Millionen Schweißdrüsen. Am dichtesten damit besiedelt sind Hand- und Fußflächen, die Achselhöhlen und die Stirn, wo sich jeweils um die 30 000 Schweißdrüsen befinden. Der von ihnen produzierte Schweiß wird über die Hautporen nach außen abgegeben. Sinn des Schwitzens ist die Thermoregulation: Die verdunstende Feuchtigkeit erzeugt Kälte, die unseren Körper abkühlt, zum Beispiel, wenn er sich beim Sport erhitzt. Schweiß wird auch bei Fieber produziert, um die Körpertemperatur auf ein erträgliches Maß zu senken.

Schweißausbrüche bei Stress sind ein Relikt der Evolution, das uns in bedrohlichen Situationen hilft. Hier heißt es „Fliehen oder angreifen“ – und für beides braucht man im wahrsten Sinne des Wortes einen „kühlen Kopf“, also eine Körpertemperatur, bei der unser Körper perfekt arbeitet. Während die Schweißdrüsen vor allem auf dem Oberkörper aufgrund der großen Fläche wirklich temperatursenkend sind, dienen sie auf Hand- und Fußflächen eher dazu, die Hornschicht der Haut anzufeuchten und damit ihre Haftung zu verbessern. Der Achselschweiß ist hingegen ein Überbleibsel aus der Urzeit, als Sexualpartner sich noch hauptsächlich über den Körpergeruch zusammenfanden.

Krankhaftes Entgleisen Bei Menschen mit Hyperhidrose ist die Schweißbildung aus der Balance geraten, denn sie schwitzen auch bei kalten Temperaturen übermäßig. Dabei liegt die Definition des „zuviel“ bis zu einem gewissen Grad natürlich auch im persönlichen Empfinden des Betroffenen. Mediziner sprechen von einer Hyperhidrose, wenn die Hand- und Fußflächen 30 Milligramm (mg) und die Achselhöhlen 50 mg Schweiß pro Minute absondern.

Gemessen wird dies mit Filterpapieren, die man auf die betroffenen Stellen legt und vorher und nachher wiegt. Bei einer leichten Hyperhidrose sind Hand- und Fußflächen ständig leicht feucht und die Schweißflecken unter den Achselhöhlen etwa fünf bis zehn Zentimeter groß. Schweißflecken von bis zu 20 Zentimetern und nasse Handflächen zeigen eine mäßig starke Hyperhidrose an. Bei der schweren Form sind auch die Handoberflächen feucht: Der Schweiß rinnt regelrecht am Körper herab und kann dabei mehrere Lagen Textilien durchdringen.

Primär oder sekundär? Meist ist die Hyperhidrose Symptom einer anderen Krankheit (sekundäre Hyperhidrose), wobei die Schweißausbrüche dann in der Regel den ganzen Körper betreffen. Grunderkrankung kann beispielsweise eine Schilddrüsenfehlfunktion sein, aber auch ein Diabetes oder ein Tumor. Ist dies der Fall, bessert sich die Hyperhidrose durch die erfolgreiche Behandlung der Grunderkrankung. Liegt keine solche Krankheit vor, handelt es sich um die angeborene, primäre Form.

In diesem Fall ist die starke Schweißbildung in der Regel bereits seit dem Kindesalter vorhanden, zeigt sich symmetrisch an den gleichen Körperstellen und wird durch den Nachtschlaf unterbrochen. Ursache dieser Form der Erkrankung ist, dass die Schweißdrüsen durch eine übermäßige Aktivität des vegetativen Nervensystems zu stark angeregt werden. Die Ursachen hierfür sind noch nicht abschließend erforscht. Man geht heute von einer genetischen Disposition aus, an der ein Gen auf Chromosom 14 beteiligt ist.

Durch Schweiß stigmatisiert Für die Betroffenen ist die Krankheit psychisch sehr belastend. Mitansehen zu müssen, wie sich das Gegenüber nach einem feuchten Händedruck verstohlen die Finger abwischt? Da meidet man Sozialkontakte lieber, soweit es geht. Bunte Kleidung, womöglich noch feine Stoffe? Undenkbar, wenn sich darauf dann große Schweißflecken abzeichnen. Schweiß kann zudem übel riechen, wenn Bakterien die in ihm vorhandenen Fettsäuren zu Buttersäure zersetzen, was den typischen Schweißgeruch hervorruft. Kein Wunder, dass sich Menschen mit Hyperhidrose häufig als unhygienisch stigmatisiert fühlen, obwohl das übermäßige Schwitzen nichts mit mangelnder Sauberkeit zu tun hat. Der mit der psychischen Belastung verbundene Stress kann das Schwitzen auch noch weiter steigern, was in einen Teufelskreis mündet.

Verstopfen, veröden, entfernen Generell sollten Betroffene luftdurchlässige Kleidung tragen, die Schweiß gut absorbiert. Nikotin, Alkohol und scharfe Speisen, die die Schweißproduktion ankurbeln, sollten tabu sein; Stress kann man mit Entspannungstraining entgegenwirken. Übergewicht muss unbedingt abgebaut werden. Die eigentliche Therapie der Hyperhidrose richtet sich dann normalerweise nach einem Stufenplan. Zusätzlich kann gerade bei schweren Fällen eine psychotherapeutische Begleitung helfen, mit der Krankheit umzugehen und nicht in die soziale Isolation abzugleiten.

Stufe 1 – Lokaltherapie: Aluminiumchlorid verstopft die Schweißdrüsen und vermindert so das Schwitzen. Bei leichter Hyperhidrose können herkömmliche Antitranspiranzien mit Aluminiumchlorid ausreichen, bei schwereren Fällen können Sie Ihren Kunden Sprays oder Deo-Roller mit Aluminumchlorid-Hexahydrat anbieten. Bei ihnen liegt die Konzentration zwar über den empfohlenen 8,5 Mikrogramm pro Tag für einen Erwachsenen, doch wird dies meist noch gut vertragen. Ein Brustkrebsrisiko durch Aluminiumsalze wird immer wieder diskutiert, ist bisher aber noch nicht sicher belegt. Der Wirkstoff wird etwa einen Monat lang vor dem Schlafengehen angewendet, sodass er nicht ausgeschwemmt werden kann. Meist hält der Effekt dann einen weiteren Monat an. Manchmal verkümmern die Schweißdrüsen aber auch so stark, dass keine weitere Behandlung mehr notwendig ist. Gerbstoffe und Methenamin wirken ähnlich, können aber auch wie die Aluminiumsalze Hautirritationen auslösen. Daher sollten Sie Ihren Kunden gleichzeitig rückfettende Cremes empfehlen.

Stufe 2 – Physikalische Therapie mit Gleichstrombädern (Leitungswasseriontophorese): Hierbei werden Hände oder Füße jeweils in ein wassergefülltes Becken mit einem elektrischen Leiter gelegt, wodurch der Stromkreis geschlossen wird. Zehn Anwendungen bringen meist schon einen sehr guten Erfolg, wobei nicht klar ist, was dabei physiologisch eigentlich im Körper geschieht. Der Therapieerfolg hält in der Regel nicht an, sodass immer wieder neue Behandlungen nötig sind.

Stufe 3 – Injektion oder Mikrowellen: In die Achselhöhlen injiziertes Botulinumtoxin kann das vegetative Nervensystem lähmen, sodass die Schweißproduktion versiegt. Die Wirkung setzt nach etwa drei Tagen ein und hält ungefähr ein halbes Jahr an. Es ist auch möglich, Botulinumtoxin in Hand- und Fußflächen zu spritzen. Da das sehr schmerzhaft ist, wird man zuvor eine örtliche Betäubung durchführen. Eine neue Therapiemöglichkeit ist die Behandlung mit Mikrowellen. Sie erhitzen die tieferen Hautschichten, wodurch die Schweißdrüsen zerstört werden. Zwei Behandlungen im Abstand von drei Monaten bewirken meist einen dauerhaften Erfolg.

Stufe 4 – Schweißdrüsen chirurgisch entfernen: In schweren Fällen von Hyperhidrose können die Schweißdrüsen herausoperiert oder minimal-invasiv durch Kürettage abgetragen werden. Als letzte Option ist auch eine Durchtrennung des Sympathikusnervs möglich. Dies geht jedoch mit allen Komplikationen einer Operation einher und sollte daher immer die allerletzte Therapieoption bleiben.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 05/18 ab Seite 130.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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