Sonnenschein © la source de l‘info / stock.adobe.com
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Hauterkrankungen

WENN LICHT TÖTET

Xeroderma pigmentosum ist eine Erbkrankheit, bei der UV-Schäden in der DNA nicht repariert werden können. Die Betroffenen erkranken schon früh an Hautkrebs und sterben meist im jungen Erwachsenenalter.

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Xeroderma pigmentosum ist eine sehr seltene autosomal-rezessive Erbkrankheit, an der in Deutschland etwa 50 Menschen leiden. Sie zählt zu den sekundären Lichtdermatosen, da das Licht nicht selbst die Symptome auslöst. Vielmehr fehlen den Betroffenen bestimmte Enzyme, die normalerweise die in den Hautzellen durch UV-Licht verursachten DNA-Schäden reparieren. Hierdurch kommt es zu Genmutationen, die frühzeitig zu Hautkrebs und anderen Erkrankungen führen.

Um die UV-Strahlung zu vermeiden, können die Betroffenen fast nur nachts nach draußen, weshalb man sie auch als „Mondscheinkinder“ bezeichnet. Da sie ohne UV-Licht auch das lebenswichtige Vitamin D nicht selbst herstellen können, muss es ein Leben lang supplementiert werden.

Lange bekannt, wenig erforscht Bereits 1870 beschrieb der Wiener Hautarzt Moritz Kaposi – nach dem auch das Kaposi-Sarkom benannt wurde – seltsame Fälle von pergamentdünner Haut. Er gab der bis dahin unbekannten Störung den Namen „Xeroderma“ (Papierhaut). Einige Jahre später untersuchte er ein zehnjähriges Mädchen mit Xeroderma, das zahlreiche Karzinome aufwies. Darüber hinaus waren bei ihm Augen, Mund und Nase von Dermatosen betroffen und Kaposi entdeckte, dass die Haut des Mädchens, die bedeckt war, keinerlei Pigmentierung aufwies.

Daraufhin benannte er die Krankheit in „Xeroderma pigmentosum“ um, stellte jedoch den Zusammenhang zur Lichtstrahlung noch nicht her. Erst kurz vor Ende des 19. Jahrhunderts erkannte dann der französische Arzt Xavier Arnozan, dass die Krankheit umso schwerer verlief, je häufiger die Patienten dem Sonnenlicht ausgesetzt waren. Die genetische Ursache von Xeroderma pigmentosum, oder kurz XP, wurde erst 1969 entdeckt.

Gleichzeitig stellte man dabei zum ersten Mal den Zusammenhang zwischen DNA-Mutationen und Krebs her. Obwohl sie schon so lange bekannt ist, ist XP bis heute noch nicht hinlänglich erforscht, selbst Ärzte diagnostizieren sie häufig nicht trennscharf zu anderen Lichtdermatosen. Dabei ist eine frühe Diagnose für die Betroffenen überlebenswichtig und kann bei bestehendem Verdacht (z.B. Fälle in der Familie), sogar schon pränatal gestellt werden.

Unterschiedliche Typen Die Erkrankung wird, je nach dem Ort des Gendefekts, in sieben verschiedene Typen (A bis G) plus eine Variante (Typ V) eingeteilt. Die Typen unterscheiden sich hinsichtlich Erkrankungsschwere, Hauttumorarten und Erkrankungsalter sowie dem Auftreten von neurologischen Störungen, die bei den Typen A, B, D und G vorkommen können. Obwohl auch gutartige Tumoren auftreten, sind die meisten bösartig, wobei es sich hauptsächlich um Spinaliome, Basaliome und Melanome handelt. Jeder fünfte Patient leidet zudem unter neurologischen Einschränkungen wie Ataxien, Neuropathien oder Spastiken, die sich mit dem Alter unaufhaltsam verschlimmern, ohne dass ihre Entstehung bisher geklärt werden konnte.

Einige Betroffene weisen auch eine angeborene Intelligenzminderung auf, bei anderen tritt diese erst im Laufe des Lebens, mit der Progression der Erkrankung, auf. Bei 40 bis 80 Prozent der Patienten kommt es durch die krankhaft dünne Haut der Lider zu Augenveränderungen wie Lichtscheu und Bindehautentzündungen, was vor allem bei den Typen A, C, D und V der Fall ist. Auch Augengeschwüre kommen vor. Die lichtexponierte Mundschleimhaut kann ebenfalls entarten, so dass etwa Spinaliome an Unterlippe und Zungenspitze entstehen können. Besonders hoch ist das Risiko hierfür beim Zahnarzt, wenn er UV-Licht zum Aushärten von Füllungen einsetzt.

Geringe Lebenserwartung Meist wird die Krankheit erst erkannt, wenn schon Schädigungen vorliegen. Bei Babys fällt meist zunächst eine starke Lichtempfindlichkeit auf. Sie bekommen sehr rasch Sonnenbrand, der teilweise wochenlang anhalten und sich stark entzünden kann. Schon vor dem Kindergartenalter zeigen sich bei vielen Patienten bereits chronische Hautschädigungen wie Depigmentierungen, Schrumpfhaut (Atrophie) und vorzeitige Hautalterung. Im weiteren Verlauf kommt es zu warzenartigen Hautläsionen, Vernarbungen und schließlich zu Hautkrebsvorstufen.

Das Risiko für Hautkrebs ist 2000-fach höher als in der Normalbevölkerung, wobei sich erste maligne Tumore meist noch vor der Pubertät entwickeln. Die Krankheit ist nicht ursächlich heilbar und unbehandelt schon meist zwischen dem fünften und zehnten Lebensjahr tödlich. Die Mehrzahl der Patienten erreicht jedoch auch bei guter Vorbeugung und Therapie kein normales Lebensalter, sondern stirbt im vierten Lebensjahrzehnt an den Krebsfolgen. Nur vereinzelt sind XP-Patienten bekannt, die das sechste oder gar siebte Lebensjahrzehnt erleben.

Vorbeugung überlebenswichtig Betroffene müssen von frühester Kindheit an vor Lichteinstrahlung geschützt werden. Da UV-Licht auch durch Fensterscheiben dringt, müssen diese mit spezieller Folie verklebt werden. Draußen ist eine spezielle Schutzkleidung mit Brille und Gesichtsmaske erforderlich, und exponierte Hautstellen müssen mit Sonnenschutz eingerieben werden. Am sinnvollsten ist eine Umstellung des Tag-Nacht-Rhythmus – eine Maßnahme, die jedoch ein normales soziales Leben fast unmöglich macht.

Vor allem für Kinder, deren Leben ja darauf ausgerichtet ist, dass sie tagsüber zur Schule gehen und spielen und nachts schlafen, bedeutet dieser Rhythmus-Wechsel eine zusätzliche Ausgrenzung zu der, die sie aufgrund ihrer Krankheit ohnehin schon erfahren. In den USA wurden mittlerweile mehrere Selbsthilfegruppen gegründet, die deswegen bereits Ferienlager für „Mondscheinkinder“ anbieten. XP stellt das Leben der Betroffenen im wahrsten Sinne auf den Kopf. Sie können kein normales Leben führen, denn die Teilnahme an öffentlichem Schulbesuch, Ausbildung oder Berufsleben stellt für sie immer eine riesige Hürde dar.

Oral eingenommene Retinoide können das Auftreten der Tumoren zwar hinauszögern, dennoch müssen die Betroffenen alle drei bis sechs Monate auf maligne Hautveränderungen untersucht werden. Krebsvorstufen müssen dann mittels Kürettage, Tumore operativ entfernt werden. Die häufigen Arztbesuche, die Operationen und vor allem die Entstellungen belasten viele Patienten jedoch sehr stark. Hinzu kommt die bereits früh beginnende soziale Vereinsamung. Nicht selten entwickeln Mondscheinkinder daher Depressionen und suizidale Tendenzen. Neben der physiologischen Therapie ist eine psychologische Begleitung daher von großer Bedeutung.

Ausblick Vielversprechende Forschungen mir einer T4N5 genannten Liposomenlotion wurden zwischenzeitlich aus finanziellen Gründen wieder auf Eis gelegt. Dabei hatte die Lotion, die ein DNA-Reparaturenzym von außen zuführt, in klinischen Studien bereits gute Erfolge erzielt, indem sie die UV-Schäden in den Zellen reduzierte. Jetzt ruhen die Hoffnungen der Betroffenen auf einer Gentherapie. Hierbei werden Hautzellen entnommen, mit den fehlenden DNA-Reparturgenen versehen und wieder implantiert. Ob und wann diese Gentherapie eingesetzt werden kann, ist jedoch bisher noch völlig unklar.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 02/18 auf Seite 134.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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