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Impfschäden

WAS IST BELEGT?

Impfungen haben dazu geführt, dass gefährliche Krankheiten viel von ihrem Schrecken verloren haben und zum Teil regional oder gar weltweit ausgerottet werden konnten – mit Nebenwirkungen?

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Um eine protektive Immunantwort auszulösen, muss in das Immunsystem eingegriffen werden. Wie bei jeder wirksamen Medikation können dabei auch unerwünschte Effekte entstehen. Von den vorübergehenden und harmlosen Lokalreaktionen wie Rötung, Schmerzen oder Schwellung werden die seltenen echten Impfschäden unterschieden.

Da es um Präventionsmaßnahmen geht, muss gewährleistet sein, dass sie nicht größere Risiken mit sich bringen als die Krankheiten, vor denen sie schützen sollen. Durch eine gesetzliche Meldepflicht für alle „über das übliche Ausmaß hinausgehenden Impfreaktionen“ sollen daher Risikosignale erkannt werden, die auf unvertretbar starke Nebenwirkungen hindeuten.

Überwachungssystem und Studien Auch mit einem solchen Spontanmeldesystem, einer passiven Surveillance, die vielerlei Zufällen und Einflüssen unterliegt, kann es vorkommen, dass manche Nebenwirkungen „durch das Raster fallen“. Aussagekräftiger sind epidemiologische Studien. Beispielsweise können aktive Befragungen von Patienten mögliche, sonst übersehene Nebenwirkungen erfassen.

Deshalb wurde im Rahmen einer bundesweiten Erhebung zum Gesundheitszustand von Kindern und Jugendlichen auch zu Vorfällen im Zusammenhang mit dokumentierten Impfungen gefragt. Auswertbar waren die Daten von über 16 000 Probanden. Die Eltern von 332 Kindern berichteten über Impfunverträglichkeiten. Bezieht man die Meldungen auf die Gesamtmenge der verimpften Dosen, so ergeben sich bei den Immunisierungen gegen Masern, FSME, Pertussis und Tetanus Häufigkeiten zwischen 1,8 und 4,28 pro 1000 Impfungen. Keine der von den Eltern beschriebenen Nebenwirkung wies auf ein schwerwiegenderes Problem hin.

Das häufigste angegebene Problem war Fieber, meist nach einer MMR (Masern/Mumps/Röteln)-Impfung. Fieberkrämpfe waren bei fünf Kindern nach einer Masernimpfung aufgetreten, was einer Quote von 0,02 Prozent entspricht. Nach einer Pertussisimpfung ereignete sich diese Reaktion sogar nur in 0,00 Prozent der Fälle. Diese von Eltern gefürchtete Nebenwirkung gehört laut Paul-Ehrlich-Institut zu den bekannten Reaktionen nach Impfungen von Kindern, bei denen im Allgemeinen nicht mit weiteren Problemen gerechnet werden muss.

Von Autismus bis GBS .... Ende der 1990er-Jahre hatten britische Autoren die Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln in Zusammenhang mit dem Auftreten von Autismus gebracht; viele Eltern waren verunsichert. Ein paar Jahre später konnte Entwarnung gegeben werden: Das Institute of Medicine, eine regierungsunabhängige US-Institution, stellte durch umfassende Recherche in der vorhandenen Literatur fest, dass ein ursächlicher Zusammenhang nicht durch Fakten gestützt sei.

Impfempfehlungen
Das Robert Koch-Institut listet auf seiner Homepage www.rki.de unter dem Stichwort „Impfungen A – Z“ zahlreiche Unterlagen der Ständigen Impfkommission (STIKO) zu den empfohlenen Impfungen. Die Äußerungen der STIKO werden durch Informationen des RKI, insbesondere durch Antworten auf häufig gestellte Fragen (FAQs), ergänzt. Die Empfehlungen der STIKO werden in der Regel ein Mal jährlich im Epidemiologischen Bulletin des RKI und auf den Internetseiten des RKI veröffentlicht.

Eine andere mögliche Komplikation, die immer wieder genannt wird, ist das Guillain-Barré-Syndrom (GBS). Diese seltene Entzündung des peripheren Nervensystems verursacht Schwäche und fortschreitende Lähmungen von unterschiedlichem Ausmaß. Nach einer aktuellen Metaanalyse hat die Impfung gegen die pandemische Influenza A/H1N1 (Schweinegrippe) 2009/2010 in den USA zu einer Erhöhung der Inzidenz geführt: Man fand ein 2,35-fach erhöhtes Risiko, innerhalb von sechs Wochen nach der Impfung an GBS zu erkranken.

In absoluten Zahlen bedeutet dies, dass zusätzlich zu den normalerweise auftretenden Neuerkrankungen von 1 pro 100 000 Einwohnern im Jahr bei geimpften Menschen mit weiteren 1,6 Fällen zu rechnen wäre. Nach den Studienautoren überwiegen die Vorteile der Schutzwirkung dieses Risiko eindeutig. In einer vom Paul-Ehrlich-Institut unternommenen Untersuchung kam man zu vergleichbaren Zahlen. Die Schlussfolgerung der Experten: „Auch mit den zusätzlichen Fällen bleibt GBS ein seltenes Ereignis“.

... und weiteren neurologischen Komplikationen Neuerdings wird über eine mögliche Assoziation zwischen einer Impfung und Narkolepsie diskutiert. Diese Krankheit ist eine Form von Hypersomnie (Schlafsucht). Betroffene leiden unter Tagesschläfrigkeit, nicht kalkulierbaren Einschlafattacken und Anfällen, in denen die Muskelspannung regelrecht zusammenbricht; dadurch besteht erhöhte Sturzgefahr.

In mehreren europäischen Ländern wurde in den letzten Jahren in retrospektiven Studien ein deutlicher Anstieg von Narkolepsiefällen nach Impfung mit dem Grippeimpfstoff Pandemrix dokumentiert, der in der EU derzeit nicht mehr eingesetzt wird. Insbesondere Kinder und Jugendliche – ein Alter, in dem die Krankheit normalerweise eine absolute Rarität ist – und junge Erwachsene scheinen gefährdet zu sein. Nach finnischen Zahlen betrug das zusätzliche Risiko durch die Impfung sechs Narkolepsiefälle pro 100 000 Geimpften.

Sehr seltene lebensbedrohliche Ereignisse Auch nach der Impfung kleiner Kinder gegen die hochinfektiösen Rotavirus (RV)-Gastroenteritis kann es zu Komplikationen kommen: Studien wiesen ein signifikant erhöhtes Risiko für Invaginationen nach. Dabei handelt es sich um die Einstülpung eines Teils des Darms in den weiter unten liegenden Darmabschnitt, wodurch es zu lebensgefährlichen Störungen der Durchblutung der Darmwand kommt. Ein solches Ereignis kann bei Säuglingen und Kleinkindern infolge einer gestörten Darmmotorik entstehen.

Die Impfung, das hat sich gezeigt, kann dazu führen, dass pro 100 000 geimpften Kindern ein bis zwei Fälle mehr als normalerweise auftreten. Ein Dilemma, denn auch die Rotavirusinfektion belastet als schwere Durchfallerkrankung die Kleinen sehr; bis zu 20 000 Kinder müssen deswegen jedes Jahr im Krankenhaus behandelt werden. Und da sich die Infektion mit hygienischen Maßnahmen kaum eindämmen lässt, erwächst hieraus ein weiteres Problem: Gerade sehr kleine in der Klinik behandelte Säuglinge können im ungünstigen Fall dort angesteckt werden und haben dann manchmal besonders schwere Verläufe.

Die STIKO rät deshalb seit diesem Jahr zu einer Impfung aller Säuglinge. Da die Gefahr der beschriebenen Darmnebenwirkung durch die Impfung mit dem Alter der Kinder größer wird, empfiehlt die Kommission dringend, die Impfserie je nach verwendeter Vakzine spätestens im Alter von 12 respektive 20 Wochen zu beginnen und innerhalb eines engen Zeitfensters abzuschließen.

Außerdem müssen die Eltern über das mögliche – wenn auch sehr seltene – Vorkommen des bedrohlichen Ereignisses informiert sein, das in der Regel innerhalb der ersten Woche nach der RV-Impfung auftritt. Werden Warnsignale (u. a. Bauchschmerzen, Erbrechen, blutige Stühle oder schrilles Schreien mit Anziehen der Beine) beobachtet, muss umgehend ein Arzt aufgesucht werden.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 11/13 ab Seite 112.

Waltraud Paukstadt, Dipl. Biologin

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