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WAS BEDEUTET KLIMANEUTRALITÄT?

Manche halten sich die Ohren zu, wenn ein Zug bremst. Andere, wenn es um das Thema Klimaneutralität geht: zu kompliziert, zu abstrakt, zu negativ. Hier das Wichtigste – einfach, konkret, positiv.

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Klimaneutralität wird erreicht, wenn Menschen nachhaltig leben und arbeiten. Nachhaltigkeit kann man sich wie ein normales Kleeblatt vorstellen: Ein Blatt steht für eine vernünftige Wirtschaftlichkeit, das zweite für sinnvollen Umwelt- und Ressourcenschutz, das dritte für soziale Verantwortung. Nachhaltigkeit ist im Grunde auch ein Konzept für weltumspannende Gerechtigkeit: Danach leben Wohlhabendere ihre Bedürfnisse so aus, dass weder die heutigen Bedürfnisse Ärmerer gefährdet werden noch die zukünftiger Generationen. Zum Kleeblatt passt, dass die Idee der Nachhaltigkeit aus der Forstwirtschaft stammt.

Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz (1645-1714) aus dem Erzgebirge hatte beruflich mit Holz zu tun. Der Silberbergbau seiner Heimat war auf Holz angewiesen, unter anderem für die Holzkohle der Schmelzöfen. Doch die intensive Nutzung der Wälder hatte zu Holzmangel geführt. Von Carlowitz formulierte damals den Kerngedanken von Nachhaltigkeit: Es solle immer nur so viel Holz geschlagen werden, wie durch planmäßiges Säen und Pflanzen wieder nachwachsen könne. Klimaneutralität gehört damit zum Bereich Umwelt- und Ressourcenschutz des Gesamtkleeblatts Nachhaltigkeit.

Und jetzt zum Klima Klimaneutralität ist ein Zustand, in dem das Klima weder positiv noch negativ beeinflusst wird. Gemeint ist, dass beim Konsum eines Produkts oder einer Dienstleistung nicht mehr Treibhausgase entstehen als von der Umwelt wieder verwertet werden können. Sonst wird die Erdatmosphäre belastet. Betrachtet man die Gesamtbevölkerung, verursacht jeder von uns nur einen winzigen Anteil an Treibhausgasen. Aber die Unterschiede zwischen reichen und armen Ländern sind enorm. Und das Bundesumweltamt (UBA) rechnet vor: Handelten wir sofort, ließen sich in Deutschland Treibhausgasemissionen bis 2030 um 70 Prozent reduzieren.

Praxistipps
+ Sie haben Interesse an geringeren Energieausgaben und Klimaschutz? Auf der UBA-Homepage findet man reichlich Anregung. Und Infos, was alles schon verbessert wurde: In Kühltruhen und Kühlschränken werden heute beispielsweise zumeist Isobutan (Kältemittel) und Pentan (Schäumungsmittel) eingesetzt. Beide Stoffe haben nur ein sehr geringes Treibhauspotenzial.
+ Studie zu Nachhaltigkeit in den Heilberufen

Wie lässt sich Klimaneutralität messen? Grundsätzlich lassen sich alle Emissionen, beispielsweise von einem Unternehmen, anhand verschiedener Kennzahlen messen. Eine dieser Kennzahlen ist der CO2-Fußabdruck. CO2 ist ein natürlicher Bestandteil der Luft und ein wichtiges Treibhausgas in der Erdatmosphäre. Durch menschliche Aktivität, vor allem die Verbrennung fossiler Energieträger (wie Kohle oder Erdöl) und großflächige Entwaldung, ist sein Anteil in der Erdatmosphäre gestiegen. Es wird mehr freigesetzt als von Pflanzen wieder aufgenommen werden kann.

Die Folgen: Erderwärmung und damit verbunden Klimaveränderungen. Für eine Klimabilanz werden unter anderem Energieverbrauch, Wasserverbrauch, Abfallaufkommen und CO2-Emissionen gemessen. Die Verbrauchswerte werden dann anhand wissenschaftlicher Kriterien in sogenannte CO2-Äquivalente umgerechnet. So lässt sich beurteilen, wo man beim Verbrauch steht. Für Privatpersonen hat das UBA ein jährliches wünschenswertes Verbrauchsziel von einer Tonne CO2-Äquivalente ausgegeben. Tatsächlich liegt der Verbrauch bei elf Tonnen.

Wie erreicht man Klimaneutralität? In drei Schritten: Emissionen vermeiden – reduzieren – kompensieren. Schätzungsweise acht Prozent aller klimaschädlichen Emissionen entstehen weltweit durch den Tourismus. Wer in den Ferien auf einen Langstreckenflug verzichtet, vermeidet Emissionen. Wer in einer nachhaltig ausgericheten Ferienanlage ausspannt, reduziert Emissionen: Dort wird vielleicht ein Großteil des Stroms selbst erzeugt. In den Bädern gibt es wassersparende Duschköpfe. Gekocht wird mit vielen regionalen und saisonalen Lebensmitteln. Sie müssen nicht weit transportiert und nicht in großen Mengen auf Vorrat gelagert und gekühlt werden. In einem Hotel, das Klimaneutralität anstrebt, beteiligt man sich möglicherweise indirekt an einem Baumpflanzprojekt, womit nicht vermeidbare Emissionen kompensiert werden.

Wieso ist Klimaneutralität wichtig? Treibhausgase und andere Umweltbelastungen schädigen die Gesundheit und zerstören Ökosysteme. Sie führen zu Ernteverlusten, Produktionsausfällen, Schäden an Gebäuden und Infrastruktur, so das UBA. Darunter leiden weltweit viele Menschen. Diese Schäden lassen sich in Geldwerten ausdrücken. Das heißt auch: Umwelt- und Klimaschutz können nachweislich Geld sparen.

Was hat das mit der Apotheke zu tun? In Deutschland werden rund 2500 Wirkstoffe in der Humanmedizin eingesetzt. Die jährlich verbrauchte Medikamentenmenge beträgt mehr als 30 000 Tonnen. Viele Wirkstoffe hinterlassen Spuren in Gewässern oder Böden. Doch abgesehen davon verbraucht ihre Entwicklung, Herstellung und Verwendung Energie. Einen Teil davon in Apotheken, wohin sie geliefert und bis zum Verkauf gelagert werden müssen. Die Deutsche Apotheker- und Ärztebank hat vor kurzem Apothekeninhaber nach ihren Einschätzungen zu Nachhaltigkeit im eigenen Betrieb befragt. Das Ergebnis: Es ist noch Luft nach oben. Was Sie konkret in der Apotheke tun können, lesen Sie im nächsten Heft.

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 01/2022 ab Seite 74.

Sabine Rieser, freie Journalistin

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