Friedrich Nietzsche © Foto von 1869
© Foto von 1869

Krankheiten berühmter Persönlichkeiten

WAHNSINNIGES GENIE

Posthum gelangte er als Philosoph zu Weltruhm. Doch Zeit seines Lebens kränkelte Friedrich Nietzsche. Die letzten elf Jahre verbrachte er überwiegend in geistiger Umnachtung. Doch woran litt er tatsächlich?

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Geboren wurde wurde Friedrich Nietzsche am 15. Oktober 1844 in Röcken als Sohn des lutherischen Pfarrers Carl Ludwig Nietzsche und seiner Frau Franziska, geborene Oehler. Nach dem frühen Tod des Vaters und kurz darauf seines jüngeren Bruders Ludwig Joseph (1848 bis 1850) zog die Familie nach Naumburg, wo Nietzsche zunächst die allgemeine Knabenschule, dann eine Privatschule und schließlich das Domgymnasium besuchte.

Aufgrund seiner besonderen musischen und sprachlichen Begabung wurde Nietzsche 1858 als Stipendiat in die Landesschule Pforta aufgenommen. Im Wintersemester 1864/65 begann er mit dem Studium der klassischen Philologie und evangelischen Theologie in Bonn, brach das Theologiestudium zum Leidwesen seiner Mutter nach dem ersten Semester jedoch ab und wechselte zum Weiterstudieren nach Leipzig. 1867 war er als Einjährig-Freiwilliger bei der preußischen Artillerie in Naumburg, wurde durch einen schweren Reitunfall im März 1868 allerdings dienstunfähig.

Er beendete 1868 das Studium und wurde auf Empfehlung seines Leipziger Philologieprofessors Friedrich Ritschl (1806 bis 1876) und Betreiben des Schweizer Philologen Wilhelm Vischer-Bilfinger (1808 bis 1874) schon mit 24 Jahren und unmittelbar im Anschluss an sein Studium zum außerordentlichen Professor für klassische Philologie in Basel berufen.

Aufgabe der Professur Doch bereits mit 35 Jahren musste er seine Philologieprofessur aus gesundheitlichen Gründen wieder aufgeben. Denn Fakt ist: Fast sein gesamtes erwachsenes Leben litt Nietzsche an verschiedenen Leiden. Heftiger Rheumatismus sowie stechende Kopfschmerzen, Erbrechen und Sehstörungen bis zur Blindheit machten ihm häufig zu schaffen. Die Ärzte stellten „Migräne“ als Diagnose fest, konnten aber nicht helfen.

»Es ist wahrscheinlich, dass Nietzsches Demenz durch einen Hirntumor in der Nähe des rechten Sehnervs ausgelöst wurde.«

Längere Texte zu schreiben war ihm aufgrund seiner Kopfwehattacken und Sehstörungen häufig nicht möglich, weshalb er Aphorismen benutzte. Sie wurden zu seinem Markenzeichen – wofür Philologiestudenten heute noch dankbar sind. Denn bei Nietzsche müssen sie sich – im Unterschied zu Marx, Kant oder Hegel – nicht durch langatmige Texte quälen.

Arbeit als freier Philosoph Getrieben von seinen Krankheiten, auf der ständigen Suche nach für ihn aushaltbaren Klimabedingungen, reiste Nietzsche seit seiner Frühpensionierung viel und lebte bis 1889 als freier Autor an verschiedensten Orten. Im Sommer wohnte Nietzsche meist in einer Pension im schweizerischen Sils-Maria, im Winter hielt er sich vorwiegend in Italien (Genua, Rapallo, Turin) sowie in Nizza auf. Ab und an besuchte er seine Familie in Naumburg. In dieser Zeit machten auch größere Werke wie „Homer und die klassische Philologie“ (1869), „Menschliches, Allzumenschliches – Ein Buch für freie Geister“ (1878 bis 1880) „Also sprach Zarathustra“ (1883 bis 1891), „Jenseits von Gut und Böse“ (1886), „Der Antichrist“ (1888), – und dies ist nur ein kleiner Ausschnitt seines Schaffens –

Friedrich Nietzsche allmählich bekannter. Allerdings stieß er auch vielfach auf Unverständnis, verlor wegen seiner Eigenwilligkeit Freunde, war einsam, zeitweilig – auch angesichts immer neuer Krankheitsschübe, die ihm kontinuierliches Arbeiten erschwerten – von Suizidgedanken getrieben. Schriften und Briefe ab Herbst 1888 lassen schließlich auf einen beginnenden Größenwahn schließen.

Zusammenbruch in Turin In brieflichen Ankündigungen, die sicherlich Ausdruck der voranschreitenden geistigen Umnachtung waren, wollte Nietzsche etwa den Papst ins Gefängnis stecken, Bismarck und Kaiser Wilhelm erschießen lassen. Unterschrieben wurde diese Briefe mit „Dionysos“ beziehungsweise „Der Gekreuzigte“. Zudem bestimmten starker Appetit auf Essen und Sex (der wohl immer nur gedanklich war), Prahlereien und Selbstüberschätzung das Bild, das Nietzsche zum Besten gab.

Anfang Januar 1889 erlitt er schließlich in Turin einen endgültigen geistigen Zusammenbruch. Der deutsche Arzt Dr. Baumann stellte dort noch als vernichtende Diagnose „Hirnschwäche“ fest. Nietzsches Freund Franz Overbeck, Professor für Kirchengeschichte in Basel, holte ihn in die dortige neue psychiatrische Klinik „Kantonale Irrenanstalt Basel Stadt“. Dort wurde als Ursache für den Zusammenbruch eine progressive Paralyse vermutet. Die kurz darauf angereiste Mutter setzte gegen alle Widerstände durch, dass Nietzsche in die nächstgelegene Klinik seiner Heimatstadt Naumburg nach Jena verlegt wurde.

Als es im Oktober 1889 zu einer deutlichen Remission der Erkrankung kam, bewog dies wiederum seine Mutter, ihren Sohn im März 1890 mit nach Hause nach Naumburg zu nehmen. Dort pflegte sie ihn bis zu ihrem Tod am 20. April 1897 liebevoll. Denn mit Nietzsche ging es unaufhaltsam bergab. Seine letzten drei Lebensjahre, die er – dank seiner Schwester Elisabeth, die nicht uneigennützig die weitere Pflege übernahm – in Weimar verbringen sollte, waren geprägt vom stetigen Fortschreiten der Paralyse.

Nach mehreren Schlaganfällen war Nietzsche zudem teilweise gelähmt und konnte weder stehen noch sprechen. Nietzsches Schwester machte aus ihrem apathisch-wehrlosen, aber immer berühmter werdenden Bruder jedoch ein Schaustellungsstück für die Öffentlichkeit: Die Villa Silberblick wurde zu einem Zentrum des Weimarer Kulturlebens, auf zahlreichen Veranstaltungen mit Gästen wurde ihrem Bruder ein weißes Laken übergezogen, seine geistige Abwesenheit als Zustand mystischer Überhöhung verklärt, er quasi zum Guru einer besseren Welt erhoben. Damit nicht genug: Als überzeugte Antisemitin, ja Judenhasserin, sorgte seine Schwester zusätzlich dafür, dass die Übermenschphilosophie ihres Bruders zur Basisideologie der Faschisten uminterpretiert wurde.

Tod mit 55 Der umnachtete Nietzsche starb schließlich am 25. August 1900 an den Folgen einer Lungenentzündung und eines weiteren Schlaganfalls. Eine Autopsie fand nicht statt. Und so wurde eine große Chance vertan, tatsächlich Klarheit über seine Krankheit zu gewinnen. Psychiater, Neurologen und Mediziner, die ihn zeitlebens untersuchten, aber auch weit nach seinem Tod aufgrund vorhandener medizinischer Aufzeichnungen oder Äußerungen von Zeitgenossen Rückschlüsse zogen, gelangten nicht zu einhelligen, also vollständig gesicherten Ergebnissen.

Vielfach wird als Ursache für den Zusammenbruch eine progressive Paralyse, womöglich als Folge von Syphilis, vermutet. Diese Diagnose ist allerdings zweifelhaft und umstritten – hält sich aber dennoch hartnäckig. Genauso wahrscheinlich scheint es jedoch, dass Nietzsches Demenz durch einen Hirntumor in der Nähe des rechten Sehnervs ausgelöst wurde.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 12/14 ab Seite 104.

Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin / Journalistin

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