Ein MRT-Scan eines Gehirns in Farbe© Design Cells / iStock / Getty Images Plus
Im MRT-Scan lassen sich durch bestimmte Techniken gezielt Neuronenaktivitäten zeigen.

Voxel-Geheimnisse

WENN NEURONEN BEIM ANBLICK VON ESSEN DRAUF LOS FEUERN

Endlich ist das Geheimnis gelöst, warum uns bereits beim Anblick unseres Lieblingsessens das Wasser im Mund zusammenläuft: Unser Gehirn ist schuld. Denn es stellt dazu hochspezialisierte Nervenzellen bereit, die in Aufruhr geraten.

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Eigentlich war den Wissenschaftler*innen der Mechanismus bekannt: Bestimmte Zellen in der Sehrinde sind für die Erkennung von Gesichtern, Körpern, Orten oder Wörtern zuständig. Meenakshi Khosla und ihr Team vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) erwarteten daher eine Bestätigung dieser Tatsache, als sie ihre Probanden ins MRT schoben: Die sollten Tausende von Bildern betrachten, während ihre Gehirne durchleuchtet wurden, sodass man Verknüpfungen zur Art der Bilder herstellen konnte – also welcher Bereich des Gehirns reagierte auf welches Objekt.

Nancy Kanwisher war bei der Durchleuchtung der acht Probanden Arbeitsgruppenleiterin. Sie ist die Entdeckerin des fusiformen Gesichtsareals. Das ist eine Region im Gyrus fosiformis des Menschen, die besonders auf die Wahrnehmung menschlicher Gesichter anspricht. Und wie erwartet stieß das Team im ventralen visuellen Pfad, der sich im unteren Schläfenlappen befindet, auf alte Bekannte: nämlich Neurone, die selektiv auf den Anblick von Gesichtern oder Wörtern reagierten. Eine Überraschung gab es trotzdem: Einige der untersuchten Nervenzellen feuerten speziell bei Abbildungen von Nahrungsmitteln.

Die Voxel behielten ihr Geheimnis lange für sich

Doch wieso hatte man solche Neurone erst jetzt entdeckt? Das lag an den Voxeln. Das Wort setzt sich aus den Bestandteilen „volumetric“ und „pixeln“ zusammen – also dreidimensionalen Pixeln, genau wie solche, die wir von Fotos kennen. Nun besteht ein MRT-Bild aus vielen Voxeln, und jede dieser dreidimensionalen Einheiten enthält die Signale hunderttausender Neuronen. Einzelne Populationen lassen sich also innerhalb eines Voxels nicht unbedingt voneinander unterscheiden.

Dank einer neuen, speziellen Analysemethode konnten Khosla und ihre Kolleg*innen nun die Antworten einzelner Nervenzellverbände differenzieren. Darauf bauten dann die Folgeexperimente auf: Das Team wies nach, dass die Neurone auf Essen und nichts anderes reagierten – Farben und Formen allein interessierten sie nicht sonderlich. Die Zellen blieben merklich stummer, wenn bloß Objekte gezeigt wurden, die Nahrungsmitteln nur ähnelten. Die Wissenschaftler*innen mussten lernen, dass das Gehirn sich nicht täuschen lässt.

Der unwiderstehliche Sog des Neuronenfeuers

„Zunächst waren wir verblüfft, da Essen keine einheitliche Kategorie ist“, bemerkte Meenakshi Khosla dazu. „Dinge wie Äpfel, Mais und Nudeln sehen alle so unterschiedlich aus, und doch haben wir eine einzige Neuronenpopulation gefunden, die auf all das ähnlich reagiert.“ Und das bedeutet wohl, dass wir uns beim Anblick von Chips- oder Schoki-Werbung dem elektrischen Feuer unserer Neuronen einfach nicht entziehen können. Wieder mal ein Erbe aus der Steinzeit, das in der heutigen Zeit viel zu gut funktioniert.

Quelle: spektrum.de

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