Laden eines Elektrofahrzeugs.© Volodymyr Kalyniuk / iStock / Getty Images

Politik

VON KLIMASCHUTZ-PIONIEREN LERNEN

Das Klima geht uns alle an und das Erreichen einer Klimaneutralität ist selbstverständlich auch ein Thema für Apotheken. Hier gilt: Gute Ideen der Vorreiter zu kopieren, ist ausdrücklich erlaubt.

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Wenn es um mehr Klimaschutz geht, fallen einem meist Wirtschaftszweige ein wie die Automobilindustrie, die Landwirtschaft, der Tourismus – nicht aber der Gesundheitssektor. In Deutschland gehen jedoch rund fünf Prozent der klimaschädlichen Emissionen auf dessen Konto. Das hat das Netzwerk „Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit“ errechnet. Dass Apotheken eine wichtige Rolle bei der CO2-Reduktion einnehmen können, unterstrich im Jahr 2020 der damalige Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dr. Gerd Müller: „Sie sind Gesundheitsdienstleister und -berater mit täglichem Kontakt zu nahezu der gesamten Bevölkerung. Nachhaltig zu leben und sich zu ernähren, ist die Basis für ein gesundes und glückliches Leben. Ich möchte die deutschen Apotheken dafür gewinnen, das noch stärker zu vermitteln.“

Es gibt bereits klimaneutrale Apotheken Müller war damals Schirmherr der Initiative „Zeichen setzen! Initiative klimaneutrale Apotheken Deutschlands“ des Apothekendienstleisters Noventi. Als erste drei klimaneutrale Apotheken zeichnete er die Stern-Apotheke im bayerischen Schwebheim (Preisträgerin: Andrea Wieland), die Sibelius-Apotheke in München (Gabriela Hame-Fischer) sowie die Schurwald Apotheke im baden-württembergischen Baltmannsweiler (Jürgen Frasch) aus. Noventi engagiert sich seit längerem für mehr Nachhaltigkeit in der eigenen Firmengruppe wie in Apotheken.

Wer Teil der Apotheken-Initiative werden will, verpflichtet sich zu vier Maßnahmen: Erstens der Einführung eines Programms zur Mülltrennung, zweitens zum Umstieg auf einen Ökostrom-Anbieter und zur Stromverbrauchsenkung, drittens zur Einsparung von Plastik und Papier, viertens zum Umstieg auf Druckerzeugnisse aus recyclebarem Papier aus einer klimaneutralen Druckerei. Noventi kompensiert seit 2018 nicht nur die eigenen CO2-Emissionen, das heißt: Was sich im eigenen Unternehmen an Ausstoß nicht vermeiden oder reduzieren lässt, wird durch drei internationale Klimaschutzprojekte ausgeglichen. Auch für alle Apotheken, die sich zu mehr Klimaschutz verpflichteten, übernahm das Unternehmen 2020 und 2021 die CO₂-Kompensation. Unterstützt werden Windkraftprojekte des Impfstoffherstellers Serum Institut of India und ein Wasserkraftwerk in Brasilien.

Der Weg ist nicht anstrengungsfrei Im Netz finden sich reichlich Anregungen der Pioniere in den Apotheken. Preisträger Jürgen Frasch nutzt für Lieferungen E-Autos: „So günstig können Sie nie wieder fahren.“ Der klimabewusste Apotheker findet, dass er auf der Höhe der Zeit ist mit seiner Emissionseinsparung: „Vor 20 Jahren wäre man ein Ökospinner gewesen. Heute ist das Mainstream.“ Apotheker Hans Jacob hat bereits eine E-Ladesäule installiert und nutzt eine Fotovoltaikanlage. Seinen Stromverbrauch hat er optimiert: „Damit Strom nur dann geschaltet wird, wenn er benötigt wird, schaffen wir eine Automatisierung.“

Umwelt- und Klimaaspekte zu berücksichtigen, findet Jacob auch unternehmerisch konsequent: „Das passt perfekt in das Apothekenumfeld, und es ist auch ein gutes Thema, um mit den Kunden und Kundinnen ins Gespräch zu kommen. Und diese sehen, dass die Apotheke viel breiter aufgestellt ist als nur als Arzneimittelhandel mit Beratung.“

Apotheker Jens-Henrik Pott setzt unter anderem auf LED-Panels sowie energieeffizientere Kühlschränke. Die Umstellung auf E-Autos habe auch folgenden Effekt: „Wir müssen auch im Sommer bei maximal 25 Grad beliefern. E-Fahrzeuge kann man vor Beginn der Fahrt herunterkühlen. Davor hätte ich die Fahrzeuge vorher anschalten und den Motor laufen lassen müssen.“ Manche Kunden hätten sich gewundert, dass er mitten in der Pandemie auch noch mehr in Sachen Nachhaltigkeit tue, aber: „Der Klimawandel überdauert Corona und betrifft genauso viele Menschen.“

Was kann jede Apotheke konkret tun? Beim Verein demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten hat Mitglied und Apothekerin Esther Luhmann auf der Homepage kompakt zusammengestellt, was Apothekenteams für den Klimaschutz tun können. Dazu zählt sie auch, Produkte von nachhaltig wirtschaftenden Unternehmen ins Sortiment zu nehmen, kosmetische Artikel ohne Mikroplastik anzubieten, für Arbeitswege öffentliche Verkehrsmittel, Fahrräder oder Fahrgemeinschaften zu bevorzugen.

Ebenso aber, Kundinnen und Kunden über den bedarfsgerechten Arzneimittelverbrauch und eine angemessene Entsorgung zu informieren. Doch es gibt auch Grenzen. Preisträgerin Andrea Wieland würde gern nur noch alle zwei Tage Medikamente ausliefern, um Energie zu sparen. Sie fürchtet, dass dann aber mehr Kunden bei Internetapotheken bestellen. Im nordrhein-westfälischen Steinheim stellt Apotheker Albrecht Binder seit einer Weile eine sogenannte Gemeinwohlbilanz für seine vier Apotheken auf.

Er verfolgt, wie gut sein Unternehmen ökologisch und sozial abschneidet. Ökostrom, Fotovoltaikanlage, Job-Räder, Stromtankstelle auf dem Hof – alles da. Jährliche transparente Finanzbesprechung im Team – läuft. Aber, sagt Binder: „Ich verkaufe die Medikamente, die verschrieben werden. Wenn diese unter ökologisch fragwürdigen Bedingungen, mit einem hohen Energieaufwand und Ressourcenverbrauch hergestellt werden, kann ich leider nicht viel daran ändern.“

Diesen Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 02/2022 ab Seite 74.

Sabine Rieser, freie Journalistin

Weiterführende Links
www.noventi.de/initiativen/klimaneutrale-apotheken/
www.klimawandel-gesundheit.de/
www.vdpp.de/app/download/5814561069/VdPP+RB+108-S.26-28.pdf
https://stiftung-gemeinwohloekonomie.nrw/

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