© Die PTA in der Apotheke
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Galenik

VIER SIND BESSER ALS ZWEI

Die Einwaage von Ausgangsstoffen für die Herstellung von Rezepturarzneimitteln erfordert höchste Sorgfalt vom pharmazeutischen Personal. Insbesondere die Einwaage stark wirksamer Substanzen sollte im Vier-Augen-Prinzip erfolgen.

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Entsprechend NRF muss der Gehalt an Wirkstoffen in Rezepturarzneimitteln mindestens 90 Prozent der Deklaration entsprechen. Das NRF empfiehlt deshalb im Herstellungsprozess, Wägungen bei der Arzneimittelherstellung auf 1,0 Prozent genau vorzunehmen, wenn es technisch leicht möglich ist. Dies gilt im Besonderen bei Benutzung des TARA-Modus. Begründete Ausnahmen sind möglich. Wägefehler können sich jedoch schnell aufsummieren. Der Gehalt im Endprodukt könnte dadurch unzulässig von der Deklaration abweichen. Filtrations- und Sterilisationsvorgänge können sich zusätzlich gehaltsmindernd auswirken.

Waagenauswahl Für Wägeprozesse stehen in der Apotheke meist elektronisch betriebene Rezepturwaagen der Genauigkeitsklasse II zur Verfügung. Waagen mit der Ablesbarkeit d = 0,1 werden in der Regel für Einwaagen ab 10,0 Gramm benutzt. Waagen mit d = 0,01 können bereits für Substanzmengen ab 1,0 Gramm benutzt werden, wenn die Einwaage auf ein Prozent genau erfolgen soll. Der höchsten Genauigkeitsklasse I gehören Hand- und Analysenwaagen an. Beispielsweise können elektronische Analysenwaagen mit d = 0,0001 für Wägungen ab zehn Milligramm benutzt werden.

Waagen weisen auf dem Typenschild einen Wert für die Höchstlast („Max“) aus, der nicht überschritten werden darf. Es kann zum Abbruch der Wägung und damit des Herstellungsvorganges kommen. Ist eine Mindestlast („Min“) angegeben, steht diese Angabe für die untere Grenze des eichfähigen Wägebereiches. Bei jeder Wägung tritt trotz richtiger Bedienung ein durch die Waage selbst bedingter Wägefehler auf.

Bei geringer Belastung der Waage schwankt die Einwaage bereits um die einfache Verkehrsfehlergrenze, die dem Eichwert „e“ entspricht – bei einer Präzisionswaage mit Eichwert e = 0,1 zum Beispiel um +/– 0,1 Gramm. Die Verkehrsfehlergrenze einer Waage kann mit zunehmender Belastung der Waage ansteigen, möglicherweise bis zum Dreifachen des Eichwertes. Eine Belastung der Waage wird bereits dadurch erreicht, dass ein Ansatzgefäß auf dem Wägeteller steht.

Aufstellung und Handhabung Waagen zur Herstellung von Arzneimitteln in Apotheken dürfen nur geeicht verwendet oder bereitgehalten werden. Die Eichordnung schreibt die amtliche Eichung für selbsteinspielende Waagen alle zwei Jahre vor. Vor Benutzung muss sichergestellt sein, dass die Waage erschütterungsfrei aufgestellt ist. Verfügt sie über eine Nivellierungseinrichtung (Libelle), muss regelmäßig die korrekte Bezugslage geprüft werden. Waagen mit Kalibrierungseinrichtung sind bei Nutzung mindestens ein Mal täglich zu kalibrieren. Temperaturschwankungen, Luftbewegung, Feuchtigkeit sowie magnetische oder elektrostatische Einflüsse, müssen möglichst vermieden werden.

Typenschild-Angaben einer Waage
+ „Max“: Obergrenze des Wägebereiches/Maximallast
+ „Min“: Untergrenze des eichfähigen Wägebereiches/Mindestlast
+ „e“: eichrechtlich maximal zugelassene Messabweichung/ Eichwert
+ „d“: kleinster Ziffernschrift der Anzeige/Ablesbarkeit Die Angabe der Mindestlast „Min“ auf dem Typenschild ist eine eichtechnisch relevante Größe. Sie sagt nichts darüber aus, ob die Wägung mit der erforderlichen Genauigkeit erfolgen wird!

Waagen werden so angeordnet, dass nur geringe Wege zwischen Wäge- und Verarbeitungsort entstehen. Waagen sollen mit ausreichend Vorlaufzeit – in der Regel 30 Minuten – angeschaltet werden. Dies ist eine wichtige Maßnahme zur Vermeidung von Wägefehlern durch Driftung der Waage. Wägegefäße werden stets mittig auf dem Wägeteller platziert. Die eingewogenen Substanzen werden beim Transport zum Arbeitsplatz abgedeckt, um Verluste zu vermeiden.

Die Überführung des Wägegutes vom Wägeblatt in das Ansatzgefäß muss möglichst vollständig erfolgen. Alternativ können Flüssigkeiten mittels Normaltropfenzähler zum Ansatz gegeben werden. Zur Einwaage geringer Substanzmengen sollen bevorzugt Rezepturkonzentrate verwendet werden. Insbesondere die Einwaage stark wirksamer Substanzen sollte im Vier-Augen-Prinzip erfolgen. Die Angaben des Waagenherstellers zur Reinigung sind zu beachten. Funktionsstörungen sind sofort zu beheben.

Für die Einwaage von Teedrogen sollte aus hygienischen Gründen eine separate Waage benutzt werden. Weitere Hinweise zur Vermeidung von Wägefehlern finden sich im NRF Kapitel I.2.9.

Wägemodus Im NRF sind drei Wägetechniken beschrieben. Im TARA-Modus wird nach jeder Einwaage die Tara-Taste betätigt. Am Ende des Herstellungsvorgangs werden die Einwaagen zu einer Gesamtsumme aufaddiert. Bei modernen Waagen steht dafür auch die Speicherfunktion zur Verfügung. Beim ZUWAAGE-Modus wird nur das Ansatzgefäß tariert. Eingewogene Substanzmengen werden zum vorherigen Anzeigenwert addiert. Die Waage zeigt dann stets die Summe der Inhaltsmengen an.

Bei langandauernden Herstellungsprozessen – zum Beispiel bei Emulgier- oder Quellprozessen – ist mitunter eine Neutarierung der Waage notwendig. Das Weiterarbeiten im ersten Ansatzgefäß ist dann nur im DIFFERENZ- Modus möglich. Der Wert der Anzeige enthält dabei stets die Massen der Tara für das Ansatzgefäß und der Substanzeinwaage(n).

Einwaagekorrektur Die meisten in der Rezeptur verwendeten Ausgangsstoffe enthalten nicht 100 Prozent Substanz. Schwankungen gegenüber dem Nominalwert sind entsprechend der Arzneibuchmonografie zulässig und dem chargenbezogenen Prüfzertifikat zu entnehmen. Zu beachten sind Abweichungen bei Gehalt und/oder Trocknungsverlust der Substanz. Damit die fertige Arzneizubereitung nicht unzulässig im Gehalt gemindert ist, wird der Sollwert bei der Einwaage von Wirk- und Konservierungsstoffen korrigiert.

Entsprechend NRF (Kapitel I.2.1.1.) soll bei Substanzen ab einer Gehaltsminderung von zwei Prozent der Korrekturfaktor bereits bei der Eingangsprüfung der Substanz festgelegt und auf dem Standgefäßetikett gut sichtbar vermerkt werden. Der Faktor wird auf drei Nachkommastellen genau berechnet. Beispiele zu korrigierender Ausgangsstoffe sind: Nystatin, Erythromycin, Harnstoff, Milchsäure 90 % sowie Dexpanthenol.

Bei Einsatz von Povidon-Iod empfiehlt das NRF aus Stabilitätsgründen zusätzlich eine zehnprozentige Mehreinwaage (siehe NRF-Vorschriften 15.13/15.27/15.28). Stoffe können auch in unterschiedlichen Formen (wasserfrei/Hydratform) oder in Modifikationen vorkommen, sodass eine weitere Korrektur der Solleinwaage notwendig sein kann. Von einer Einwaagekorrektur nicht betroffen sind zum Beispiel Salicylsäure, Zinkoxid, Ammoniumbituminosulfonat und viele ätherische Öle.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 01/14 ab Seite 54.

Dr. Ulrike Fischer / Dipl.-Med.-Paed. Katrin Schüler

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