© Fernando Gregory / 123rf.com
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Kino – Schon gesehen?

VERTIGO

Aus dem Reich der Toten – der US-amerikanische Spielfilm von Alfred Hitchcock aus dem Jahr 1958 thematisiert die sogenannte Akrophobie, eine Angststörung, die beim Aufenthalt in der Höhe auftritt.

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Der Polizist John „Scottie“ Ferguson gerät bei der Verfolgung eines Kriminellen auf den Dächern von San Francisco in eine gefährliche Situation: Er rutscht ab und schafft es so gerade noch, sich an einer Regenrinne festzuhalten. Dabei muss er mit ansehen, wie sein Kollege, der ihm zu Hilfe eilt, zu Tode stürzt.

Von dem Zeitpunkt an leidet Scottie nicht nur unter seinen starken Schuldgefühlen, sondern auch an Höhenangst. Von diesem traumatischen Erlebnis geprägt, fühlt er sich nicht mehr in der Lage, seinen Beruf weiter auszuführen und zieht sich aus dem Dienst zurück. Eines Tages taucht Gavin Elster (Tom Helmore), ein ehemaliger Schulfreund von Scottie bei ihm auf und bittet ihn um seine Unterstützung. Gavins Frau Madeleine (Kim Novak) soll im Bann ihrer verstorbenen Urgroßmutter Carlotta Valdes stehen, die sich im Alter von 26 Jahren selbst tötete.

Madeleine ist nun ebenfalls in diesem Alter – sie trägt ihr Haar wie Carlotta und hat sich ein Zimmer in dem Hotel gemietet, in dem ihre Urgroßmutter sich zuletzt aufgehalten hat. Außerdem besucht sie regelmäßig ihr Grab und sieht sich häufig ein Porträt von ihr an, das in einem Museum ausgestellt ist. Alles scheint also dafür zu sprechen, dass Madeleine es ihr gleich tun wird, was Gavin um jeden Preis verhindern möchte.

Scottie nimmt den Auftrag an und folgt Madeleine auf Schritt und Tritt – zum Friedhof, zum Museum und zum Hotel. Als Madeleine sich von der Golden Gate Bridge ins Wasser stürzt, rettet Scottie sie vor dem Ertrinken und verliebt sich in sie. Als die beiden sich näher kommen, erzählt Madeleine Scottie von ihrem Traum über das Kloster San Juan Batista, das außerhalb der Stadt liegt. Die beiden fahren dorthin, weil Scottie sich erhofft, Madeleine dadurch von ihrem Fluch zu befreien.

Plötzlich stürmt sie jedoch die Treppen zum Kirchturm hinauf. Scottie versucht ihr zu folgen, doch wegen seiner Akrophobie kommt er nicht weit. Er sieht, wie seine Liebste sich hinunter stürzt, auf einem Vordach aufprallt und zu Tode kommt. Wieder einmal macht sich Scottie schwere Vorwürfe und ist verzweifelt über Madeleines Tod. Er leidet unter schweren Depressionen und verbringt einige Zeit in einer Psychiatrie, um sich selbst vor dem Suizid zu bewahren.

Melancholisch schlendert er eines Tages durch San Franzisco, als er plötzlich eine Frau entdeckt, die Madeleine zum Verwechseln ähnlich sieht, obwohl sie brünett statt blond und auch etwas fülliger ist. Es handelt sich um Judy Barton (Kim Novak), die behauptet, nie etwas von einer Madeleine Elster gehört zu haben. Scottie ist so besessen von seiner Idee, in Judy Madeleine wieder gefunden zu haben, dass er sie dazu bringt, sich so zu kleiden wie die Verstorbene und auch die Frisur anzugleichen.

ÜBERBLICK
In unserer Serie „Kino – Schon gesehen?“ stellen wir Ihnen demnächst folgende verfilmte Krankheitsthemen vor:
+ Hin und weg (ALS)
+ Reine Nervensache (Panikattacken)
+ My Girl (Bienenstich)
+ Mein Leben ohne mich (Eierstockkrebs)
+ Fleisch (Organspende)
+ Anschlag auf den Präsidenten (Ebola)
+ Grüne Tomaten (Krebs oder Wechseljahre)
+ Medicus (Pest)
+ Freundinnen (Kardiomyopathie)
+ Contagion (Viruserkrankungen wie Sars)
+ Beim Leben meiner Schwester (Leukämie)
+ The Bay (Endoparasitenplage)
 + Million Dollar Baby (Querschnittslähmung)
+ Wenn der Wind weht (Strahlenkrankheit)

Schließlich, als Judy sich ein Schmuckstück von Madeleine anlegt, kommt in Scottie ein böser Verdacht auf: Scheinbar wurde er selbst Opfer einer Täuschung. Er fährt daraufhin mit Judy zum Kloster und möchte von ihr die damaligen Ereignisse genau erfahren: Gavin wusste damals schon, dass Scottie unter Höhenangst leidet und war sich daher sicher, dass sein Schulfreund Judy, die damals die suizidale Ehefrau Madeleine spielte, nicht bis auf die Spitze des Turms folgen würde.

Judy hatte sich in diesem Intrigenspiel also als Madeleine Valdes ausgegeben. Oben wartete Gavin mit der Leiche seiner wirklichen Ehefrau, die er zuvor umgebracht hatte, und stieß sie im richtigen Moment in die Tiefe, sodass Scottie bei diesem vorgetäuschten Selbstmord ein glaubwürdiger Zeuge wurde. Gavin erkaufte sich nach der Tat bei Judy ihr Schweigen und wanderte nach Europa aus.

Schließlich überwindet Scottie seine Höhenangst und steigt mit Judy bis oben auf den Turm. Judy gesteht ihm ihre Liebe, doch Scottie empfindet nichts mehr für sie. Dennoch küssen sie sich ein letztes Mal und erschrecken sich plötzlich vor einer dunklen Gestalt – eine Missionsschwester, die ihnen gefolgt war. Judy tritt vor Schreck zurück und stürzt den Turm hinunter. Scottie ist zwar nun endlich von seiner Höhenangst befreit, seine Madeleine hat er jedoch für immer verloren.

Der große Schwindel Wenn man vom Brückengeländer oder von einem Aussichtsturm in die Tiefe schaut, und plötzlich Herzrasen, Panik, Schwindel oder Schweißausbrüche auftreten, könnte es sich um Höhenangst handeln. Die Akrophobie gehört zu den häufigsten Angststörungen und ist eine irrationale, krankhaft übersteigerte Furcht vor Höhen. Schon bei Babys wurde das „Klippenphänomen“, ein Zurückschrecken vor Abgründen, beobachtet.

Leiden Betroffene unter einer extremen Form, fällt es ihnen sogar bei geringen Distanzen, wie zum Beispiel auf einer Leiter, schwer nach unten zu blicken. Die Empfindungen führen dann oft dazu, dass Höhenängstliche die gefürchteten Situationen komplett vermeiden. Dies ist jedoch der falsche Weg, denn Höhenangst ist überwindbar. Wer sich also seiner Angst stellt, wird sehen, dass sie nach und nach weicht.

Behandlungsbedürftig ist die Erkrankung dann, wenn ein starker Leidensdruck besteht und der Alltag durch die Phobie eingeschränkt ist. Kann man sich im Büro also nur noch mit dem Rücken zum Fenster bewegen oder muss man Dienstreisen mit dem Flugzeug absagen, ist Hilfe nötig.

In diesen extremen Fällen sollte eine Verhaltenstherapie in Anspruch genommen werden, die aus einer systematischen Desensibilisierung oder einer Konfrontation besteht. Bei Letzterer muss sich der Patient seiner Angst direkt aussetzen, hingegen wird der Betroffene bei der systematischen Desensibilisierung in kleinen Schritten an seine Phobie herangeführt.

Hält man sich lange genug in der Panik verursachenden Situation auf, flacht die Angstkurve ab, sodass man den Aufenthalt auf der Terrasse eines Hochhauses nicht mehr mit einer Gefahr in Verbindung bringt. Eine weitere Behandlungsmöglichkeit ist das virtuelle Training. Personen mit Akrophobie sehen die furchterregenden Positionen über Monitore oder Datenbrillen. Die Erfahrungen aus der Simulation übertragen sich dann auf das Verhalten in der Realität. Grundsätzlich können die verschiedenen Verfahren mit Entspannungsübungen kombiniert werden.

Ein Tipp für Angehörige: Auch wenn sie die übertriebenen Reaktionen auf den Blick in die Tiefe nicht nachvollziehen können, ist es sehr wichtig, dass sie die Ängste Betroffener dennoch ernst nehmen. Denn die Panik kann sich bereits in geringen Höhen bemerkbar machen und bei den Akrophobikern Todesängste oder eine Ohnmacht auslösen.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 12/14 ab Seite 96.

Martina Görz, PTA und Fachjournalistin (FJS)

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