Ein Weißnackenkolibri mit blauem Kopfgefieder im Flug© Ondrej Prosicky / iStock / Getty Images Plus
Männchen oder Weibchen? Das ist beim Weißnackenkolibri schwer zu sagen, denn 20 Prozent der Weibchen tragen das typisch männliche Gefieder.

Verhaltensforschung

WEIBCHEN, DIE WIE MÄNNER AUSSEHEN, HABEN MEHR ERFOLG – BEI KOLIBRIS

Fast überall im Tierreich trägt das Männchen den weitaus auffälligeren Putz – alles nur, um durch Farbenpracht, Umfang, viel Federn oder Fell dem Weibchen zu gefallen. Beim Weißnackenkolibri ist das anders: Hier weisen 20 Prozent der Mädels die gleiche bunte Färbung wie die Männchen auf. Doch warum?

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Dieser interessanten Frage widmeten sich kürzlich Wissenschaftler der Cornell University in New York. Oben genannte Kolibri-Sorte weist nicht nur einen überdurchschnittlich hohen farbenprächtigen Weibchen-Anteil auf, sondern auch die Besonderheit, dass alle Jungtiere zu Beginn ein männlich buntes Gefieder haben. Normalerweise hüllt sich ein weiblicher Vogel in erdnahe Tarnfarben, besonders gut zu beobachten ist das beim Pfau. Die viel kleineren Weibchen sind kaum zu sehen, so gut sind sie an ihre Umgebung angepasst, wohingegen der Gemahl mit seinen aufgestellten meterlangen, leuchtenden Federn schon von Weitem auffällt.

Ist es vielleicht eine sexuelle Selektion, grübelten die Forscher? Doch dagegen sprach, dass unauffällig gefärbte Weibchen bei der Brut besser geschützt sind und auch von Männchen eher bevorzugt werden. Dies war auch beim Weißnackenkolibri der Fall. Warum aber dieser hohe Anteil weiblicher Vögel in Männerfarben?

Aggression gegen typische Weibchen

Die Antwort fand man im Verhaltensmuster an Futterstellen: „Die Kolibris zeigten sich gegenüber typisch gefärbten Weibchen wesentlich häufiger aggressiv als gegenüber Männchen und männlich gefärbten Weibchen“, erklärten die teilnehmenden Forscher, die die Versuchsanordnung mit ausgestopften Kolibris unternahmen. Die Weibchen, die in Sack und Asche daherkamen, wurden – man kann es nicht anders sagen – übel gemobbt. Diejenigen, die aussahen wie Kerle, nicht. Also verließen letztere wohlgenährt die Körnerbar, was ihre Überlebenschancen deutlich erhöhte.

Erfolg bei der Partnersuche

Sogar einen Partner fanden sie, was einmal wieder den Spruch „Jedes Töpfchen findet sein Deckelchen“ bestätigt. Zwar nicht mit so überwältigenden Erfolg wie die graubraunen Geschlechtsgenossinnen, aber immerhin. „Wenn das männlich wirkende Gefieder der Weibchen das Ergebnis sexueller Selektion wäre, dann hätten die Männchen stärker von Weibchen mit männlichem Gefieder angezogen werden müssen“, sagt Jay Falk, einer der beteiligten Wissenschaftler.

Verkleiden von Vorteil

Stattdessen dient das auffällige Gefieder offenbar dazu, sich vor Attacken durch Artgenossen zu schützen. denn die typisch weiblich gefiederten Vögel waren mehr als zehnmal so häufig aggressiver Belästigung an der Futterstelle ausgesetzt als die bunten Weibchen – die hatten ihre Ruhe beim Fressen. Gerade bei Kolibris, die durch ihren hohen Stoffwechsel einen im Verhältnis zu ihrer Größe gewaltigen Nahrungsbedarf haben, ist dies evolutionär von Vorteil.

Belästigt oder gefressen werden

In wissenschaftsdeutsch: „Die männliche Färbung limitiert also in diesem Fall nicht die evolutionäre Fitness der Weibchen.“ Denn die gut getarnten Weibchen wurden während des Ausbrütens des Kolibri-Nachwuchses seltener gefunden und gefressen, während die anderen auffielen und gefressen wurden – was Nach- und Vorteile der Federfarbe letztlich ausglich.

Welche genetischen Mechanismen der unterschiedlichen Färbung zugrunde liegen und ob Umwelteinflüsse eine Rolle spielen – das will man jetzt in der nächsten Forschungsstufe herausfinden.

Quelle: wissenschaft.de

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