PTA-Fortbildung 05/11

VENEN

Es beginnt mit einem Schweregefühl in den Beinen und endet im schlimmsten Fall mit einem Unterschenkelgeschwür. Um es nicht so weit kommen zu lassen, kann man schon vorher eine Menge für seine Venen tun.

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Venenleiden sind eine echte Volkskrankheit. Über 90 Prozent der deutschen Erwachsenen sind nach der Bonner Venenstudie I, einer epidemiologischen Studie mit über 3000 Probanden, in irgendeiner Form davon betroffen. Manchmal sind es nur die schweren und müden Beine, manchmal aber auch ziehende oder stechende Schmerzen, Juckreiz, Kribbeln, Brennen, Spannungsgefühle oder Hautveränderungen an den Unterschenkeln.

Jede dritte Frau und jeder fünfte Mann zwischen 18 und 79 Jahren leiden an sicht baren Krampfadern. Bei 0,1 Prozent der deutschen Bevölkerung findet man ein Unterschenkelgeschwür. Bezüglich der Arbeitsausfälle durch Venenleiden gibt es in Deutschland keine allgemeingültige Datenerfassung. Man geht jedoch davon aus, dass die Diagnose Varikose jährlich Krankheitskosten in Höhe von mehreren Milliarden Euro verursacht. Neben dem Alter gelten weibliches Geschlecht, Schwangerschaften, stehende Tätigkeiten und Übergewicht sowie eine positive Familienanamnese als Risikofaktoren für Venenerkrankungen.

Schwangerschaft und Übergewicht erhöhen den Druck im venösen System, weibliche Hormone haben einen ungünstigen Einfluss auf das Bindegewebe. Personen, bei denen ein Elternteil an Krampfadern leidet, werden mit einer Wahrscheinlichkeit von 68 Prozent ebenfalls daran erkranken. Sind beide Elternteile betroffen, steigt das Risiko auf 75 Prozent.

Venöses System Die Venen transportieren das Blut aus den Kapillarnetzen der Gewebe zurück zum Herzen. Sie unterscheiden sich in ihrer Funktion und auch im Aufbau von den Arterien, die frisches, mit Sauerstoff beladenes Blut vom Herzen in die Gewebe bringen. Das venöse System hat insgesamt eine wesentlich größere Kapazität als das arterielle, es hat eine zusätzliche Speicherfunktion. Etwa 60 bis 80 Prozent des gesamten Blutvolumens befinden sich ständig im venösen System.

EINTEILUNG DER MEDIZINISCHEN KOMPRESSIONSSTRÜMPFE
Klasse      Indikation
Klasse I    bei leichten venösen Beinveränderungen und während der Schwangerschaft
Klasse II   bei Stammvarikosen, postthrombotischem Syndrom und bestehenden
               Krampfadern während der Schwangerschaft
Klasse III  bei Lymphödemen, Thrombosen und postthrombotischem Syndrom
Klasse IV  bei schweren Lymphödemen

Beide Gefäßarten besitzen einen ähnlichen Wandaufbau. Sie bestehen aus der Tunica intima, der inneren Schicht, der Tunica media, der mittleren Schicht, die aus glatten Muskelzellen besteht, und der Adventitia, der äußeren Schicht. Die kleinen Venen, die den feinen Kapillaren entspringen, werden Venolen genannt. Sie haben noch keine voll ausgebildete Muskelschicht und ähneln auch sonst noch sehr den Kapillaren, was sie relativ durchlässig macht. Im Entzündungsfall findet hier die Auswanderung der Leukozyten aus dem Blut ins Gewebe statt. Entzündungsmediatoren, wie Histamin, lösen Zellkontakte in der Venolenwand. Dadurch entstehen Lücken, durch die Wasser, Plasmaproteine und Leukozyten austreten können. Die Venolen vereinigen sich auf ihrem Weg zum Herzen zu Venen mit immer größerem Durchmesser.

Epifasziales und tiefes Venensystem Man kann das venöse System der unteren Extremitäten in drei Bereiche unterteilen. Das epifasziale oder superfizielle Venensystem befindet sich an der Oberfläche. Es wird nach oben hin durch die Haut und nach unten durch eine Muskelfaszie begrenzt. Dies ist eine bindegewebige Schicht, die den Muskel umhüllt und seine Zugbelastbarkeit erhöht. In und zwischen den Muskeln befindet sich das tiefe Venensystem. Oberflächliches und tiefes Venensystem werden durch das perforierende venöse System miteinander verbunden. Gefäße, die Venen des gleichen Systems miteinander verbinden, nennt man kommunizierende Venen.

Von den Venolen kommend fließt das Blut durch das epifasziale System, das in mehreren Ebenen netzartig die Oberfläche der Beine durchzieht. Über die perforierenden Venen fließt es dann ins tiefe Venensystem. Ein Teil des venösen Blutes gelangt auch durch die großen Sammel- und Stammvenen in der Leiste oder in der Kniekehle in tiefere Regionen. Die Mehrzahl der Venenleiden spielt sich im epifaszialen Venensystem ab.

Venenklappen Die Flussrichtung des Blutes wird ganz wesentlich von den Venenklappen mitbestimmt. Sie befinden sich entweder an der Einmündung einer kleineren in eine größere Vene oder unabhängig davon im Lumen der Vene und arbeiten nach dem Prinzip eines Rückschlagventils. Venenklappen entstehen aus einer Falte der Tunica intima und bestehen in der Regel aus zwei halbmondförmigen Segeln. Sie können sich nur in die Richtung öffnen, in die das Blut fließen soll. Wird das Blut vom Herzen nach oben, also herzwärts gesaugt, so öffnet sich die Klappe und das Blut kann passieren. In der anschließenden Phase des Herzens, wenn das Blut entsprechend der Schwerkraft zurückfließen würde, werden die Segel vom absackenden Blut erfasst und die Klappe schließt sich. So kann sich das Blut nicht zurück stauen, sondern wird mit jedem Herzschlag Schritt für Schritt nach oben transportiert. Die Anzahl der Venenklappen nimmt nach unten im Bein zu, denn in aufrechter Körperhaltung bildet sich im Gefäßsystem ein hydrostatischer Druckgradient aus, der unten die höchsten Werte annimmt.

Muskel- und Gelenkpumpe Im Liegen reichen Herzschlag und Venenklappen aus, um eine effiziente Strömung im venösen System aufrecht zu erhalten. In stehender Körperhaltung sind jedoch zusätzliche Mechanismen nötig. Denn von den Füßen bis zum Herzen muss entgegen der Schwerkraft ein Höhenunterschied von rund 1,5 Meter zurückgelegt werden. Durch das wechselnde An- und Entspannen der Beinmuskeln beim Gehen entsteht eine Pump- und Sogwirkung, die den Blutfluss kräftig unterstützt. Kontrahiert der Muskel, so dehnt er sich aus und drückt auf die tiefen Venen, die darin eingebettet liegen. Sie werden komprimiert und das Blut wird nach oben gepresst. Durch die Venenklappen kann es nur in diese Richtung ausweichen.

In der Entspannungsphase des Muskels lässt der Druck auf die tiefen Venen nach und es entsteht ein Sog, der Blut aus den oberflächlichen Venen in die Tiefe saugt. Auch hier verhindern die Venenklappen ein Zurückfließen von oben. Am effektivsten arbeiten neben der Wadenmuskelpumpe die Oberschenkel- und die Fußsohlenmuskelpumpe. Aber auch ohne die aktive Beteiligung der Muskulatur kann schon die passive Bewegung des Sprunggelenks den venösen Blutstrom beschleunigen. Beim Wechsel zwischen Flexion und Extension des Gelenks verändern die dort befindlichen Venen ihren Querschnitt und pumpen das Blut herzwärts. Dieser als Gelenkpumpe bezeichnete Mechanismus ist zwar weniger effektiv als die Muskelpumpe, gemeinsam können sie jedoch große Mengen Blut aufwärts befördern.

Venöse Gefäßerkrankungen Mit zunehmendem Alter verändert sich die Venenstruktur. Die glatte Muskulatur der Tunica media wird teilweise durch kollagene Fasern ersetzt. Elastische Fasern werden abgebaut. Ab dem dritten Lebensjahrzehnt nimmt die Durchblutung ab, was zu einer Verlangsamung des Blutflusses und dadurch zu einer Druckerhöhung in den epifaszialen Venen und den Kapillaren führt. Dadurch tritt vermehrt Wasser aus den relativ durchlässigen Venolen ins Gewebe aus. Es können sich besonders im Knöchelbereich Ödeme bilden.

Mit der Zeit halten die Venen dem Druck nicht mehr stand. Sie geben nach und erweitern sich. Dies geschieht meist sackförmig, ist auf eine umschriebene Stelle beschränkt und geht mit einer Schlängelung oder Knäuelung der Vene einher. Solche krankhaft erweiterten Venen werden als Krampfadern oder Varizen bezeichnet. Die Bezeichnung der gesamten Krankheit, des Krampfaderleidens, ist Varikose. Das Wort Krampfader leitet sich übrigens vom mittelhochdeutschen Wort „Krampader“ ab und steht für Krummader. Mit unserer Bedeutung des Begriffes „Krampf “ hat dies also nichts zu tun.

Je nach Erscheinungsbild und Lage der Varizen unterscheidet man verschiedene Formen. Sind kleinere, in der Haut gelegene Venen betroffen, spricht man von Besenreiservarizen. Sie sind meist netzartig um eine größere Hautsammelvene angeordnet und am häufigsten an der Rückseite des Oberschenkels zu sehen. Retikuläre Varizen findet man beispielsweise an den Fußrändern oder an der Innenseite der Unterschenkel. Beiden Formen dieser kleineren Krampfadern liegt eine Schädigung der Venenwand zugrunde. Um eine Stammvarikose handelt es sich, wenn der Hauptstamm des oberflächlichen Venensystems am Bein betroffen ist. Hiermit ist in den meisten Fällen die Vena saphena magna gemeint, die vom Innenknöchel zur Leiste zieht. Seltener kann auch die Vena saphena parva betroffen sein. Sie führt vom Außenknöchel zur Kniekehle.

GEHEIMTIPP
In Ländern wie Frankreich, wo die Frauen besonders modebewusst sind, hat sich das prophylaktische
Tragen von Stütz- und auch Kompressionsstrümpfen der Klasse I im Alltag bereits durchgesetzt. Es liegt nicht nur daran, dass man sich viel wohler fühlt, wenn die Beine nach einem langen Arbeitstag fit sind. Das Bein wirkt auch viel schlanker und ist schöner geformt.

Bei der Stammvarikose kommt es durch die voranschreitende Venenwandschwäche zu einer relativen Insuffizienz der Venenklappen. Die Venenklappe als solche ist zwar noch funktionsfähig, kann aber wegen des erweiterten Venendurchmessers nicht mehr richtig schließen. Dadurch kann sie den Rückfluss des Blutes nicht mehr verhindern. Die Flussrichtung des Blutes kehrt sich quasi entgegen der physiologischen Stromrichtung um. Dies zerstört die Venenklappen irreversibel, was durch die weitere Zunahme des Drucks in den Venen im Sinne eines Teufelskreises zu erneuten Gefäßwandveränderungen führt.

 Der Funktionsverlust der Venenklappen beginnt bei der Stammvarikose oben und schreitet nach unten voran. Die Stammvarikose der Vena saphena magna beginnt in der Leiste, dort ist die erste Venenklappe lokalisiert. Im weiteren Krankheitsverlauf werden Klappen am Oberschenkel defekt, danach die Venenklappen am Unterschenkel. Zuletzt werden dann die Perforansvenen zwischen dem oberflächlichen und tiefen Venensystem schlussunfähig.

Auch hier kann sich der normale Blutfluss umkehren, sodass Blut aus dem tiefen direkt ins oberflächliche System zurückfließt. Die Ursache der primären Varikose ist eine genetisch veranlagte Venenschwäche, die degenerative Veränderungen an der Venenwand begünstigt. 70 Prozent aller Varikosen sind primär. Die sekundäre Varikose tritt als Folge einer an - deren Erkrankung auf.

Phlebothrombose und Thrombophlebitis Das Risiko für ein thromboembolisches Ereignis in den tiefen Venen steigt durch die Veränderungen an der Gefäßwand und die damit einhergehenden Störungen des konstanten Blutflusses. Wenn es zu einer venösen Stase, also zur Verlangsamung des Flusses in den Venen kommt, steigt die Gerinnbarkeit des Blutes. Aus Fibrin und Erythrozyten kann sich ein Blutgerinnsel oder Thrombus bilden, der zu einem teilweisen oder vollständigen Verschluss der Vene führt. In jedem Fall staut sich Flüssigkeit in dem betroffenen Bein, was sich durch ein Anschwellen des Beines, belastungsabhängige Schmerzen, Überhitzung und ein Spannungs- und Schweregefühl äußert.

Der venöse Druck vor dem Hindernis nimmt zu, sodass das Gewebe über Kollateralvenen, deren Transportkapazität jedoch nur gering ist, drainiert werden muss. Eine solche Phlebothrombose geht stets mit einer Entzündung einher, denn der Körper reagiert auf die lokale Gerinnungs störung mit dem Versuch, den Thrombus abzubauen.

Die Thrombose der tiefen Venen tritt sehr häufig auf. Pro Jahr sind in Deutschland im Schnitt 1,6 von tausend Menschen betroffen. Prädisponierende Risikofaktoren sind Operationen, Verletzungen oder Bettlägerigkeit bzw. Immobilisation. Bei etwa der Hälfte der von einer Thrombose Betroffenen kommt es in den Monaten nach dem Ereignis zu einer Auflösung des Thrombus und damit zu einer so genannten Rekanalisierung. Allerdings bleiben meist narbige Veränderungen an der Venenwand zurück.

Eine Thrombose hinterlässt generell fast immer einen dauerhaften Schaden am tiefen Venensystem und an den Venenklappen. Die sich daraus entwickelnde Veneninsuffizienz wird auch als postthrombotisches Syndrom bezeichnet. Sie ist durch eine chronische Schwellungsneigung des Beines mit Schmerzen, Hautverfärbungen und manchmal auch Unterschenkelgeschwüren gekennzeichnet. Ein Viertel bis die Hälfte aller Patienten mit einer Beinvenenthrombose ist davon betroffen. Durch eine Kompressionsbehandlung kann dies signifikant reduziert werden.

Die größte Gefahr ist, dass sich das Gerinnsel teilweise oder vollständig ablöst und mit dem Blutstrom zum Herzen und weiter in die Lunge wandert. Je nach Größe bleibt der Thrombus, der jetzt auch Embolus genannt wird, an irgendeiner Stelle in den auf dem Weg durch die Lunge immer kleiner werdenden Pulmonararterien stecken. Jetzt handelt es sich um eine Lungenembolie. Große Thromben blockieren Arterienhauptstämme. Sie sind akut lebensbedrohlich und eine häufige Todesursache. Kleinere Thromben gelangen tiefer in die Lunge und lösen Schmerzen, Atemnot und Husten aus. Dabei kann es auch zu einem massiven Blutdruckabfall und zu Herzrasen kommen. Die tiefe Beinvenenthrombose und die Lungenembolie werden wegen ihrer gemeinsamen Pathophysiologie zum Krankheitsbild der venösen Thromboembolie zusammengefasst.

Entzündungen und Thrombosen in den oberflächlichen Venen werden als Thrombophlebitis bezeichnet. Sie entwickeln sich am Bein auf der Grundlage einer Varikose. Am Arm kennt man diese Komplikation als Folge infizierter Verweilkanülen und nach Infusion venenreizender Arzneimittel. Die Thrombophlebitis zeigt sich durch Verhärtung der Hautvenen und durch klassische Entzündungszeichen, wie Rötung, Überwärmung und Schmerzen. Die Schwellung ist im Gegensatz zur tiefen Venenthrombose rein oberflächlich. Zu einer nennenswerten Beeinträchtigung des venösen Abflusses kommt es in aller Regel nicht. Bei einer gleichzeitigen Insuffizienz der Perforansvenen wird allerdings die Ausweitung der Thrombophlebitis zu Phlebothrombose begünstigt.

Chronisch venöse Insuffizienz Diese schwere Venenerkrankung entwickelt sich langsam und über Jahre hinweg. Grundkrankheiten, die eine chronisch-venöse Insuffizienz verursachen können, sind Varikosen, vor allem Stamm- und Perforansvarikosen, Phlebothrombosen, aber auch angeborene Venenklappendefekte. Sichtbare Krampfadern müssen als Voraussetzung nicht zwangsläufig vorhanden sein.

Häufig kommt es aber durch Varizen und den damit verbundenen erhöhten Druck im oberflächlichen und tiefen Venensystem zu einer weiteren Schädigung und Erweiterung der Gefäße. Venenklappen, die auch thrombotische Vorgänge bisher überstanden haben, werden bis zu Funktionsun fähigkeit gedehnt. Die Folgen sind chronische Abflussstörungen, die die Makro- und Mikrozirkulation ver ändern. Es entwickelt sich eine dauerhafte Hypertonie in den Venen und Kapillaren, selbst durch eine Aktivierung der Gelenk-Muskel-Pumpe kann kein adäquater Druckabfall mehr erreicht werden. Die Endothelbarriere der Venolen bricht zusammen und es entstehen ausgedehnte entzündliche Ödeme und schwere Hautveränderungen. Das Gesamtbild dieses komplexen pathophysiologischen Geschehens wird dann als chronisch venöse Insuffizienz (CVI) bezeichnet und in mehrere Stadien unterteilt.

THROMBOSEBEHANDLUNG
Wurde eine Beinvenenthrombose nachgewiesen, so muss umgehend die Antikoagulation eingeleitet werden. So kann man das Risiko einer Lungenembolie reduzieren. Üblicherweise werden dazu niedermolekulare Heparine gespritzt. Die früher übliche Verordnung von strenger Bettruhe wird heute nur noch bei der tiefen Beckenthrombose empfohlen. Das Risiko einer Embolie steigt durch eine frühe Mobilisation nicht. Wichtig ist auch hier die Kompressionsbehandlung, um der Ödembildung und der Entstehung eines postthrombotischen Syndroms entgegen zu wirken.

Zu Beginn, in Stadium 1, bilden sich Knöchelödeme und man erkennt erweiterte Venen und Besenreiser oberhalb des Fußgewölbes und in der Knöchelregion. Die Haut kann nicht mehr drainiert werden. Durch kleine Einblutungen in die Haut entstehen im Stadium 2 Pigmentveränderungen. Dies äußert sich zunächst durch kleine, später durch größere dunkle Flecken in der Knöchelregion. Ansonsten ist die Haut glänzend und gespannt. Sie lässt sich nicht in Falten abheben. Manchmal entstehen auch Unterschenkelekzeme. Sie werden durch die venösen Zirkulationsstörungen verursacht. Später kommen Hautirritationen durch Sekrete aus Unterschenkegeschwüren und häufig eine Kontaktsensibilisierung dazu, manchmal auch eine mikrobielle Besiedelung. Die Haut verhärtet sich, man spricht von Dermatosklerose und Atrophie blanche. Letzteres sind weißliche, narbenähnlich Areale. Sie zeigen die verstärkte Kollagensynthese an und gelten als Vorboten für die bevorstehende Geschwürbildung, das dritte Stadium der chronisch venösen Insuffizienz.

Ulcus cruris venosum Die schwerste Form des Venenleidens, das Unterschenkelgeschwür, ist stets von pathologisch veränderter und ekzematöser Haut umgeben. Am häufigsten tritt es oberhalb des Knöchels an der Innenseite des Beines auf. Durch den gestauten Lymphabfluss entstehen Lymphödeme. Die Ulcera heilen nur langsam und manchmal auch gar nicht ab. Die Abheilraten liegen zwischen 66 und 90 Prozent nach dreimonatiger Behandlung. Die Rezidivrate ist mit 30 bis 57 Prozent innerhalb des ersten Jahres ebenfalls hoch. Zeigt ein Ulcus auch bei optimaler phlebolo gischer Therapie innerhalb von drei Monaten keine Heilungstendenz bzw. ist es nicht innerhalb von 12 Monaten abgeheilt, dann gilt es als therapieresistent. Ulcus-crurisvenosum-Patienten sind zu einem hohen Prozentsatz, nämlich bis zu 80 Prozent, gegen Bestandteile von lokal verwendeten Salben sensibilisiert, dies kann auch Kortikosteroide betreffen.

Druck von außen Die Behandlung von Venenleiden richtet sich nach dem Ausmaß der Beschwerden und dem Zustand der Venen. Häufig werden verschiedene Therapieansätze kombiniert. Keine Behandlung kann Varizen dauerhaft beseitigen. Selbst mit dem Veröden oder Entfernen erkrankter Gefäße allein ist es niemals getan. Ihre Kunden müssen verstehen, dass die Varikose oder die chronisch venöse Insuffizienz ein Leben lang ihr Begleiter sein wird und dass die Therapie entsprechend ein lebenslanges Projekt darstellt.

Bei allen Formen der Venenleiden kommen konservative Maßnahmen zum Einsatz. Hierzu zählen als wichtigste die Kompressionstherapie, die auch nach venenchirurgischen Eingriffen unverzichtbar ist, physikalische Entstauungsmaßnahmen, wie die Lymphdrainage, Gefäßsport und venenaktive Medikamente. Die Kompressionstherapie gilt als Basistherapie, durch die die venöse Hämodynamik im erkrankten Bein verbessert wird. Es gibt nur wenige Kontraindikationen. Hierzu zählen die schwere Herzinsuffizienz oder die arterielle Verschlusskrankheit. Durch medizinische Kompressionsstrümpfe oder Kompressionsverbände wird von außen ein Gegendruck auf die Venen ausgeübt. Dadurch verengt sich der Durchmesser der Venen und die Fließgeschwindigkeit des Blutes steigt.

Auch Venenklappen, die noch intakt sind, aber durch die Dehnung des Gefäßes nicht mehr richtig schließen konnten, nehmen ihre Arbeit wieder auf. So vermindert sich das Blutvolumen in den oberflächlichen Venen und der epifasziale Reflux wird aufgehoben. Ödeme bessern sich, weil der Druckgradient in Richtung Rückresorption verschoben wird. Bei gleichzeitiger Bewegung wird die Wirkung der Muskelpumpe durch die Kompression verstärkt, denn der Kompressionsstrumpf oder -verband stellt einen Widerstand zum sich bei der Bewegung ausdehnenden Muskel dar, der den Druck nach innen und damit auf die tiefen Venen verstärkt. Bei jedem Schritt wird mehr Blut aus den tiefen Venen nach oben transportiert, sodass mehr Blut aus der Peripherie angesaugt werden kann.

Schluss mit dem hässlichen Gummistrumpf-Image Für die Langzeit- und Dauertherapie stehen medizinische Kompressionsstrümpfe zur Verfügung. Sie wirken der Verschlechterung des Venenleidens entgegen und beugen Rückfällen vor. Kompressionsstrümpfe üben einen konzentrischen Druck auf das Bein aus. Der höchste Druck liegt in der Fesselgegend, nach oben nimmt er kontinuierlich ab. Unterhalb des Knies darf er nur noch 70 Prozent, am Oberschenkel nur noch 40 Prozent betragen. Nur so funktioniert das Prinzip, dass das Blut von unten nach oben geleitet wird.

Voraussetzung ist natürlich, dass der Strumpf optimal passt. Das bedeutet, er muss exakt angemessen werden und bei Bedarf nach Maß individuell für den Kunden angefertigt werden. Kompressionsstrümpfe gibt es in unterschiedlichen Längen, als Kniestrumpf, Halbschenkelstrumpf, Oberschenkelstrumpf und als Strumpfhose. Ganz allgemein gilt: So lang wie nötig, so kurz wie möglich. Je nach Schweregrad des Venenleidens ist für die Kompressionstherapie ein unterschiedlich starker Druck erforderlich, um die Venenfunktion wiederherzustellen. Die Strümpfe werden daher in vier verschiedene Kompressionsklassen hergestellt.

In den letzten Jahren ist es der Industrie gelungen, immer feinere und transparentere Strümpfe herzustellen. Kompressionsstrümpfe haben sich von einem rein funktionellen Medizinprodukt zu einem modischen Kleidungsstück weiterentwickelt. Heute ist auch die Kompressionsklasse I kaum noch von einem normalen Feinstrumpf zu unterscheiden. Das ist aber bei vielen Kunden noch nicht angekommen. Zeigen Sie vor allem den betroffenen Damen, aber natürlich auch den Herren, die von den Herstellern zur Verfügung gestellten Muster und weisen Sie sie daraufhin, dass ein Kompressionsstrumpf nur wirken kann, wenn man ihn trägt!

Stützstrümpfe üben weniger Druck auf die Venen aus als Kompressionsstrümpfe. Es gibt sie in verschiedenen Stärken, die bis an die Kompressionsklasse I heranreichen. Im Gegensatz zu Kompressionsstrümpfen, bei denen der Druck in mm Hg angegeben wird, wird hier wie bei Feinstrumpfhosen in „den“ gemessen. Die kräftigsten mit 240 den entsprechen der Kompressionsklasse I. Stützstrümpfe dienen zur Vorbeugung schwerer und müder Beine durch langes Stehen und verbessern damit das allgemeine Wohlbefinden vor allem venengesunder Menschen. Als Prophylaxemaßnahme werden diese Produkte nicht von den Krankenkassen bezahlt und können bei einer bestehenden Venenerkrankung einen Kompressionsstrumpf auch nicht ersetzen.

Bei den Kompressionsverbänden unterscheidet man Langzug-, Mittelzug- und Kurzzugbinden sowie halbstarre Verbände. Der ideale Kompressionsverband soll einen niedrigen Ruhedruck und einen hohen Arbeitsdruck aufweisen. Das ist nur mit Kurzzugbinden oder halbstarren Zinkleimverbänden zu erreichen. Sie werden zur Vor- und Nachbehandlung in der Venenchirurgie eingesetzt.

Medizinische Thromboseprophylaxestrümpfe, wie man sie aus der Klinik kennt, werden zur Risikominimierung der Phlebothrombose bei bettlägerigen und frisch operierten Patienten eingesetzt. Für aufrecht gehende und sitzende Patienten sind sie, wegen des niedrigen Drucks, der unter der von Kompressionsklasse I liegt, und auch wegen ihrer Strickweise, nicht geeignet.

Venen abdichten Zum Schutz vor Ödemen und zur Linderung der subjektiven Beschwerden werden neben der Kompressionstherapie verschiedene, vor allem pflanzliche Arzneimittel eingesetzt. In erster Linie enthalten sie flavonoidhaltige Extrakte aus rotem Weinlaub, Rosskastaniensamen, Mäusedornwurzelstock und Buchweizenkraut. Auch aus diesen Pflanzen isolierte Stoffe oder Stoffgemische, wie die Flavonoide Aescin, Troxerutin und Rutosid werden verwendet.

Besonders gut untersucht ist der Extrakt aus dem roten Weinlaub. Für die Wirksamkeit bei Venenerkrankungen von Bedeutung sind die Inhaltsstoffe Kämpferol, Isoquercitrin und Quercetin, die in der Pflanze als Glykoside vorliegen. Sie werden aus dem Magen-Darm-Trakt gut resorbiert und greifen in den Entzündungsprozess und die Ödembildung der erkrankten Venen ein. In einer In-vitro-Studie konnte gezeigt werden, dass sich die venöse Endothelschicht, deren Barrierefunktion durch den Angriff von aktivierten Leukozyten und Thrombozyten zusammengebrochen war, unter dem Einfluss der im roten Weinlaub enthaltenen Flavonoide regenerierte. Wurde der rote Weinlaubextrakt vor dem Angriff der aktivierten Blutkörperchen appliziert, so schützte er die Endothelschicht. Auch in vivo ließen sich diese Effekte bestätigen. Auf biochemischer Ebene konnte eine Interaktion der Flavonoide mit entzündungsfördernden Mediatoren nachgewiesen werden.

VENENLEIDEN VORBEUGEN
Die Varikose und auch die chronisch venöse Insuffizienz sind nicht heilbar und nur schwer zu behandeln. Bis zu einem gewissen Grad gehören sie zum natürlichen Alterungsprozess. Erbliche Veranlagung, hormonelle Einflüsse oder andere Risikofaktoren können den Prozess jedoch erheblich beschleunigen. Soweit sollte man es möglichst nicht kommen lassen. Mit Venenmessungen in der Apotheke oder beim Phlebologen kann die Funktionstüchtigkeit der Venen bestimmt werden, noch bevor erste Symptome auftreten. Dann ist es höchste Zeit, Risiken, wie Übergewicht oder Bewegungsmangel, auszuschalten und aktiv etwas für die Venen zu tun. Hierzu sind Sport sowie Stützstrümpfe und Venentherapeutika geeignet.

Das Wirkprinzip des roten Weinlaubs kann am besten mit der Abdichtung des Venenendothels beschrieben werden. Vor allem die systemische Behandlung mit rotem Weinlaub, aber auch anderen flavonoidhaltigen Pflanzenextrakten oder isolierten Inhaltsstoffen sind eine sinnvolle und gut verträglich adjuvante Maßnahme bei Varikosis und chronisch venöser Insuffizienz, die Sie zusätzlich zur Kompressionstherapie oder wenn diese kontraindiziert ist, empfehlen können.

Venensalben oder -gele enthalten meist Heparin in unterschiedlichen Konzentrationen oder ebenfalls flavonoidhaltige Pflanzenextrakte. Inwieweit sie die Haut durchdringen und an den Zielort gelangen können, ist umstritten. Sie sind aber dennoch beliebt, vermutlich weil das Cremen und Massieren der Beine ein angenehmes Gefühl vermittelt.

Risiko auf Reisen Langes bewegungsloses Sitzen ist eine Herausforderung für die Venen. Die Beine werden schwer und können anschwellen. Wer noch dazu wenig trinkt, der begünstigt zusätzlich die Blutgerinnung. Es kann zu einer Reisethrombose kommen. Anfänglich sprach man auch vom economy class syndrome. Der Begriff berücksichtigt jedoch nicht, dass dies auch auf längeren Auto- oder Busreisen geschehen kann. Untersucht wurde die Häufigkeit von Reisethrombosen allerdings hauptsächlich bei Flugreisen.

Für bodengebundene Transportmittel gibt es nur wenige Daten. In einer retrospektiven Analyse von Lungenembolien bei der Ankunft auf dem Pariser Flughafen Charles de Gaulles wurde ein Zusammenhang zwischen der geflogenen Distanz bzw. der Flugzeit und der Anzahl der Embolien festgestellt. Unter 2500 Kilometer Flugstrecke gab es praktisch keine Zwischenfälle. Flüge unter sechs Stunden sind daher wahrscheinlich ohne Relevanz. Bei Distanzen über 10 000 Kilometer erlitten 4,77 Menschen von einer Million eine Lungenembolie. Fast alle Studien zeigen, dass vor allem Patienten mit vorbestehenden Risikofaktoren gefährdet sind, eine Thrombose zu erleiden.

Vorbeugend können während der Reise Stütz- oder Kompressionsstrümpfe getragen werden und Bewegungsübungen, wie das Wippen mit den Füßen, eingebaut werden. Auch auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr muss geachtet werden. Bei alkoholischen Getränken sollte man jedoch zurückhaltend sein, denn sie erweitern die Gefäße zusätzlich. Auch der Gebrauch von Sedativa und Hypnotika ist problematisch, denn er verleitet erst recht zum bewegungslosen Sitzen. Bei Risikofällen kann der Arzt Heparin verordnen, das der Patient dann kurz vor der Reise selber subkutan spritzen kann. Für den Einsatz von Acetylsalicylsäure gibt es keine gesicherte wissenschaftliche Grundlage.

Unterstützende Tipps für Ihre Kunden

  • Beine hochlegen, d. h. mehrmals täglich die Beine über Herzhöhe lagern.
  • Mehr bewegen, vor allem laufen, um die Muskelpumpe zu aktivieren.
  • Bei sitzenden und stehenden Tätigkeiten bewusst Pausen einbauen und die Beine bewegen.
  • Erhöhtes Gewicht reduzieren.
  • Schweres Heben vermeiden.
  • Rauchen einstellen.
  • Alkohol nur in Maßen konsumieren.
  • Hitze (ausgedehnte Sonnenbäder und Saunabesuche) meiden, denn das erweitert die Venen zusätzlich.
  • Ausreichend Flüssigkeit zu sich nehmen.
  • Keine High heels tragen, denn die Muskulatur ist dauernd angespannt und drückt permanent auf die tiefen Venen.

Den vollständigen Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 05/11 ab Seite 30.

Sabine Bender, Apothekerin, Redaktion

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