Bakterien © Alex / stock.adobe.com
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Bakterien

UNSICHTBARE MITBEWOHNER

Bakterien sind überall. Auch in unserem Darm. Sie sind nicht nur an der Verdauung beteiligt, sondern stärken über vielfältige Mechanismen die Darmbarriere und fördern damit unsere Gesundheit.

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Bakterien zahlen zu den Mikroorganismen, die man mit dem blosen Auge nicht sehen kann. Erst eine mikroskopische Vergroserung lasst die Kleinstlebewesen sichtbar werden. Der niederlandische Wissenschaftler Antoni van Leeuwenhoek entwickelte im 17. Jahrhundert das erste Mikroskop, mit dem er die Mikroben, die lediglich eine Grose von etwa 0,2 bis 10 Mikrometern (μm) haben, im Eiter und in Zahnbelagen naher anschaute. Er unterteilte sie bereits nach ihrer Form in Bazillen (stabchenformig), Kokken (kugelformig) und Spirillen (spiralformig).

Noch heute werden Bakterien grob nach ihrem Erscheinungsbild typisiert, wobei auch noch fadenformige Bakterien (Aktinomyzeten) unterschieden werden. Die Morphologie findet sich auch teilweise im Gattungsnamen der Bakterien wieder (z. B. Streptococcus, Lactobacillus). Bei anderen Bakterien ist der Gattungsbegriff auf einen Eigennamen zuruckzufuhren. So kommt beispielsweise die Bezeichnung Salmonellen von Salomon, dem Namen des Bakteriologen, der die Erreger der Schweinecholera entdeckte. Bei der Nomenklatur kann auch die Anordnung der Bakterien zueinander eine Rolle spielen.

Beispielsweise konnen Kokken in Ketten (Streptokokken), in Haufen (Staphylokokken) und vielen Lagerungsformen mehr vorliegen, was sich in ihrem Namen wiederfindet. Neben der Morphologie spielt auch die Sauerstoffempfindlichkeit der Bakterien eine wichtige Rolle fur die Klassifizierung. Danach werden sie in obligat aerobe, fakultativ anaerobe, mikroaerophile sowie obligat anaerobe Bakterien eingeteilt. Wahrend die erste Gruppe zum Leben unbedingt Sauerstoff braucht, kann die zweite Gruppe auch gut ohne Sauerstoff auskommen. Mikroaerophile Bakterien gedeihen am besten bei geringem Sauerstoffgehalt und obligat anaerobe sterben, wenn sie mit Sauerstoff in Kontakt kommen.

Die Darm-Mikrobiota ist eine Bakterienschicht, die der Schleimschicht der Darmschleimhaut aufliegt und Bestandteil der Darmbarriere ist.


Einzeller ohne Zellkern
Im Mikroskop kann man gut den Aufbau der Bakterien erkennen. Bakterien sind einzellige, prokaryotische Mikroorganismen. Sie weisen also keinen echten Zellkern auf, was mit der Bezeichnung Prokaryot (griech. pro = vor, caryon = Kern) zum Ausdruck gebracht wird. Menschen, Tiere oder Pilze besitzen hingegen einen durch eine Doppelmembran vom umgebenen Zytoplasma abgegrenzten Zellkern. Sie werden daher Eukaryoten (griech. eu = gut, caryon = Kern) genannt. In dem Zellkern befindet sich beim Eukaryoten die Erbsubstanz (DNA), die sich in mehrere Chromosomen gliedert, deren Anzahl für die jeweiligen Arten typisch ist (z. B. 23 Chromosomenpaare beim Menschen).

Prokaryoten sind viel einfacher als Eukaryoten strukturiert. Die Zellen der Bakterien sind deutlich kleiner und die Erbsubstanz ist in einem einzigen Chromosom konzentriert, das frei im Zytoplasma schwimmt. Man spricht von einem Kernäquivalent (Nukleoid oder Bakterienchromosom), das aus einem einzigen zirkulären Doppelstrang aus DNA besteht, das stark gewunden und verknäuelt vorliegt. Daneben enthalten viele Bakterien ringförmige extrachromosomale DNA-Stücke (Plasmide), die sich unabhängig vervielfältigen. Im Zytoplasma liegen zudem die Ribosomen vor, die die Proteinsynthese katalysieren (70-S-Ribosomen).

DREI ENTEROTYPEN

Es konnte gezeigt werden, dass sich die Menschheit grob in drei Enterotypen einteilen lässt. Abhängig von der Bakteriengattung, die den menschlichen Darm dominiert, wird in Bacteroides (Enterotyp-1), Prevotella (Enterotyp-2) oder Ruminococcus (Enterotyp-3) unterschieden. Dabei scheint es einen Zusammenhang zwischen den Ernährungsgewohnheiten und den vorwiegend im Darm gedeihenden Bakterienarten zu geben. Personen mit einem hohen Konsum an Proteinen und gesättigten Fetten in der Ernährung (hoher Fleischkonsum) hatten tendenziell mehr Bacteroides in ihrer Darmflora. Ruminococcus wurde vor allem bei Personen gefunden, die einen hohen Alkoholkonsum und hohen Anteil an mehrfach ungesättigten Fetten in der Ernährung haben, wohingegen Prevotella verstärkt bei einer kohlenhydratreichen Ernährung im Darm vorkamen. Ob der ein oder andere Mikroflora-Typ für den Menschen gesünder ist, ist noch unklar. Diskutiert wird beispielsweise, ob Enterotyp-1-Menschen eine Neigung für Adipositas aufweisen, da die Bakterien besonders gut Polysaccharide verwerten. Der Enterotyp-2 wird mit der Entstehung eines Reizdarms in Verbindung gebracht, da die Bakterien den Mucus im Darm abbauen können.

Äußere Hülle Das Zytoplasma eines Bakteriums ist von einer semipermeablen (inneren) Zellmembran (Plasmamembran) umgeben, die sich hauptsächlich aus Proteinen und Lipoiden zusammensetzt und als Schutz und Stoffaustauscher dient. Einstülpungen der Plasmamembran in das Zytoplasma werden als Mesosom bezeichnet. In diesen Bereich findet die Zellatmung statt. Das Mesosom ähnelt somit den Mitochondrien der Eukaryoten, in denen die Atmungskette eingebaut ist. Mitochondrien selber fehlen den Prokaryoten, ebenso sind weder ein Endoplasmatisches Retikulum (ER) noch der Golgi- Apparat vorhanden.

In der Plasmamembran sind zudem dünne Proteinfäden verankert, die Geißeln, die nach außen reichen und der aktiven Fortbewegung der Bakterien dienen. Außerhalb der Plasmamembran liegt durch einen periplasmatischen Raum getrennt die relativ starre Zellwand. Sie bestimmt nicht nur die Form der Bakterienzelle, sie schützt zudem gegen äußere Einflüsse und hält den inneren Druck. Je nach Dicke und Dichte der Bakterienzellwand lassen sich die Bakterien unterschiedlich einfärben (GRAM-Färbung). Dieses Färbeverhalten hat der Däne Christian Gram Ende des 19. Jahrhunderts entdeckt.

Es erlaubt eine Differenzierung in grampositive und gramnegative Bakterien und ist eines der zentralen Kriterien der Klassifizierung von Bakterien. Der Farbstoff lässt sich aus grampositiven Bakterien im Gegensatz zu den gramnegativen nicht mehr auswaschen. Dünne Zellwände (gramnegative Bakterien) besitzen ein bis zwei Lagen eines Stützskeletts, das aus einer netzartigen Struktur von unverzweigten und geraden Polysaccharidketten (Glykan) besteht, die über Aminosäureketten miteinander verbunden sind (Peptidoglykan) und als Murein bezeichnet werden.

Grampositive Bakterien haben viel dickere Wände. Sie sind aus bis zu 40 Lagen Murein zusammengesetzt. Die Mureinlagen werden bei dünnen Wänden durch kurze Peptidbrücken zusammengehalten. Bei dickeren Wänden wird die Verknüpfung zusätzlich durch längere Pentaglycinbrücken hergestellt. Dabei spielt die Glycopeptid-Transpeptidase eine Rolle, ein Enzym, das die Quervernetzung der Peptidoglykanketten der Bakterienzellwand katalysiert.

Pathogene Mechanismen Verschiedene Bestandteile der Zellwand haben für die Krankheitsentstehung eine wichtige Funktion. So kommen in der Zellwand verschiedene Strukturen vor, die antigen wirksam sind, das heißt die Bildung von Antigenen auslösen. Die Zellwand ist auch Angriffspunkt verschiedener Antibiotika. Beispielsweise greifen Beta-Lactam- Antibiotika (z. B. Penicilline, Cephalosporine) die Glycopeptid-Transpeptidase an und hemmen damit die innere Quervernetzung der Mureinschicht und damit den Neuaufbau der Zellwände.

Andere Bakterien sind aufgrund einer fehlenden Zellwand weniger krankmachend. Sie werden als Listerformen bezeichnet, sind dafür aber resistent gegen zellwandwirksame Beta-Lactam- Antibiotika. Einen wichtigen Schutz gegen Abwehrmechanismen des Wirtes verleiht eine Kapsel aus Polysacchariden, die die Bakterien umhüllt und mit der sie sich vor der Phagozytose schützen. Zudem existieren Bakterien, die Dauerformen (Sporen) ausbilden, die sehr widerstandsfähig sind.

BEDEUTSAME DARMBEWOHNER (AUSWAHL)

Bifidobakterien gehören zu den wichtigsten Bestandteilen der Darm-Mikrobiota. Sie sind die bedeutsamste Gattung innerhalb der Actinobacteria. Es sind grampositive, anaerobe Stäbchenbakterien, die den pH-Wert im Dickdarm senken, indem sie Kohlenhydrate verwerten und zu Essigsäure und Milchsäure fermentieren. Unerwünschte Darmbakterien und Krankheitserreger wie etwa Salmonellen, Fäulnisbakterien oder Kolibakterien mögen ein solch saures Milieu im Dickdarm nicht und können sich daher kaum ansiedeln beziehungsweise nicht übermäßig vermehren. Bifidobakterien werden bereits mit der Muttermilch an den Säugling übertragen. Daher weisen gestillte Babys im Vergleich zu nicht-gestillten einen erheblich höheren Anteil dieser Mikroorganismen im Darm auf. Während die Mikrobiota eines Säuglings bis zu 95 Prozent aus Bifidobakterien besteht, sinkt ihr Anteil bei Erwachsenen je nach Ernährung auf etwa 25 bis 5 Prozent. Auch nach wiederholter Antibiotikatherapie oder bei Patienten mit Reizdarmsyndrom, entzündlichen Darmerkrankungen oder Übergewicht sind die Bifidobakterienzahlen verringert.
 Auch Lactobazillen gehören von Kindesbeinen an zu unseren nützlichen Darmbewohnern. Sie werden bei der Passage durch den mütterlichen Geburtskanal auf den Säugling übertragen. Es sind grampositive, meist stäbchenförmige Bakterien aus der Familie der Lactobacillaceae. Sie gehören zusammen mit anderen Bakteriengattungen zu den Milchsäurebakterien, die Glukose und andere Kohlenhydrate zu Milchsäure vergären. Damit sind sie wie die Bifidobakterien Milchsäurebildner und senken den pH-Wert im Darm so stark, dass sich schädliche Bakterien nicht mehr vermehren können. Zu den Lactobazillen, die natürlicherweise im Darm vorkommen, zählen Lactobacillus casei. Lactobazillen sind aber nicht alle apathogen. Zu der Gattung gehören auch krankheitserregende Vertreter wie Streptococcus pyoens, der Mandelentzündungen auslöst.

Physiologische Mikrobiota Bakterien sind aber nicht nur pathogen. Es gibt eine Vielzahl nützlicher Bakterien, die sich in und auf unserem Organismus befinden und wichtige Aufgaben erfüllen. Am besten untersucht ist die bakterielle Besiedlung im Darm. Allein im menschlichen Darm leben mehr als 1014 Bakterien: Das sind 100 Billionen Lebewesen, zehnmal mehr Zellen als es im menschlichen Körper gibt. Sie bringen ein Gewicht von circa einem Kilogramm auf die Waage. Früher wurden die Darmbewohner als Darmflora bezeichnet.

Da Bakterien aber nicht dem Pflanzenreich zuzuordnen sind, spricht man heute korrekterweise von der Mikrobiota. Dazu zählen nicht nur Bakterien, sondern auch andere Mikroben wie Viren, Pilze, Protozoen und Archaeen. Im Dünndarm dominieren aerobe Bakterien wie Laktobazillen, im Dickdarm tummeln sich vor allem Anaerobier wie die Bifidobakterien. Die Gene aller Mikroorganismen bilden das Mikrobiom, das ungefähr 3,3 Millionen Gene umfasst, also 150-mal mehr Gene als der Mensch besitzt. Die Begriffe Mikrobiom und Mikrobiota werden häufig synonym verwendet.

Mikrobieller Fingerabdruck In einer gesunden Mikrobiota liegt eine Balance zwischen den verschiedenen Bewohnern vor. Die meisten Keime sind apathogen, es existieren aber auch fakultativ krankmachende Kleinstlebewesen (z. B. Clostridum difficile, Candida albicans), die aber von den „guten“ Keimen in Schach gehalten werden. Die Mikroorganismen besiedeln nicht nur die Schleimhäute des Darms, sie finden sich auch in der Mundhöhle, in der Vagina, in der Nase und auf der Haut. Zu den fünf häufigsten Bakteriengruppen, die in unterschiedlichem Maße im menschlichen Organismus verteilt sind, zählen Firmicutes, Actinobacteria, Bacteroidetes, Proteobacteria und Fusobacteria.

Im Darm ist die höchste Konzentration an Mikroorganismen und die größte Variabilität in der Mikrobiota-Zusammensetzung zu finden. Die Darm-Mikrobiota besteht aus etwa 1000 verschiedenen Bakterienarten mit über 7000 unterschiedlichen Stämmen, wobei die Zusammensetzung der Keime von Mensch zu Mensch variiert. Nur ein Drittel der Darmbewohner ist bei allen ähnlich. Zwei Drittel sind für jedes Individuum charakteristisch, wie ein Fingerabdruck. Nicht nur die Bandbreite unterschiedlicher Spezies auch die Anzahl an Kleinstlebewesen ist bei jedem Menschen anders. Innerhalb eines Individuums bleiben sie über einen langen Zeitraum relativ konstant, können sich aber durch verschiedene Faktoren im Laufe des Lebens verändern. Dabei spielen Lebensgewohnheiten, Umwelteinflüsse und vor allem die Ernährung eine wichtige Rolle.

Frühe bakterielle Besiedlung Die Kolonisation des Darms beginnt bereits während des Geburtsvorgangs. Je nach Entbindungsart erhält der Säugling verschiedene Mikroorganismen mit auf seinen Lebensweg. So sind nach vaginaler Geburt mehr Bifidobacterium-, Bacteroides- und Lactobacillus-Arten im Darm des Neugeborenen zu finden. Nach einer Kaiserschnittentbindung lassen sich hingegen vermehrt Clostridien und nicht klassifizierte Enterobakterien nachweisen. Dabei geht man heute davon aus, dass die bakterielle Besiedlung in der Kindheit eine große Rolle für die Gesundheit im weiteren Leben spielt.

Beispielsweise nimmt man an, dass Kaiserschnittkinder aufgrund der andersgearteten Zusammensetzung der Darmbakterien ein höheres Allergierisiko tragen als die Kinder, die auf natürlichem Weg auf die Welt gekommen sind. Die Artenvielfalt der Darm-Mikrobiota wird auch von der weiteren Ernährung des Neugeborenen bestimmt. Stillkinder erhalten über die Muttermilch vor allem Bakterien der Gattungen Lactobacillus, Staphylococcus, Enterococcus und Bifidobacterium. Zudem werden Antikörper der Mutter übertragen, die den Säugling vor pathogenen Keimen schützen. Spezielle Oligosaccharide aus der Muttermilch dienen den Bifidobakterien und Lactobazillen als Nahrung.

Lebenswichtige Darmbarriere Die Mikroorganismen, die auf der Darmschleimhaut siedeln, liegen dieser nicht direkt auf, sondern werden durch eine dicke Schleimschicht von ihr getrennt. Alle Bestandteilte gehören zur Darmbarriere, die gemeinsam quasi den Schutzwall des Darms bilden. Die Darmbarriere entscheidet, welche Stoffe aus dem Darm in den Blutkreislauf und damit in den Körper gelangen können. Dieser Schutzwall umfasst verschiedene Verteidigungslinien beziehungsweise Schichten. Die äußere Schicht ist die Mikrobiota mit den Darmbewohnern.

Darunter befindet sich eine dicke Schleimschicht, auch Mucus oder Mucosa genannt, die als strukturgebenden Bestandteil Schleimstoffe (Muzine) enthält. Sie liegt auf der Darmschleimhaut, die als erste Schicht der Darmwand den Dickdarm von innen auskleidet. Die Mucosa dient den Bakterien zum einen als Lebensraum und bietet ihnen Nahrung, zum anderen übt sie eine Barrierefunktion aus, indem sie fremde Stoffe und Keime von der Darmschleimschaut fernhält. Zudem sind in ihr Abwehrstoffe (Defensine) zum Schutz gegen Krankheitserreger enthalten. Die Darmzellen der Darmschleimhaut bilden einen engen Zellverband.

Die verbleibenden kleinen Zwischenräume, die die einzelnen Zellen voneinander trennen, werden von speziellen Schlussleisten (tight junctions) abgedichtet. Auch sie bilden eine Barriere, indem sie ein Durchdringen von Teilchen, Wasser und Mikroorganismen durch das Epithel der Darmschleimhaut verhindern. Ein zentraler Bestandteil der Darmbarriere sind zudem Abwehrzellen des Immunsystems, deren Hauptanteil in der Darmschleimhaut sitzt. Dieses darmassoziierte Immunsystem ist unter dem Begriff GALT (good associated lymphoid tissue) bekannt. Es ist die größte Ansammlung von Immunzellen im menschlichen Organismus. Hier sind etwa 70 Prozent der körpereigenen Immunzellen (Lymphozyten, IgA-Plasmazellen) vereint. Etwa 90 Prozent aller Antikörper werden hier gebildet.

Eine besondere Eigenschaft probiotischer Bakterienstämme ist das Überleben der Magen-Darm-Passage.


Schlüsselfunktion in der Immunabwehr
Die Darmbakterien sind an einer Reihe gesundheitsfördernder Prozesse beteiligt. Sie erfüllen wichtige Aufgaben bei der Verdauung und Stoffwechselfunktionen und unterstützen das Immunsystem. Beispielsweise regen sie die Darmmotilität an und helfen mit ihren Verdauungsenzymen, für den menschlichen Organismus schwer verdauliche Nahrungsbestandteile aufzuschließen und zu verstoffwechseln.

Darüber hinaus synthetisieren sie verschiedene Vitamine wie Vitamin K und solche der B-Gruppe (z. B. Biotin, Folsäure) und bilden kurzkettige Fettsäuren wie Essigsäure oder Buttersäure beziehungsweise deren Salze Acetat und Butyrat. Vor allem spielen die durch die Bakterien gebildeten kurzkettigen Fettsäuren und ihre Salze bei der körpereigenen Abwehr eine wichtige Rolle. Butyrat besitzt antientzündliche und antikanzerogene Eigenschaften und dient den Epithelzellen der Darmschleimhaut als Energielieferant. Zudem sorgt es für einen engen Zellverbund (dichte tight junctions) zwischen den Epithelzellen und für eine ausgewogene Synthese von Muzinen. Das trägt alles zu einer Stabilisierung der Darmbarriere und damit zu einer gut funktionierenden Abwehr pathogener Bakterien bei.

Die Darm-Mikrobiota ist darüber hinaus noch über viele weitere Mechanismen am Immungeschehen beteiligt. So verhindern einige Darmbakterien, dass Giftstoffe (Endotoxine) pathogener Bakterien in den Organismus eindringen. Andere halten durch Produktion antimikrobieller Stoffe (z. B. Defensine, Laktozine) oder durch Beeinflussung des pH-Milieus fremde Eindringlinge fern. Schließlich verhindern unsere Darmbewohner das Ansiedeln von Krankheitserregern, indem sie um lebensnotwendige Nährstoffe und um Bindungsstellen an der Darmwand konkurrieren (Kolonisationsresistenz). Dafür sorgen vor allem Bacterioides, Bifidobakterien, Laktobazillen und Enterokokken.

Artenvielfalt erwünscht Die Mikrobiota nimmt also eine zentrale Aufgabe bei immunologischen Prozessen ein. Dabei wirkt sich eine große Diversität positiv auf die Gesundheit aus. Je mehr verschiedene Arten unser Organismus beherbergt, desto besser funktioniert die Darmbarriere und desto größer ist ihr Schutz vor schädlichen Stoffen. Mit zunehmendem Alter nimmt die Artenvielfalt ab. Während in der Jugend noch viele verschiedene Bakterienarten vorliegen, ist später die mikrobielle Diversität deutlich geringer.

Damit verliert die Darmschleimhaut zunehmend ihre Schutzfunktion und Krankheiten können resultieren. Auch eine einseitige Ernährung mit einer hohen Zufuhr an Salz, Zucker, Alkohol und Fetten sowie einem Mangel an Ballaststoffen reduziert die Bakterienvielfalt im Darm. Weitere Ursachen für die Abnahme der Diversität können Infektionen oder die Einnahme von Medikamenten (z. B. Antibiotika, Protonenpumpenhemmer, Calciumantagonisten, Antipsychotika) sein.

ANTIBIOTIKA-WIRKUNGEN (BEISPIELE)

Die verschiedenen Wirkstoffe haben unterschiedliche Wirkungen auf die Bakterien. Neben den beiden Wirkmechanismen bakterizid (bakterienabtötend) und bakteriostatisch (wachstumshemmend) greifen die Antibiotika unterschiedliche Teile der Bakterienstruktur an.

1. Zellwandaufbau
Beta-Lactam-Antibiotika wie die Penicilline (z. B. Amoxicillin, Ampicillin, Penicillin V) und Cephalosporine (z. B. Cefaclor, Cefpodoxim, Cefuroxim) stören den Aufbau der bakteriellen Zellwand über einen Angriff auf bakterielle Enzyme, die an der Zellwandsynthese beteiligt sind. Auch andere Substanzen wie das Epoxidantibiotikum Fosfomycin oder das Glykopeptid Vancomycin hemmen den Zellwandaufbau der Bakterien, allerdings auf andere Art und Weise.

2. Struktur und Funktion der Zellmembran
Substanzen wie Colistin und Polymyxin B stören die Struktur und Funktion der Zellmembran.

3. Struktur und Funktion der DNA
Die Struktur und Funktion der DNA ist Angriffspunkt der Fluorchinolone (z. B. Norfloxacin, Ciprofloxacin). Sie werden auch Gyrasehemmer genannt, da sie das Enzym Gyrase blockieren, das für die Spiralisierung der bakteriellen DNA und Trennung der neu synthetisierten DNA-Stränge zuständig ist.

4. DNA-abhängige RNA-Polymerase
Rifampicin und Rifabutin werden als Transkriptionshemmer bezeichnet, da sie die RNA-Polymerase angreifen.

5. Proteinsynthese
Substanzen wie Tetracycline (z. B. Tetracyclin, Doxycyclin, Minocyclin), Makrolide (z. B. Erythromycin, Azithromycin, Clarithromycin), Aminoglykoside (z. B. Gentamycin, Streptomycin, Neomycin) oder Lincosamide (z. B. Clindamycin) behindern den Eiweißaufbau, indem sie sich an Teile von Ribosom-Untereinheiten anlagern.

6. Folsäuremetabolismus
Sulfonamide und Trimethoprim sind Folsäuresynthesehemmer, indem sie in die Purinsynthese eingreifen und somit die bakterielle Herstellung von Folsäure verhindern.

Achtung Antibiotika Vor allem antimikrobiell wirksame Medikamente stören das biologische Gleichgewicht der Darm-Mikrobiota erheblich. Nach einer Antibiotikatherapie kommt es häufig zu unangenehmen Begleiterscheinungen. Sie sind eine logische Folge der Antibiotikawirkung, da die antimikrobiellen Medikamente nicht nur Krankheitserreger bekämpfen, sondern auch die physiologische Besiedlung mit den „guten“ Bakterien schädigen. Antibiotika begünstigen dadurch die Kolonisation fakultativ pathogener Keime (z. B. Clostridum difficile) die ebenfalls Bestandteil der physiologischen Mikrobiota sind und unangenehme Darmprobleme auslösen können.

Infektionen mit Clostridum difficile sind vor allem bei älteren oder chronisch kranken Menschen gefürchtet, da ihr Verlauf in schweren Fällen lebensbedrohlich sein kann. Der Erreger gehört zu den anaerob wachsenden, grampositiven Bakterien, dessen Toxine eine starke Darmwandentzündung (Kolitis) mit Krämpfen, Fieber und heftigen Durchfällen (postantibiotische oder antibiotikaassoziierte Diarrhoe) auslösen. Die Infektion wird wiederum mit Antibiotika (z. B. Metronidazol, Vancomycin oder Fidaxomicin) therapiert.

Problematisch sind allerdings die hohen Rückfallquoten, die auf zurückbleibende Sporen zurückzuführen sind. Zudem üben Antibiotika einen negativen Einfluss auf die körpereigene Abwehr aus. Beispielsweise wirkt eine Vielzahl von Antibiotika (z. B. Clindamycin) gegen anaerobe Bakterien, die große Mengen an kurzkettigen Fettsäuren produzieren und somit einen wichtigen Beitrag zur Darmgesundheit leisten. Früher dachte man, dass die Einnahme von Antibiotika die Mikrobiota nur kurzfristig negativ beeinträchtigt und sich die ursprüngliche Zusammensetzung der Darmbewohner schnell wieder regeneriert. Ergebnisse neuerer Untersuchungen lassen allerdings vermuten, dass eine wiederholte Antibiotikagabe die Mikrobiota stärker zu schädigen vermag als zuvor gedacht. Man geht heute davon aus, dass oft Wochen bis Monate vergehen, bis sich das physiologische Gleichgewicht der Mikrobiota wieder eingestellt hat.

Langfristige Folgen Die Auswirkungen einer Abnahme nützlicher und die Zunahme schädlicher Bakterien im Darm sind äußerst vielfältig. Nicht nur akute Probleme stellen sich kurzfristig ein. Verschiedene Studien konnten inzwischen zeigen, dass auch langfristig negative Effekte auf den Stoffwechsel und das Immunsystem möglich sind. So scheint eine gestörte Mikrobiota die Entstehung chronischer Krankheiten zu begünstigen. Dabei spielen gastrointestinale Erkrankungen wie das Reizdarmsyndrom, Morbus Crohn oder Darmkrebs eine wichtige Rolle. Auch wird eine mögliche Beteiligung der Darmbakterien bei Adipositas, Diabetes mellitus, Depressionen oder Parkinson diskutiert.

Probiotika für die Gesundheit Um das Gleichgewicht der Mikrobiota zu fördern beziehungsweise einer Fehlbesiedlung im Darm entgegenzuwirken, werden dem Organismus Kulturen von nützlichen Mikroorganismen zugeführt. Dazu zählen vor allem Hefen (z. B. Sacharomyces boulardii, Synonym Saccharomyces cerevisiae), Lactobazillen (z. B. Lactobacillus casei, Lactobacillus rhamnosus GG), Bifidobakterien (z. B. Bifidobacterium longum, Bifidobacterium lactis), Enterokokken (z. B. Enterococcus faecium W54) und Escherichia coli (z. B. E. coli Nissle 1917, E. coli DSM 17252).

Sie werden als Probiotika bezeichnet, die laut Definition der Weltgesundheitsorganisation als lebende Mikroorganismen dem Wirt einen gesundheitlichen Vorteil bringen, wenn sie in ausreichender Menge aufgenommen werden. Wie eine Vielzahl von Studien zeigen konnte, fördern die eingesetzten Kulturen die Darmgesundheit und besitzen darüber ausgeprägte immunstimulierende und darmprotektive Eigenschaften.

Dazu zählen unter anderem die Synthese antimikrobieller Substanzen, die Steigerung der IgASekretion, die Synthese von kurzkettigen Fettsäuren und Muzinen, die Steigerung der Konkurrenz um Bindungsstellen mit pathogenen Erregern, eine Normalisierung der Durchlässigkeit der Darmwand (unterstützen die Wiederherstellung der tight junctions), eine Resistenzsteigerung gegen Candida- Infektionen oder eine Reduktion der Rezidivrate bei antibiotikaassoziierten Diarrhoen. Vor heftigen Durchfällen durch Belastungen mit Toxinen von Clostridium difficile sollen vor allem Saccharomyces boulardii bewahren. Aber auch milchsäurebildende Bakterien bieten Schutz gegenüber pathogenen Keimen wie Clostridium difficile und ebenso zeigen Bakterienbruchstücke, Lysate, diesen Effekt.

Verschiedene Einsatzgebiete Probiotika sind sowohl in Nahrungsergänzungsmitteln, bilanzierten Diäten, Medizinprodukten und Arzneimitteln enthalten und in der Apotheke erhältlich. Gemeinsam ist den Präparaten, dass die zugeführten Keime so hoch dosiert sind und galenisch so verpackt wurden, dass sie die Passage durch den Magen und Dünndarm unversehrt überleben, damit sie sich anschließend unbeschadet von Magen- und Verdauungssäften in ausreichender Menge und in aktiver Form im Dickdarm ansiedeln können. Unterschiedlich sind die Indikationen, die ausgelobt sind.

Es werden beispielsweise Präparate angeboten, die bei Atemwegserkrankungen die Dauer und Häufigkeit der Symptome reduzieren, eine gestörte Mikrobiota der Vagina ins Gleichgewicht bringen, das Abnehmen erleichtern, der Entwicklung einer Allergie vorbeugen, zur Behandlung einer Migräne oder von Neurodermitis dienen, zur Entlastung der Leber beitragen, Durchfälle therapieren oder ihnen vorbeugen, bei Verdauungsbeschwerden oder entzündlichen Darmerkrankungen helfen sollen. Während sich einige der Anwendungsgebiete schon lange etabliert haben (z. B. Unterstützung beziehungsweise Steigerung des Immunsystems, Prävention und Therapie von Durchfallerkrankungen, Wiederherstellung der physiologischen Vaginalbesiedlung) sind andere Indikationen noch nicht allgemein bekannt, werden aber intensiv beforscht (z. B. Behandlung von Leberfunktionsstörungen).

Vor allem konnten die positiven Effekte bei der Therapie und Prophylaxe verschiedener Darmerkrankungen in Studien untermauert werden und haben inzwischen zur Empfehlung von Probiotika in entsprechenden Leitlinien geführt. In Studien wurde beispielsweise die Darm-Mikrobiota von Reizdarmpatienten im Vergleich zu gesunden Menschen unter die Lupe genommen. Es konnte gezeigt werden, dass sich ihre Zusammensetzung signifikant von gesunden Personen unterscheidet. Da sich der Einsatz lebender Mikroorganismen auf die gestörte Mikrobiota positiv auswirken und zur Symptomlinderung beitragen kann, wurden Probiotika als evidenzbasierte Therapieoption in die Leitlinie zur Behandlung des Reizdarmsyndroms mit aufgenommen.

Exkurs Stuhltransplantation Nicht nur Probiotika sollen die gestörte Darm-Mikrobiota wieder regulieren. Es wird derzeit auch intensiv geforscht, ob eine Übertragung von Stuhl eines Gesunden in den Darm eines Kranken bei bestimmten Darmerkrankungen wie beispielsweise bei einer Colitis ulcerosa oder einer rezidivierenden Clostridium difficile- Infektion helfen kann. Dabei existieren verschiedene Anhaltspunkte dafür, dass positive Effekte möglich sind. Zudem wird ein zukünftiger möglicher Einsatz der Stuhltransplantation auch für andere Erkrankungen diskutiert, die möglicherweise mit einer Veränderung der Darm-Mikrobiota einhergehen wie beispielsweise Adipositas oder Diabetes mellitus. Bevor Stuhltransplantationen breit eingesetzt werden, müssen aber noch viele Fragen geklärt werden (z. B. genaue Indikation, optimaler Zeitpunkt, exakte Methode, Spendereigenschaften).

Eine Alternative zu probiotischen Präparaten kann auch der regelmäßige Verzehr probiotischer Naturjoghurts oder Joghurtdrinks sein.


Einnahme-Tipps Kunden, die Probiotika gegen potenzielle Nebenwirkungen von Antibiotika verschrieben bekommen, fragen immer, wann sie die probiotischen Präparate einnehmen sollen: während oder nach der Antibiotika- Therapie. Die Antwort ist abhängig davon, was mit den Probiotika bezweckt werden soll. Eine Gabe der Keime im direkten Anschluss an eine Einnahme von Antibiotika fördert die Regeneration der physiologischen Mikrobiota und des darmassoziierten Immunsystems. Dafür sollten die Probiotika über einen Zeitraum von ein bis zwei Monaten zur Anwendung kommen.

Die begleitende Probiotikagabe ist sinnvoll zur Prophylaxe und Verminderung der Rezidivrate einer postantibiotischen Diarrhoe. Hierbei sollte ein zwei- bis dreistündiger Einnahmeabstand zum Antibiotikum eingehalten werden. Die Einnahme sollte aber auch dann noch zwei bis vier Wochen fortgesetzt werden, eventuell mit geringeren Dosen. In der Regel sind Probiotika gut verträglich. Es existieren sogar Präparate, die bereits für Säuglinge oder Kinder zugelassen sind. Für die Anwendung während der Schwangerschaft und Stillzeit liegen hingegen häufig keine Daten vor.

Da einige Personen anfangs mit Blähungen oder Oberbauchbeschwerden auf die Einnahme der Keime reagieren, kann es sinnvoll sein, nicht gleich mit der Höchstdosis zu starten, sondern die Dosis langsam zu steigern. Oft wird die Probiotika-Einnahme zu den Mahlzeiten empfohlen, da dann der pH-Wert im Magen ansteigt, wodurch die lebenden Mikroorganismen die Magenpassage besser überleben. Andererseits ist auch die Applikation auf nüchternen Magen sinnvoll.

Bei leerem Magen kann der Transport in den Darm schneller erfolgen, was sich ebenfalls günstig auf die Überlebensrate der Mikroorganismen auswirkt. Die Anwender können bei den Probiotika-Präparaten zwischen Kapseln, Pulvern und fertigen Flüssigkeiten wählen. Bei der Anwendung von Pulvern muss meist beachtet werden, dass nach ihrem Einrühren in Wasser noch mindestens eine Minute Aktivierungszeit abgewartet werden muss, bevor sie nach nochmaligem Umrühren getrunken werden können.

Kontraindikationen beachten Schwerkranke oder Immunsupprimierte wie beispielsweise Tumorpatienten während einer Chemo- oder Strahlentherapie sollten keine Probiotika erhalten. Bei ihnen besteht die Gefahr, dass sich durch Einnahme der lebenden Mikroorganismen lebensgefährliche Pilzerkrankungen (Fungämien) entwickeln. Aus diesem Grund sind beispielsweise Präparate mit Saccharomyces boulardii bei diesem Personenkreis explizit kontraindiziert.

Futter für die Mikrobiota Von den Probiotika gilt es die Präbiotika abzugrenzen. Darunter werden unverdauliche Ballaststoffe verstanden, die vorwiegend in pflanzlichen Lebensmitteln vorkommen (z. B. Stärke, Inulin, Pektin, Oligofruktose). Da der menschliche Organismus sie nicht aufschließen kann, erreichen sie unverdaut den Dickdarm, wo sie der Mikrobiota als Energie- und Nährstoffquelle dienen. Einige probiotische Präparate sind mit Präbiotika kombiniert. Sie liefern quasi gleich die Nahrung für die nützlichen Mikroorganismen mit und fördern somit deren Vermehrung. Die Kombination aus Prä- und Probiotika wird als Synbiotika bezeichnet.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 06/18 ab Seite 34.

Gode Chlond, Apothekerin

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