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Milben

UNGEBETENE BETTGÄSTE

Milben gelten als Auslöser von Asthma und allergischer Rhinokonjuktivitis, darüber hinaus sind sie am atopischen Ekzem beteiligt. Sie stellen die zweithäufigste Allergenursache in Europa für Atemwegsallergien dar.

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Der niederländische Mediziner Willem Strom van Leeuwen besuchte im Jahr 1923 mit drei Asthmatikern St. Moritz und stellte fest, dass seine Patienten dort beschwerdefrei waren. Als er sie den mitgebrachten Hausstaub aus Leiden einatmen ließ, bekamen sie erneut einen Asthmaanfall – die Ursache der Erkrankung wurde demnach im Hausstaub gesehen. Erst 1964 fand man schließlich heraus, dass Milben die Hauptallergenquelle im Hausstaub darstellen.

Domestic Mites Milben zählen zu den Spinnentieren (Arachida), verfügen über vier Beinpaare und weisen mit einer Größe zwischen 0,1 und 10 Millimetern die beträchtlichste Diversität unter den Arachida auf. Der Oberbergriff „Domestic Mites“ umfasst die im menschlichen Umfeld vorkommenden Milben, insbesondere Hausstaub- und Vorratsmilben, welche die Bildung der spezifischen IgE-Antikörper hervorrufen können. Hausstaubmilben ernähren sich von menschlichen Hautschuppen und finden im häuslichen Umfeld optimale Lebensbedingungen vor. Vorratsmilben versorgen sich hingegen saprophag (von totem Material) sowie mycophag (von Pilzen). Man findet sie häufig in der Landwirtschaft auf Samen oder Getreide, sie können allerdings auch Bestandteil des Hausstaubs sein.

Der Lebenszyklus der Domestic Mites setzt sich aus verschiedenen Entwicklungsstadien zusammen (Ei, Larve, Nymphe, adultes Tier). Die Veränderung vom Ei bis zum adulten Tier erfolgt innerhalb von zwei bis drei Wochen und hängt von der Temperatur sowie von der relativen Luftfeuchte ab. Letztere ist für den Milben-Organismus wichtig, weil die Parasiten kein Wasser trinken, sondern es über den Körper aus der Luft aufnehmen. Optimale Bedingungen für ihre Reproduktion und Entwicklung sind Temperaturen von 25 bis 30 Grad Celsius bei einer relativen Luftfeuchtigkeit von 75 Prozent. Innerhalb menschlicher Behausungen fühlen sich Milben auf Matratzen, Kuscheltieren, Teppichen, Polstermöbeln, Kleidung sowie auf Holzböden wohl. Aufgrund des reichhaltigen Nahrungsangebots können die Konzentrationen auf Matratzen mit bis zu 26 000 Tieren pro Quadratmeter sehr hoch sein.

Beschwerdegipfel am Morgen In Deutschland sind etwa 24 Prozent der erwachsenen Allergiker gegen Hausstaubmilben (Dermatophagoides pteronyssinus, europäische Milbe) und 21 Prozent gegen Dermatophagoides farinae (amerikanische Milbe) sensibilisiert. Bei Betroffenen kommen also milbenspezifische IgE-Antikörper vor, was nicht unbedingt bedeutet, dass in jedem Fall eine Milbenallergie vorliegt. Typische Symptome einer Hausstaubmilbenallergie sind allergischer Schnupfen (Rhinitis) mit Niesreiz, allergische Bindehautentzündungen, allergisch bedingter Husten, Asthma und eine verstopfte oder laufende Nase vor allem in den Morgenstunden.

Eine Sinusitis, eine bronchiale Hyperreaktivität sowie der Übergang in allergisches Asthma folgen auf eine Rhinitis durch Milben häufiger als auf eine Reaktion gegen Pollen. Um eine Hausstaubmilben- von einer Pollenallergie abzugrenzen, sollte man wissen, dass die Beschwerden der Hausstaubmilbenallergie ganzjährig bestehen, ihren Höhepunkt im Spätherbst und Winter haben und die Symptome nachts oder morgens nach dem Aufstehen am stärksten ausgeprägt sind. Vorratsmilben rufen ähnliche Beschwerden wie Hausstaubmilben hervor und kommen deutlich häufiger bei Land- als bei Stadtmenschen vor. Um eine Milbenallergie zu diagnostizieren, führt der Arzt neben der Anamnese in der Regel eine Prick-Testung durch und bestimmt die Antikörper im Blut. Die Provokation am Erfolgsorgan führt durch die auftretenden Symptome schließlich zum Nachweis der Allergie.

Therapieoptionen Eine Allergenkarenz gestaltet sich extrem schwierig, da die Exposition unter anderem im eigenen Bett geschieht. Spezielle Bettwäsche, häufiges Waschen sowie Staubsaugen empfinden einige Betroffene als symptomlindernd. Eine Sprühlösung mit dem pflanzlichen Inhaltsstoff Mahalin aus dem Samen des Niembaums beseitigt Hausstaubmilben aus der Matratze. Die Substanz tötet die Spinnentiere nicht direkt ab, sondern macht die Nahrung der Milben ungenießbar. Die Parasiten verhungern, die Allergenbelastung verringert sich dadurch für etwa sechs Monate nach der Anwendung. Die Beschwerden lassen sich durch die Anwendung von Antihistaminika oder durch den Einsatz von Cortisonpräparaten kurzfristig verbessern. Zur kausalen Behandlung eignet sich die spezifische Immuntherapie, bei der durch die wiederholte Verabreichung von Milbenbestandteilen eine Toleranz gegen die Allergene aufgebaut wird. Die Wirkung hält viele Jahre an und kann bei einer Verschlechterung wieder aufgefrischt werden.

Weitere Milbenarten Es gibt noch andere Spinnentiere, die für den Menschen relevant sind: Haarbalgmilben befinden sich vorwiegend auf den Haarwurzeln der Augenwimpern und ernähren sich ebenfalls von Hautschuppen. Sie sind zwar ungefährlich, können jedoch dauerhaft zu Rosacea oder Akne führen. Die Krätzmilbe ruft die Erkrankung Skabies hervor, welche sich durch einen starken Juckreiz, den die Aktivitäten der Tiere in der Haut verursachen, kennzeichnet. Krätze ist sehr ansteckend und kann daher zu Ausbrüchen (zum Beispiel in Krankenhäusern) führen. Die Weibchen graben bei einem Befall Gänge in die Epidermis und legen dort zahlreiche Eier ab.

Die Larven wandern schließlich an die Hautoberfläche und entwickeln sich zu fruchtbaren Lebewesen – anschließend beginnt der Prozess von vorne. Beliebte Aufenthaltsorte der Spinnentiere sind die Finger- und Zehenzwischenräume, der Genitalbereich, der Haaransatz, die Armbeugen sowie die Achselhöhlen. Der Befall geht mit Rötungen, Schuppen, Knötchen in der Größe eines Stecknadelkopfes und mit Juckreiz, der sich in der Bettwärme oder nach einem heißen Bad verstärkt, einher. Wie der Name schon sagt, halten sich Grasmilben überwiegend auf Wiesen, in Parks, Gärten und Büschen auf. Sie schlüpfen aus am Boden abgelegten Eiern, danach heften sich die Larven an Mensch und Tier und ernähren sich von ihnen. Nach spätestens zehn Tagen kehren sie auf den Boden zurück und leben dort weiter.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 11/19 ab Seite 26.

Martina Görz, PTA, M.Sc. Psychologie und Fachjournalistin

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