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Durchfall

UNANGENEHM UND MANCHMAL SOGAR GEFÄHRLICH

Was tun bei Diarrhö? Diese Frage wird in der Apotheke täglich gestellt. Für die Selbstmedikation akuter Episoden stehen verschiedene Optionen zur Verfügung.

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Rumpeln, Gluckern im Bauch und der plötzliche Drang, sich ganz schnell auf der Toilette entleeren zu müssen – wer kennt das nicht. Durchfallerkrankungen gehören zu den häufigsten Infektionskrankheiten.

Durchschnittlich leidet jeder Deutsche zwei bis drei Mal im Jahr an einer akuten Durchfallepisode. Säuglinge und Kleinkinder sowie ältere Menschen sind deutlich häufiger betroffen, vor allem wenn sie in Gemeinschaftseinrichtungen untergebracht sind. Sie quälen sich vermehrt mit einer Diarrhö, da ihre Körperabwehr noch nicht voll ausgereift ist beziehungsweise nicht mehr optimal funktioniert.

Definition Durchfall Darmentleerungen zwischen drei Mal täglich und drei Mal wöchentlich gelten als normal. Dabei werden pro Stuhlgang etwa 100 Milliliter Flüssigkeit ausgeschieden.

Durchfall liegt definitionsgemäß vor, wenn der Betroffene über mehr als drei ungeformte, dünnflüssige Stuhlentleerungen am Tag klagt, wobei das Stuhlgewicht mehr als 250 Gramm pro Tag beträgt und der Stuhl einen hohen Wassergehalt aufweist.

Exkurs Reizdarm
Auch hier können Durchfälle den Betroffenen das Leben erschweren. Zum Einsatz kommen Loperamid, aber auch Gerbstoffpräparate und Elektrolytlösungen. Eine längerfristige Behandlung mit Loperamid sollte mit dem Arzt besprochen werden. Zudem wird mit Flohsamenschalen über gute Erfolge sowohl bei Durchfällen als auch bei Verstopfung berichtet. Durch sein großes Wasserbindevermögen wird wässriger Stuhl formbar und die Darmpassage verlängert. Dies ermöglicht den Einsatz bei Diarrhö.

Verstärkter Flüssigkeits- und Elektrolytverlust Leidet der Betroffene unter Durchfall, kommt es zu einer unkontrollierten Sekretion von Wasser und Elektrolyten in den Darm, wobei gleichzeitig der Rücktransport in den Organismus nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Zudem ist häufig eine gesteigerte Darmmotilität zu beobachten. Die Folge sind große Mengen an sehr weichem bis flüssigem Stuhl, die vermehrt ausgeschieden werden. Dabei kann es zu Flüssigkeitsverlusten von mehreren Litern am Tag kommen. Meistens leiden die Betroffenen zudem an Begleitsymptomen.

Das Ausmaß der Symptome ist abhängig von der Art des Krankheitserregers und der Körperabwehr der Betroffenen. Bei einem ansonsten gesunden Erwachsenen können sich nur wenige Beschwerden mit leichtem Unwohlsein, Bauchschmerzen, Übelkeit und Durchfall bemerkbar machen. Bei bestimmten Erregern oder geringerer Widerstandskraft des Erkrankten (z. B. bei Säuglingen, Kleinkindern, mangelernährten Personen, Senioren, Menschen mit geschwächtem Immunsystem) sind schwere, teils lebensbedrohliche Verlaufsformen möglich, die mit häufigem Erbrechen, ausgeprägten Durchfällen und Fieber einhergehen und zu schweren Flüssigkeits- und Elektrolytverlusten führen können.

Hygienetipps zur Vorbeugung
+ regelmäßiges und gründliches Händewaschen
+ Obst und Gemüse vor Verzehr waschen
+ verderbliche Speisen kühl lagern
+ rohe Lebensmittel (z. B. Eier, Hackfleisch) am Einkaufstag verarbeiten
+ Schneidebretter aus Plastik (nicht Holz) verwenden
+ Spüllappen regelmäßig bei 60 °C waschen und auswechseln
+ bei Reisen in Risikoländer die bewährte Regel: „peel it, boil it, cook it or forget it!“ („schälen, 
  kochen, braten oder verzichten“) beherzigen

Anzeichen einer Austrocknung sind ein dunkler werdender Urin, eine geringe Urinproduktion, Schlappheit, Müdigkeit, Apathie, trockene Lippen sowie eine stehende „Hautfalte“, die sich nach dem Hochziehen nicht zurückbildet.

Selbstmedikation Für gewöhnlich beginnt eine akute Episode plötzlich und erstreckt sich in der Regel über zwei bis drei Tage. Danach normalisiert sich die physiologische Darmfunktion meist von selber wieder und damit auch die Stuhlfrequenz, -konsistenz und -menge. Auch wenn die Beschwerden oft nur kurz und selbstlimitierend sind und prinzipiell keiner weiteren Behandlung erfordern, ist der Leidensdruck so groß, sodass viele der Betroffenen Rat in der Apotheke suchen und dankbar für eine Präparateempfehlung zur Linderung ihrer Beschwerden sind.

Seltener dauert Durchfall länger als zwei bis drei Wochen an oder es treten in Abständen immer wiederkehrend Durchfälle auf. In diesen Fällen wird eine Diarrhö als chronisch bezeichnet und erfordert eine ärztliche Abklärung. Aber auch schon ein gehäufter, ungeformter und dünnflüssiger Stuhl, der länger als drei Tage andauert, ist kein Fall für die Selbstmedikation.

Ebenso sollte ein Arzt hinzugezogen werden bei einem Wechsel von Diarrhö mit Obstipation, einem Verdacht auf eine arzneimittelbedingte Diarrhö (z. B. nach Antibiotikaeinnahme), Fieber über 39 °C, Flüssigkeitsverlusten, die mehr als fünf Prozent des Körpergewichts ausmachen, blutigem oder schleimigem Stuhl sowie bei Durchfällen, die während oder nach einer Reise in Risikoländer (vor allem in Tropen und Subtropen) auftreten.

Meist infektiös ausgelöst Durchfall kann das Symptom vieler Erkrankungen sein. Hauptverursacher sind Viren und Bakterien beziehungsweise ihre Toxine, wobei in den westlichen Ländern Diarrhöen im Winter meist viral bedingt sind, während Sommerdurchfälle vor allem eine bakterielle Ursache haben. Neben Infektionen können Arzneimittel (z. B. Magnesium, Antibiotika) eine akute Diarrhö auslösen oder ein übermäßiger Konsum von Zuckeraustauschstoffen (z. B. Sorbit) wässrige Stühle provozieren.

Darüber hinaus äußern sich seelische Belastungen wie Stress, Nervosität oder Ängste oftmals mit einer erhöhten Darmmotilität. Chronischer Durchfall beruht oft auf Nahrungsmittelunverträglichkeiten (z. B. Zöliakie, Fruktose-, Laktoseintoleranz), einer Stoffwechselerkrankung (z. B. Schilddrüsenüberfunktion), entzündlichen Darmerkrankungen (z. B. Morbus Crohn, Colitis ulcerosa) oder einem Reizdarmsyndrom.

Häufige virale Durchfallerreger Noroviren zählen zu den wichtigsten Erregern. Sie sind sehr infektiös und können lange auf Gegenständen und in kontaminierten Lebensmitteln überleben. Die Viren lösen immer wieder Ausbrüche in Gemeinschaftseinrichtungen aus. Typisch ist ein schlagartig einsetzender Durchfall, der von heftigem Erbrechen begleitet wird. In der Regel verläuft die Erkrankung harmlos, kann aber vor allem bei älteren Betroffenen zu ernsthaften Komplikationen führen.

Die Viren werden von Mensch zu Mensch fäkal-oral durch infizierten Stuhl, also durch Aufnahme von ausgeschiedenen Keimen übertragen und aerogen über virushaltige Tröpfchen beim schwallartigen Erbrechen weitergegeben. Zu den wichtigsten Prophylaxemaßnahmen gegen das Norovirus zählen strikte Hygienemaßnahmen wie häufiges und sorgfältiges Händewaschen. Bei Kindern gelten Rotaviren als Hauptverursacher für Durchfallerkrankungen mit schweren Krankheitsverläufen, wobei besonders häufig Säuglinge und Kleinkinder im Alter von sechs Monaten bis fünf Jahren erkranken.

Probiotika
Vorbeugend und zur Therapie leichter Durchfälle eignen sich Mikroorganismen wie Hefekulturen (z. B. Saccharomyces boulardii) oder Milchsäurebakterien (Laktobazillen). Mit ihnen kann es gelingen, die Durchfalldauer zu reduzieren und die Gefahr eines größeren Wasserund Elektrolytverlustes zu minimieren. Wichtig für den Therapieerfolg sind eine hohe Dosis und ihr früher Einsatz. Als Wirkmechanismus wird angenommen, dass Probiotika einen Biofilm auf dem Darmepithel bilden und es so vor invasiven pathogenen Keimen schützen. Zudem produzieren sie antibakterielle Substanzen und stimulieren das darmassoziierte Immunsystem. Während Laktobazillen schon bei Säuglingen vom Arzt verordnet werden, sind Hefepräparate erst ab zwei Jahren indiziert.

Sie werden durch Schmierinfektion und über verunreinigtes Wasser sowie kontaminierte Speisen übertragen und verbreiten sich rasant auf engem Raum wie beispielsweise in Kindergärten und Schulen. Seitdem die Ständige Impfkommission (STIKO) zur Prophylaxe eine orale Impfung bei Kindern im ersten Lebenshalbjahr empfiehlt, sind die Erkrankungszahlen rückläufig.

Je nach verabreichtem Impfstoff sind zwei oder drei Impfdosen in einem vierwöchigen Mindestabstand notwendig. Neben Rotaviren sind bei Säuglingen und Kleinkindern häufig Adenoviren für eine Diarrhö verantwortlich. Fieber und Erbrechen kommen hier selten hinzu. Die Übertragung erfolgt von Mensch zu Mensch durch Schmierinfektion. Eine Impfung ist nicht vorhanden.

Häufige bakterielle Durchfallerkrankungen Je nach Bakterium können unterschiedliche krankheitsverursachende Mechanismen unterschieden werden. Enterotoxische Erreger produzieren Toxine, welche die Schleimhautzellen anregen, vermehrt Flüssigkeit abzusondern, die zu Durchfällen ohne Blut- und Schleimbeimengungen führen. Zytotoxische Erreger schädigen mit ihren Toxinen direkt die Zellen der Darmschleimhaut und lösen deren Zerstörung aus. Invasive Erreger zerstören die Schleimhautzellen, indem sie in sie eindringen.

Typisch für Infektionen mit zytotoxischen und invasiven Erregern sind blutige Stühle. Die häufigsten Erreger einer bakteriellen Darminfektion sind Salmonellen, Shigellen, Yersinien, Campylobacter und Vibrio cholerae. Enterotoxin bildende Escherichia-coli-Bakterien (ETEC) sind hauptsächlich Auslöser einer Reisediarrhö. Von ETEC sind die enterohämorrhagischen Escherichia-coli-Stämme (EHEC) zu unterscheiden, die teilweise schwerste Durchfallerkrankungen auslösen, die in seltenen Fällen mit einem hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS) mit Nierenversagen, Anämie und Hämolyse einhergehen.

Säuglinge und Kleinkinder sind besonders anfällig für eine Salmonellose. Sie manifestiert sich als akute Darmentzündung mit plötzlich einsetzendem Durchfall, Kopf- und Bauchschmerzen sowie Unwohlsein. Manchmal kommt es auch zu Erbrechen, häufig tritt Fieber hinzu. Die Beschwerden werden durch mit Salmonellen verdorbenen Lebensmitteln ausgelöst. Infektionsquellen sind vor allem Produkte aus Geflügel-, Rinder- und Schweinefleisch sowie rohe Eier und eihaltige Speisezubereitungen.

In seltenen Fällen nimmt die klassische Lebensmittelinfektion einen septischen Verlauf mit schwerwiegenden Komplikationen, die wiederum hauptsächlich bei Menschen über 60 Jahre auftreten. Bei Kindern und jungen Erwachsenen sind auch häufig Infektionen durch Campylobacterspezies zu verzeichnen. Die Bakterien werden durch kontaminiertes Fleisch, Trinkwasser oder Rohmilchprodukte übertragen und bedingen oft blutige Durchfälle, die eine Woche und länger andauern können. Die Infektionen sind oft selbstlimitierend.

Ersatz von Flüssigkeit und Elektrolyten Basistherapie jeder Durchfallerkrankung ist der Wasser- und Elektrolytausgleich, wobei in leichten Fällen schon eine Erhöhung der normalen Trinkmenge ausreichen kann. Bei schweren Diarrhöen sowie bei Säuglingen, Kleinkindern und alten Menschen ist eine rasche und kontinuierliche Gabe von Präparaten zur Rehydrierung notwendig. Ist eine orale Aufnahme nicht möglich oder nicht in ausreichendem Maße wirksam, muss eine intravenöse Zufuhr erfolgen. Mittel der Wahl sind definierte orale Rehydratationslösungen (ORL), deren Zusammensetzung den Empfehlungen der WHO entspricht.

»Selbst bei bakteriell ausgelösten Diarrhöen kommen Antibiotika nur in Ausnahmefällen zum Einsatz.«

Am einfachsten ist die Gabe eines Fertigpräparats mit einer standardisierten Mischung aus Natriumchlorid, Natriumcitrat, Kaliumchlorid und Glukose. Der Betroffene sollte je nach Flüssigkeitsverlust ein bis zwei Beutel auflösen und über den Tag verteilt in kleinen Schlucken trinken. Auf diese Weise wird den Zellen der Darmschleimhaut ausreichend Glukose und Natrium zugeführt, wodurch nachfolgend Wasser aus dem Darmlumen in den Körper hinein diffundiert. Folge ist ein verbesserter Hydratationsstatus, gleichzeitig wird der Darminhalt eingedickt und der Durchfall vermindert.

Nicht geeignet sind traditionell empfohlene Cola-Getränke oder Säfte, da sie zu hohe Konzentrationen an Zucker, zu wenig Natrium und zum Teil kein Kalium enthalten. Nach erfolgreicher Rehydrierung kann wieder allmählich leichte Kost verzehrt werden. Eine Nahrungskarenz (Teepausen, Durchfalldiät) wird heutzutage nicht mehr empfohlen. Die Speisen sollten allerdings fettarm und nicht zu scharf gewürzt sein. Geeignet sind komplexe Kohlenhydrate wie Brot, Nudeln-, Kartoffel- oder Reisgerichte, Salzstangen oder Gemüsesuppen. Als Getränke sind Wasser und Tees ideal.

Loperamid Der Opioidantagonist ist für Erwachsene und Jugendliche ab zwölf Jahren in der Selbstmedikation zugelassen. Über einen Angriff an periphere Opioidrezeptoren der Darmschleimhaut normalisiert Loperamid die gesteigerte Motilität, erhöht die Resorption von Wasser und Elektrolyten durch Verlängerung der intestinalen Transitzeit und reduziert damit den Flüssigkeits- und Elektrolytverlust. Seine zuverlässige Wirkung wird vor allem auf Reisen geschätzt.

In der Selbstmedikation darf Loperamid aber nicht länger als zwei Tage zum Einsatz kommen. Außerdem ist es bei schweren Verläufen, die mit Fieber oder blutigem Durchfall einhergehen, und bei Kindern unter zwei Jahren kontraindiziert.

Racecadotril Seit fast einem Jahr steht dieser Wirkstoff rezeptfrei für Erwachsene über 18 Jahren zur Verfügung. Er reduziert über eine Hemmung des Enzyms Enkephalinase den übermäßigen Wasser- und Elektrolyteinstrom in den Darm. Der Stuhl wird weniger aufgeweicht und die Stuhlentleerungsfrequenz sinkt. Im Gegensatz zu Loperamid wird die Motilität nicht beeinflusst. Die natürliche Eigenbewegung des Darms bleibt erhalten, wodurch das Risiko für eine reaktive Verstopfung oder eine eingeschränkte Erregerausscheidung sinkt.

Uzarawurzel Sie ist ein pflanzlicher Motilitätshemmer, deren Zubereitung bereits bei Kindern ab zwei Jahren einsetzbar ist. Der Extrakt normalisiert die bei Diarrhöen stark verkürzte Darmpassagezeit. Dabei nimmt die Stuhlhäufigkeit ab, ohne dass die physiologischen Darmbewegungen zum Erliegen kommen. Zudem sind spasmolytische Effekte zu verzeichnen.

Adsorbentien und Adstringenzien Inzwischen weniger verbreitet sind Letztere, also Gerbstoff-haltige Präparate (z. B. mit Tanninalbuminat), die den Durchfall lindern, indem sie die Schleimhaut abdichten und so den Wassereinstrom in den Darm hemmen. Unspezifische Adsorbentien wie medizinische Kohle binden nur mäßig Toxine, dafür allerdings auch lipophile Arzneistoffe.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 02/14 ab Seite 14.

Gode Meyer-Chlond, Apothekerin

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