Baumrinde© John_Wijsman / iStock / Getty Images

Akne Inversa

TÜCKISCHE HAUTKRANKHEIT

Schmerzhafte Knötchen, Abszesse und Fisteln: Die chronisch-entzündliche Hauterkrankung Akne inversa ist äußerst belastend. Nicht selten hinterlässt sie tiefe Narben – nicht nur auf der Haut, sondern auch auf der Seele.

Seite 1/1 5 Minuten

Seite 1/1 5 Minuten

Wiederkehrende Hautentzündungen sind typisch für Akne inversa, die im medizinischen Fachjargon als Hidradenitis suppurativa, kurz HS, bezeichnet wird. Die Entzündung ist vorwiegend an behaarten Hautpartien lokalisiert, etwa in den Achselhöhlen, in der Leistenregion und im Genitalbereich. Aber auch an Stellen, an denen Haut an Haut reibt – etwa am Gesäß oder unter der weiblichen Brust – können die krankheitstypischen Hautläsionen entstehen.

Frauen erkranken häufiger daran als Männer. Und obwohl Akne inversa Menschen aller Altersgruppen peinigen kann, tritt sie erstmals oft bei jungen Erwachsenen vor dem 30. Lebensjahr auf. Schätzungen zufolge sind weltweit etwa vier Prozent der Menschen betroffen, bei uns in Deutschland könnten bis zu drei Millionen Menschen unter Akne inversa leiden. Fachleute gehen von einer hohen Dunkelziffer aus – auch, weil sie vermuten, dass viele Betroffene aus Scham den Gang in die Arztpraxis scheuen.

Quälende Abszesse Auslöser des schmerzhaften Leidens ist eine Entzündung der Haarfollikel. Sie führt dazu, dass sich unter der Haut tiefsitzende, gut tastbare, oft erbsengroße Knötchen sowie Abszesse bilden. Bei Abszessen handelt es sich um mit Eiter gefüllte, klar abgegrenzte Hohlräume in der Haut, die umgangssprachlich mitunter als „Eiterbeulen“ bezeichnet werden.

Abszesse können schmerzhaft sein und auch tief unter der Haut liegen. Die betroffenen Hautbereiche können platzen und einen unangenehmen Geruch verströmen. Bei vielen Betroffenen kommt es im Krankheitsverlauf zur Fistelbildung, wodurch die Haut stark geschädigt wird.

Als Fisteln bezeichnen Ärzte entzündete, röhrenförmige Gänge; diese pathologischen Verbindungen können zwischen zwei Hohlorganen (innere Fistel) oder zwischen Körperoberfläche und einem Organ (äußere Fistel) entstehen. Entzünden sich bestimmte Hautregionen immer wieder, führt Akne inversa mitunter zu ausgeprägter Narbenbildung mit Bewegungseinschränkungen in den betroffenen Bereichen. Abhängig von Erscheinungsbild und Schweregrad wird Akne inversa in drei Stadien eingeteilt:

  • In Stadium 1 (leichte Ausprägung) haben sich einzelne Abszesse gebildet, jedoch weder Fistelgänge noch Vernarbungen.
  • Stadium 2 (mittelschwere Ausprägung) ist gekennzeichnet durch einen oder mehrere wiederkehrende Abszesse mit Fisteln und Narbenbildung.
  • In Stadium 3 (schwere Ausprägung) gehen die großflächigen Abszesse ineinander über; es kommt zur Bildung von Fisteln und Narbenzügen.

Ursachen unklar Über die genauen Ursachen der schwerwiegenden Hautkrankheit rätseln Wissenschaftler bis heute. Unklar ist bislang, warum sich die Haarfollikel entzünden. Vermutlich spielen die Gene bei diesem Prozess eine Rolle, denn bei rund 40 Prozent der Patienten kommt Akne inversa auch bei anderen Familienmitgliedern vor. Auch hormonelle Einflüsse und Fehler im Immunsystem stehen als Verursacher unter Verdacht.

Bekannt ist, dass bestimmte Triggerfaktoren die entzündlichen Hautveränderungen hervorrufen oder verstärken können. Dazu zählen unter anderem Rauchen, Fettleibigkeit (Adipositas), starkes Schwitzen, psychische Belastungen, Entfernung der Körperbehaarung (Rasuren) sowie mechanische Reizungen der Haut, etwa durch sehr enge Kleidung. Diese Zusammenhänge machen klar, dass Betroffene selbst einiges unternehmen können und sollten, um den Krankheitsverlauf möglichst günstig zu beeinflussen.

In jedem Fall ist es empfehlenswert, aufs Rauchen zu verzichten. Übergewicht gilt es abzubauen – auch, weil Adipositas sehr oft mit starkem Schwitzen einhergeht, die Reibung in den Hautfalten fördert und Entzündungs- schüben so Vorschub leisten kann. Generell wirkt sich ein gesunder Lebensstil positiv aus, sowohl auf die chronische Hautkrankheit als auch auf das allgemeine Wohlbefinden.

Ein gesunder Lebensstil, medikamentöse und chirurgische Maßnahmen helfen Betroffen.

Nicht heil-, aber behandelbar Gezielt behandelt wird Akne inversa mit Medikamenten, bei schwerem Verlauf auch operativ. Die medikamentöse Therapie zielt darauf ab, Schmerzen zu lindern, die Abstände zwischen den Krankheitsschüben zu verlängern und das Fortschreiten der chronischen Hautkrankheit aufzuhalten. Für Patienten mit milder Ausprägung kommt gegebenenfalls eine topische Therapie mit antibiotischen oder desinfizierenden Wirkstoffen infrage.

Schwerere Verläufe erfordern eine systemische Behandlung. Um die Entzündung einzudämmen, kommen Antibiotika zum Einsatz. Bei mittelschweren und schwereren Formen der Akne inversa ist, wenn andere Therapien nicht den gewünschten Erfolg bringen und/oder nicht vertragen werden, zudem eine Behandlung mit Biologika möglich. Zur Erinnerung: Bei Biologika handelt es sich um biotechnologisch hergestellte Eiweißstoffe, die gezielt in bestimmte körpereigene Funktionen und Mechanismen eingreifen und zum Beispiel entzündungsfördernde Botenstoffe wie Zytokine abwehren beziehungsweise blockieren.

Seit Jahren für die Behandlung von mittelschweren und schweren Formen der Akne inversa zugelassen ist der Wirkstoff Adalimumab, ein monoklonaler Antikörper gegen den Tumornekrosefaktor-α (TNF-α-Blocker). Während der Therapie ermöglichen es regelmäßige Kon- trolluntersuchungen, den Behandlungserfolg zu überprüfen und Nebenwirkungen so gering wie möglich zu halten.

Studie: Absetzen überflüssig

Müssen Patienten mit Akne inversa das immunmodulierende, entzündungshemmende Biologikum Adalimumab vor einer erforderlichen Akne-inversa-Operation absetzen? Eine vierjährige Multicenterstudie unter Koordination von Professor Falk Bechara von der Dermatochirurgie in der Bochumer Universitätsklinik für Dermatologie ist dieser Frage nachgegangen. 45 Zentren in 20 Ländern waren an der Studie beteiligt.

Ergebnis: Das Absetzen von Adalimumab ist nicht notwendig! „Es ist sowohl vor als auch nach der Operation wirksam und gleichzeitig sicher“, so Bechara, Erstautor der Studie, deren Ergebnisse in der Fachzeitschrift JAMA veröffentlicht wurden. „Dies ist für schwer erkrankte Patienten ein Meilenstein, weil es den Heilungsverlauf verbessert.“

Ausweg Operation Bei akuten schmerzhaften Eiteransammlungen ist häufig eine chirurgische Entlastung erforderlich. Einzelne Abszesse können chirurgisch geöffnet, entleert und gespült werden. Ist das Gewebe bereits schwer zerstört und haben sich Fistelgänge und Narbenstränge gebildet, ist die chirurgische Entfernung erkrankter Hautpartien die Therapie der Wahl. Dabei hängt die Größe der Operationswunde maßgeblich vom Schweregrad und der Ausdehnung der Akne inversa ab.

Größere Wunden können nach dem Eingriff mithilfe einer Hauttransplantation abgedeckt werden. Die Wundheilung ist ein langwieriger Prozess, der mehrere Monate dauern kann. In der Praxis werden oft unterschiedliche Therapieformen miteinander kombiniert. So ist es beispielsweise häufig sinnvoll, Medikamente vor einer Operation gezielt einzusetzen, um das Entzündungsgeschehen einzudämmen und die erkrankten Hautareale zu verkleinern.

Wenn Akne inversa die Lebensqualität Betroffener stark beeinträchtigt, mit hohem Leidensdruck, Schamgefühlen, sozialem Rückzug und/oder depressiven Verstimmungen einhergeht, ist es ratsam, psychotherapeutische Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Auch der Austausch mit anderen Patienten in einer Selbsthilfegruppe kann die Seele entlasten.

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 06/2022 ab Seite 108.

Andrea Neuen, freie Journalistin

×