Verschiedene Inhalatoren:ein Sprühvernebler, ein Pulverinhalator und ein Dosieraerosol.© Evgeniya Pavlova/ iStock Getty Images Plus
Die meisten Patient*innen könnten problemlos von Dosieraersolen auf klimafreundliche Inhalatoren umgestellt werden - sagt die erste ärztliche Leitlinie, die sich mit Klimaschutz befasst.

Treibhausgas-Emissionen

KLIMABEWUSST INHALIEREN – LEITLINIENGERECHT

Wir müssen unseren CO2-Fußabdruck reduzieren, keine Frage. Neben großen Konzernen kann auch der Einzelne dazu beitragen. Eine neue Leitlinie zu Inhalatoren zeigt: Schon kleine Maßnahmen können enorm an Treibhausgasen einsparen.

Seite 1/1 3 Minuten

Seite 1/1 3 Minuten

Denken wir an Treibhausgase und deren Verursacher, fallen uns Ölkonzerne ein, Autohersteller, Unternehmen, die den Regenwald abholzen und vielleicht Fluggesellschaften. In Deutschland ist tatsächlich auch das Gesundheitswesen für rund fünf Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich (in England für vier, in den USA für zehn Prozent.)

Aus hausärztlicher Sicht sind Arzneimittelverordnungen dabei Übeltäter Nummer Eins, erst danach folgen die Mobilität der Patient*innen und des Personals sowie Heizungs-Emissionen. Hierzu tragen auch Inhalativa gegen Asthma oder COPD bei; etwa durch das Treibmittel in Dosieraerosolen. Sie machen beispielsweise 3,5 Prozent der Treibhausgasemissionen des gesamten britischen Gesundheitssystems aus.

Treibgase in Dosieraerosolen schädlicher als Kohlendioxid

Nachdem Fluorchlorkohlenwasserstoffe weitgehend verboten wurden, weil sie die Ozonschicht zerstören, werden seit 1989 vor allem Flurane verwendet – starke Treibhausgase. Das Potenzial einer Substanz, die Erdatmosphäre zu schädigen und den Planeten zu erwärmen, gibt man im Vergleich zu CO2 an. Während Kohlendioxid also ein Global Warming Potential (GWP) von 1 hat, liegt das GWP des in den meisten Dosieraerosolen verwendeten Norflurans bei 1430, das des seltener genutzten Apaflurans sogar bei 3220.

Pulverinhalatoren hingegen geben den Wirkstoff ab, wenn der Anwender kräftig einatmet – ganz ohne Treibgas. Dennoch machen Dosieraerosole in Deutschland aktuell 48 Prozent aller verordneten Inhalativa aus, knapp die Hälfte davon das kurzwirksame Notfallmittel Salbutamol.

Klimawandel und Krankheit – ein Kreislauf?
Arzneimittel zur Inhalation werden vor allem bei Asthma und chronisch obstruktiver Bronchitis (COPD) eingesetzt. Gerade Betroffenen dieser Lungenerkrankungen sollte daran gelegen sein, dem Klimawandel entgegenzuwirken. Denn der Klimawandel und seine Ursachen, etwa die Feinstaubbelastung, begünstigen die Erkrankungen. Das wiederum führt zu mehr Inhalativa-Verordnungen, die wiederum zu mehr Treibhausgas-Emissionen, …

Klimaschutz bei der Verordnung und Abgabe berücksichtigen

Aktuell richten Ärzt*innen sich bei der Verordnung von inhalativen Arzneiformen vor allem an der Handhabung und der Atemtechnik. Beispielsweise können Kinder unter fünf Jahren, Lungenerkrankte in verschlimmerten Krankheitsphasen oder im akuten Asthmaanfall das Atemmanöver nicht ausführen, das bei einem Pulverinhalator nötig ist – sie nutzen dann meist ein Dosieraerosol mit Spacer. Die meisten anderen Betroffenen könnten aber gut auf klimafreundliche Alternativen umgestellt werden, schreibt die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM).

Denn die DEGAM hat eine S1-Leitlinie veröffentlicht, die dabei helfen soll, Inhalativa-Verordnungen klimafreundlicher zu gestalten. Es ist die erste Leitlinie, die das Verschreibungsverhalten in Verbindung mit dem Klimawandel thematisiert.  Dr. Guido Schmiemann, federführender Autor, erklärt: Mit dieser neuen Leitlinie möchten wir den Hausärztinnen und Hausärzten valide Informationen zur Verfügung stellen, damit sie in der Praxis eine klimabewusste Entscheidung treffen können.“ Eine randomisierte Studie zeigt, dass dies zwar den Treibhausgasausstoß substanziell verringert, die Asthmakontrolle der Anwenderinnen und Anwender darunter aber nicht leidet.

Vor allem nimmt die Leitlinie also Ärztinnen und Ärzte in die Pflicht, ihre Patient*innen auf Pulverinhalatoren umzustellen und diese generell bevorzugt zu verordnen. Sie fordert aber auch Sie in den Apotheken auf, wann immer Sie die Wahl haben (also wenn die Rabattverträge es zulassen und die Präparate vergleichbar sind), eher Pulverinhalatoren als Dosieraerosole anzugeben, und wenn es ein Dosieraerosol sein muss, dann lieber eines mit Norfluran statt Apafluran als Treibgas.

Ist die CO2-Ersparnis wirklich so groß?

Die Leitlinie stellt veranschaulichend die Einsparmöglichkeiten verschiedener Aktionen gegenüber, gemessen in Kilogramm Kohlendioxid (kg CO2).

  • eine Buche pflanzen: 12,5 kg CO2 pro Jahr
  • weniger Auto fahren: 20 kg CO2 pro 100 Kilometer
  • Flugreisen unterlassen: 211,3 kg pro 1000 Kilometer
  • Vegetarier*in werden: 440 kg CO2 pro Jahr
  • Vom Dosieraerosol zum Pulverinhalator wechseln: 455 kg CO2 pro Jahr (bei 2 Hub pro Tag)

Quellen:
https://www.degam.de/files/Inhalte/Leitlinien-Inhalte/Dokumente/DEGAM-S1-Handlungsempfehlung/053-059_%20Klimabewusste%20Verordnung%20von%20Inhalativa/053-059l_S1%20Klimabewusstes%20VO%20Inhalativa_16-05-2022.pdf
https://idw-online.de/de/news798069
https://www.quarks.de/umwelt/klimawandel/co2-rechner-fuer-auto-flugzeug-und-co/

×