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Toxisches Schocksyndrom

TOD DURCH TAMPONS?

Das TSS ist eine lebensbedrohliche Krankheit, die durch Bakterientoxine ausgelöst wird. Tampons spielen dabei häufig eine Rolle, aber auch Diaphragmen oder Vaginalschwämme.

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Gegen die Hersteller von Tampons kam es in den 1980er-Jahren in den USA zu einer Vielzahl von Schadenersatzklagen. Ursache hierfür waren eine Reihe von schweren Erkrankungen und Todesfällen durch das Toxische Schocksyndrom , die mit der Markteinführung neuer, hochsaugfähiger Tampons in Verbindung gebracht wurden. Dabei konnte gezeigt werden, dass diese Tampons durch den langen Verbleib in der Scheide zu Brutstätten für bestimmte Bakterien wurden, deren Giftstoffe nach dem Eindringen in den Körper einen septischen Schock auslösten.

Auch wenn solche Produkte mittlerweile vom Markt genommen wurden, findet sich daher auch heute noch auf jeder Tamponverpackung ein Gefahrenhinweis auf TSS. Dass diese Warnung nach wie vor berechtigt ist, zeigt der Fall eines 14-jährigen Mädchens in Wales, das 2013 einem Toxischen Schocksyndrom erlag, als es zum ersten Mal Tampons benutzte.

Erreger nur bei Wunden gefährlich Das menstruelle TSS wird meist von Bakterien des Stammes Staphylococcus aureus ausgelöst, seltener von Streptokokken. Beide Erreger finden sich überall in der Umwelt, also auch auf der menschlichen Haut und den Schleimhäuten. Ist die Hautbarriere intakt, sind die Keime ungefährlich. Bietet sich jedoch eine Eintrittspforte, wie etwa eine Wunde in der Vaginalschleimhaut, können die Bakterien in den Körper vordringen und dort lebensgefährliche Infektionen verursachen.

Beide Erreger sondern dabei giftige Stoffwechselprodukte (Exotoxine) ab, so etwa das Toxic-Shock-Syndrom-Toxin-1 (TSST-1) bei Staphylococcus aureus. Diese speziellen Proteine (Superantigene) aktivieren im Körper deutlich mehr Abwehrzellen (T-Zellen), als es bei einer normalen Immunreaktion der Fall wäre. Diese setzen wiederum große Mengen entzündungsfördernder Botenstoffe (Zytokine) frei, die dann eine übermäßige, unkontrollierte Immunreaktion auslösen. Sie breitet sich im ganzen Körper aus und greift dabei auch die Organe und Gefäße des Körpers an. Es kommt zu einem septischen Schock und im schlimmsten Fall zum Tod durch Multiorganversagen.

Unspezifische Symptome Die Beschwerden des durch Staphylococcus aureus ausgelösten TSS zeigen sich plötzlich und heftig mit hohem Fieber, Blutdruckabfall und Herzrasen. Typisch ist der sonnenbrandähnliche, großflächige Hautausschlag. Weitere mögliche Symptome umfassen Magen-Darm-Probleme, schmerzende Muskeln oder Schwindelanfälle und Ohnmachten.

SELTENE KRANKHEIT
Pro Jahr erkranken etwa zehn von zwei Millionen Menschen am TSS. Die Hälfte davon sind menstruierende Frauen, da beim Einführen von Tampons die Verletzungsgefahr der Vaginalschleimhaut sehr hoch ist und Staphylococcus aureus natürlicherweise in der Scheide vorkommt. Neben Tampons gelten jedoch auch andere Produkte als riskant, die man für längere Zeit in der Scheide trägt, wie etwa Diaphragmen oder Vaginalschwämme.

Da nicht alle Symptome auftreten müssen, kann das TSS mit anderen Infektionen, wie einem grippalen Infekt, verwechselt werden. Ein bis zwei Wochen nach Ausbruch der Symptome schälen sich die betroffenen Hautstellen, vor allem in den Handflächen oder unter den Füßen. Zu dieser Zeit können auch Nieren und Leber schon geschädigt sein und es kann zu Bewusstseinstrübungen kommen.

Wird TSS durch Streptokokken ausgelöst (STSS), können noch weitere Komplikationen auftreten, wie Atembeschwerden, Blutgerinnungsstörungen oder Gewebsnekrosen. Unbehandelt liegt die Letalität von TSSPatienten bei bis zu 50 Prozent. Selbst unter Therapie sterben immer noch zwei bis elf von hundert Betroffenen. Neben der Infektion über die Scheide können die Bakterien auch andere Eintrittspforten wie Hautwunden oder sogar Insektenstiche nutzen. Ein solches nicht-menstruelles TSS kann somit bei beiden Geschlechtern und in allen Altersgruppen vorkommen.

Am häufigsten erkranken jedoch Menschen zwischen 20 und 50 Jahren daran. Das ist erstaunlich, da Infektihauptsächlich bei Menschen mit schwachem Immunsystem, wie Senioren oder Kleinkindern, auftreten.

Schnelles Handeln nötig Die US-amerikanischen Zentren für Krankheitskontrolle und Prävention (CDC) haben Kriterien erstellt, die ein Toxisches Schocksyndrom definieren. Dazu gehören:

  • Fieber von mehr als 38,9 °C
  • Niedriger Blutdruck mit Schwindel- und/oder Ohnmachtsanfällen
  • Hautausschlag, der sich ein bis zwei Wochen nach Krankheitsausbruch schält
  • Schädigung von mindestens drei der folgenden Organsysteme: Magen-Darm-Trakt (mit Übelkeit, Erbrechen, Durchfall), Nieren (verringerte Urinbildung oder hoher Kreatininspiegel), Muskelapparat (starke Muskelschmerzen), Leber (eingeschränkte Funktion), Blut (Neigung zu Hämatomen), zentrales Nervensystem (Bewusstseinstrübungen), Schleimhäute (starke Rötung).

Bei den vorgenannten Symptomen ist ein TSS wahrscheinlich, vor allen Dingen bei menstruierenden Frauen. Der Arzt kann mithilfe eines Abstrichs die Bakterien nachweisen, ein Bluttest gibt Aufschluss darüber, ob Antikörper gegen TSST-1 gebildet wurden. Früh genug erkannt, kann das TSS gut mit einem Breitbandantibiotikum behandelt werden. Mittel der Wahl sind Cephalosporine der zweiten Generation oder Amoxicillin, in einigen Fällen auch Immunglobuline.

Die Behandlung erfolgt stationär im Krankenhaus, meist auf der Intensivstation, um für Komplikationen gerüstet zu sein. Zur Therapie gehören immer kreislaufstabilisierende Infusionen und fiebersenkende Medikamente. Je nach Beeinträchtigung der Organe können auch Dialyse, die Gabe von Blutpräparaten oder künstliche Beatmung notwendig werden.

Wiederholungstäter Wer einmal ein TSS hatte, besitzt ein erhöhtes Risiko, es nochmals zu bekommen. Wissenschaftler gehen davon aus, dass es Menschen gibt, die nicht über genügend Antikörper verfügen und die dadurch anfälliger für das TSS sind. Vorbeugen können Ihre Kundinnen durch gute Handhygiene und das Benutzen von Tampons mit Einführhilfe.

Die Tampons sollten zudem häufig gewechselt werden, denn je länger sie in der Scheide bleiben, umso stärker können sich die Bakterien vermehren. Nachts oder in längeren Phasen, in denen nicht gewechselt werden kann, sollten daher besser Binden benutzt werden. Stellen Ihre Kundinnen während der Regelblutung ungewöhnliche Symptome fest, sollten sie den Tampon sofort entfernen und einen Arzt aufsuchen, denn ein TSS kann sich innerhalb kurzer Zeit verschlimmern.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 06/14 ab Seite 78.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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