Thrombozyt© royaltystockphoto / iStock / Getty Images

Blutwerte

THROMBOZYTEN

Ohne Thrombozyten würden wir verbluten, denn sie agglomerieren am verletzten Gefäß und unterstützen so den Wundverschluss. Doch ein Zuviel oder Zuwenig an Blutplättchen kann gefährliche Folgen haben.

Seite 1/1 4 Minuten

Seite 1/1 4 Minuten

Thrombozyten bilden neben den Erythrozyten und Leukozyten die dritte Gruppe von Blutzellen, wobei sie mit einem Durchmesser von 1,5 bis 3 Mikrometer die kleinsten sind. Sie sind eigentlich scheibenförmig, daher auch der umgangssprachliche Name „Blutplättchen“. Werden sie bei der Blutgerinnung aktiviert, verändern sie jedoch ihre Form durch das Ausstülpen von Scheinfüßchen (Pseudopodien) und sie ähneln dann eher stacheligen Kugeln.

Diese Form weist eine wesentlich größere Oberfläche auf und erleichtert so den Wundverschluss und damit die Blutstillung (Hämostase) – die Hauptaufgabe der Thrombozyten. Wird ein Gefäß verletzt, lagern sich Blutplättchen an die Wunde an und verschließen sie provisorisch. Dieser „Flicken“ wird dann durch Fibrin-Fäden weiter verstärkt und verschlossen – ein Prozess, der durch die sukzessive Aktivierung der verschiedenen Gerinnungsfaktoren im Blut ausgelöst wird. Bei der Wundheilung geben Thrombozyten dann Wachstumsfaktoren ab, sodass neue Zellen gebildet werden.

Ist die Wunde komplett verschlossen, wird der Pfropf (Thrombus) schließlich aufgelöst und abgebaut. Die Hämostase ist eine lebenswichtige Funktion, deswegen wird der Thrombozytenwert im kleinen Blutbild routinemäßig bestimmt. Er liegt bei einem gesunden Menschen zwischen 150 000 und 450 000 Blutplättchen pro Mikroliter Blut. Vor allem vor Operationen schaut man sich diesen Parameter genauer an, damit es nicht zu Komplikationen kommt.

Entstehung im Knochenmark Thrombozyten entwickeln sich im roten Knochenmark aus dem Hämozytoblast. Das Hormon Thrombopoetin (THPO) veranlasst ihn zur Teilung in einen neuen Hämozytoblasten und eine Vorläuferzelle, aus der über Megakaryoblasten und Megakaryozyten schließlich Blutplättchen entstehen. Sie schnüren sich wie kleine Ballons vom Plasma der Megakaryozyten, der Knochenmarksriesenzellen, ab. Die fertigen Thrombozyten verfügen somit über eine Membran, aber keinen eigenen Zellkern. Daher müssen sie ständig neu gebildet werden, denn sie überleben nur acht bis zwölf Tage. Durch krankhafte Prozesse können sich im Blut jedoch zu viele, zu wenige oder auch nicht funktionsfähige Thrombozyten befinden.

Thrombozyten im Übermaß Finden sich zu viele, also mehr als 450 000/µl im Blut, spricht man von einer Thrombozytose. Diese kann entweder genetisch bedingt sein oder – weitaus häufiger – als Reaktion auf eine andere Störung auftreten. Die Ursachen für eine solche reaktive Thrombozytose sind vielfältig, wie etwa ein hoher Blutverlust nach einem Unfall oder einer Operation oder ein längerfristiger Eisenmangel. Aber auch eine chronisch-entzündliche Erkrankung wie zum Beispiel Morbus Crohn kann die Thrombozytenzahl im Blut in die Höhe schießen lassen, ebenso wie eine Chemotherapie. Besteht der Verdacht auf eine systemische Entzündung, ist meist auch der Wert des Botenstoffs Interleukin-6 erhöht.

Zu einer Thrombozytose kommt es klassischerweise auch nach der Entfernung der Milz (Splenektomie), da die Blutplättchen hauptsächlich dort abgebaut werden. Im schlimmsten Fall weist die Thrombozytose auf bösartige Tumoren oder Knochenmarkserkrankungen wie die essenzielle Thrombozythämie hin. Diese seltene genetisch bedingte Erkrankung muss in Betracht gezogen werden, wenn alle anderen Ursachen ausgeschlossen wurden. Sie ist noch nicht vollständig erforscht, jedoch wurden bisher zwei Genmutationen ausgemacht, die dazu führen, dass sich die Stammzellen der Thrombozyten unkontrolliert teilen.

Diese Störung verursacht anfangs neben leichten Durchblutungsstörungen kaum Symptome und wird meist recht früh bei einem routinemäßigen kleinen Blutbild erkannt. Ein Drittel aller Betroffenen erhält die Diagnose allerdings, ohne je Symptome gehabt zu haben. Eine Thrombozytose ist meist nicht akut gefährlich, sollte aber abgeklärt und beobachtet werden, denn auf Dauer kann sie zu Arteriosklerose und Thrombosen führen und damit Schlaganfälle, Embolien und Herzinfarkte auslösen.

Notfall Thrombozytenmangel Liegt die Zahl der Thrombozyten im Blut unter 150 000/µl, spricht man von einer Thrombozytopenie. Zu diesem Mangel kommt es entweder, weil zu viele Thrombozyten verbraucht oder zu wenige neu produziert werden. Klinisch relevant wird eine Thrombozytopenie ab Werten unter 80 000/µl, bei 50 000/µl treten bereits spontane Blutungen auf. Unterschreitet die Zahl der Blutplättchen 10 000/µl besteht Lebensgefahr, die eine umgehende intensivmedizinische Thrombozyten-Transfusion erforderlich macht. Generell ist eine Thrombozytopenie gefährlicher als eine Thrombozytose, denn sie kann auf viele schwerwiegende Krankheiten hinweisen und akut lebensbedrohlich sein, zum Beispiel bei inneren Blutungen.

Einige Medikamente wie Blutverdünner oder Ibuprofen können die Thrombozytenzahl ebenfalls vorübergehend verringern, sie normalisiert sich nach Absetzen der Medikamente aber wieder. Genauso verhält es sich mit Mangelerscheinungen als Ursache, zum Beispiel von Vitamin B12 oder Folsäure. Wird die Thrombozytopenie durch Infekte ausgelöst, kommt es auf die Grunderkrankung an, denn ein Helicobacter pylori-Befall lässt sich leichter therapieren als etwa eine Malaria. Bei Schwangeren sinkt die Thrombozytenzahl natürlicherweise im ersten Trimester, ein verschobener Wert kann aber auch auf eine Präeklampsie hindeuten. Thrombozytopenie kann auch ein Symptom einer Leberzirrhose, einer vergrößerten Milz oder Leukämien sein. Ein Blutplättchenmangel ist daher immer ernst zu nehmen und sollte sofort weitergehend abgeklärt werden.

Funktionsstörung – zufällig oder gewollt Eine Thrombozytopathie liegt vor, wenn die Blutplättchen ihrer Aufgabe nicht nachkommen können, obwohl ihre Konzentration im Blut normal ist. Sie sind dann nicht in der Lage, einen Thrombus zu bilden, um Wunden zu verschließen. Diese Funktionsstörungen können genetisch veranlagt sein, was für die Betroffenen insbesondere bei Operationen eine große Gefahr darstellt. Um das Risiko zu reduzieren, erhalten sie daher zuvor meist Thrombozytentransfusionen sowie Medikamente, welche die Bildung von Gerinnungsfaktoren fördern. Eine Thrombozytopathie kann jedoch auch durch Leber- oder Nierenerkrankungen sowie manche Medikamente wie Entzündungshemmer oder Antibiotika ausgelöst werden.

Manchmal wird die medikamentöse Thrombozytopathie aber absichtlich herbeigeführt, nämlich bei Patienten, bei denen die Gefahr einer Thrombose besteht. Blutverdünnende Medikamente können hier das Risiko für Schlaganfälle, Embolien und Herzinfarkte verringern. Doch ihr Einsatz birgt auch Risiken: Zu viel, und es kann zu inneren Blutungen kommen, zu wenig, und das Risiko für Thrombosen bleibt erhöht.

Daher wird bei Patienten, die regelmäßig Blutverdünner einnehmen, labortechnisch der INR-Wert bestimmt. Er bezieht sich auf die Gerinnungszeit, ein INR kleiner oder gleich 1 gilt dabei als normal. Liegt der INR-Wert, obwohl keine blutverdünnenden Medikamente eingenommen werden, deutlich über 1, kann das auf einen Vitamin-K-Mangel oder Leberschäden hinweisen. Somit ist der INR-Wert, der auf der Wirkweise der Thrombozyten fußt, selbst ein wertvoller labordiagnostischer Wert.

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 06/2021 ab Seite 70.

×