Tabletten und Kapseln in der Hand.© Stas_V / iStock / Getty Images Plus
Im Alter erschwert Mundtrockenheit (Xerostomie) zusätzlich den Schluckvorgang.

Therapietreue in Gefahr

PATIENTEN MIT SCHLUCKBESCHWERDEN SENSIBEL BERATEN

Wer unter einer Dysphagie leidet, braucht besondere Unterstützung bei der Arzneimitteleinnahme. Stehen Sie diesen Kunden mit Rat und Tat zur Seite, denn viele nehmen ihre Tabletten oder Kapseln sonst nicht ein.

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Einfach schlucken? So einfach ist das für viele Menschen nicht. Dabei schlucken wir bis zu 3000 Mal pro Tag – Dank einer Kombination aus willkürlicher Vorbereitung und dem unwillkürlichen Schluckreflex. 

Die Fähigkeit zu schlucken, ist eine unverzichtbare Voraussetzung für die Zufuhr von Nahrung. Aber auch, um die Anwendung peroraler Arzneiformen zu gewährleisten.

Was ist Dysphagie?

Dysphagie beschreibt jede Art von Schluckstörung. Korrekt ist damit gemeint, dass Menschen schmerzlose Probleme beim Schluckvorgang haben, die dazu führen, dass Nahrung oder Flüssigkeit nicht mehr richtig durch die Speiseröhre zum Magen transportiert werden können. Betroffen sind 

  • Kinder mit entwicklungsbedingten Schluckproblemen bei Nicht-Nahrungsmitteln,
  • Erwachsene mit Schluckbeschwerden bei Nicht-Nahrungsmitteln ohne pathologische Veränderungen am Schluckapparat,
  • Patienten mit Erkrankungen, die den Schluckapparat beeinträchtigen, zum Beispiel bei Kehlkopfkrebs und
  • alte Menschen mit altersbedingten Schluckproblemen. 

Im Alter kommen die generelle Mundtrockenheit (Xerostomie) und zusätzlich durch Medikamente hervorgerufene Xerostomie als Hindernis hinzu.

Dysphagie im Apothekenalltag

Die Befürchtung „Hoffentlich ist die Tablette nicht zu groß“ ist in Apotheken öfter zu hören. Insbesondere Kinder bis zum Schulalter verweigern häufig die Einnahme von Tabletten, weil sie Probleme beim Schlucken haben.

Größere Tabletten lösen einen Würgereiz aus. Aus diesem Grund gibt es Antibiotika und Antipyretika für Kinder als Säfte, die bereitwilliger eingenommen werden. 

Auch ein Problem: Verschlucken Patienten mit Morbus Parkinson oder Demenz entwickeln beim Fortschreiten der Erkrankung zunehmend Schluckbeschwerden, die auch zu einer Aspiration mit Pneumonie führen können. Hier ist es vorteilhaft, Granulate in visköse Getränke oder angedickte Flüssigkeiten einzurühren, damit Senioren sich nicht verschlucken.

In der Allgemeinbevölkerung über 55 Jahre wird eine Dysphagieprävalenz von etwa 20 Prozent vermutet. Das bedeutet, dass jeder Fünfte Probleme beim Schlucken hat.

Untersuchungen haben gezeigt, dass diejenigen, die ihre Tabletten nicht richtig schlucken können, sie entweder gar nicht nehmen, sie zerkleinern, teilen oder Hartkapseln entleeren. Doch dies gefährdet den Therapieerfolg.

Betreuung in der Apotheke

Fragen Sie bei der Beratung von Risikopatienten, wie sie ihre Medikamente einnehmen. 

  • Wie kommen Sie mit der Tabletteneinnahme zurecht?
  • Wie nehmen Sie Ihre Kapseln ein?
  • Können Sie Ihre Medikamente gut schlucken? 

Wenn ein echtes Adhärenz-Problem festgestellt wird, sollte auch der Arzt darüber informiert werden. Es muss mit dem Patienten zusammen eine Lösung gefunden werden. 

Individuelle Lösungen

Ein Weg trotz Schluckproblemen die Situation zu verbessern, ist eine andere Darreichungsform – zum Beispiel Tropfen, Saft, Zäpfchen, Granulat oder Pflaster auszuwählen.

Hierbei ist zu beachten, die Tages- und Einzeldosen umzurechnen. In der Regel ist es nötig, mit dem Arzt dazu Rücksprache zu nehmen. Ein im Vorfeld erarbeiteter Vorschlag, wie zum Beispiel mit Tropfen die gleiche Dosis erreicht werden kann wie mit der bisherigen Tablettengabe, erleichtert die Kommunikation.

Allgemeiner Tipp: Die richtige Schlucktechnik Generell sollte Kunden die richtige Schlucktechnik vermittelt werden. Viele Patienten neigen den Kopf weit in den Nacken. In dieser Stellung resultiert jedoch eine Verengung des Ösophaguseingangs, wodurch die Schwierigkeiten des Schluckens noch weiter verstärkt werden. Beim Schlucken einer Kapsel sollte der Patient die Kapsel zunächst auf die Zunge legen, dann einen großen Schluck Wasser aufnehmen, ohne ihn sofort zu schlucken. Dann neigt er den Kopf nach vorne und schluckt aus dieser Position. Die Kapsel wird dann zum höher liegenden Zungengrund transportiert und löst reflektorisch den Schluckakt aus. Ein weiterer Schluck Wasser kann dann zum Spülen nachgetrunken werden.

Eine andere Möglichkeit ist es, eine Schluckhilfe in Form eines hochviskosen Überzugs über eine Kapsel oder Tablette zu ziehen, um die Schluckbarkeit rauer Oralia zu verbessern. Solche Überzüge überdecken auch den Geschmack, wenn geteilte Tabletten als bitter und unangenehm empfunden werden. 

Hilfsmittel fürs Schlucken

Trinkbecher und flexible Plastikflaschen können beim Schlucken von Peroralia von Nutzen sein. Der Tabletten-Flaschen-Trick funktioniert folgendermaßen: 

  • Eine flexible Plastikflasche wird mit stillem Wasser gefüllt.
  • Die Öffnung darf nicht zu eng sein, damit das Wasser gut eingesaugt werden kann.
  • Die Tablette wird auf die Zunge gelegt, die Flaschenöffnung fest mit den Lippen umschlossen, sodass keine Luft in die Flasche strömen kann.
  • Dann wird ein kräftiger Schluck aus der Flasche gesaugt, wobei ein Vakuum entsteht.
  • Das Wasser wird bei leicht nach hinten geneigtem Kopf sofort geschluckt und die Tablette wird mitgespült. 

Für Patienten mit krankheitsbedingten Schluckstörungen, zum Beispiel nach einem Schlaganfall, eignet sich diese Technik allerdings nicht. Hier können andere Tipps helfen.

Grundsätzlich sollten Tabletten in aufrechter Haltung und mit ausreichend Flüssigkeit eingenommen werden, also einem vollen 200-Millilter-Glas. 

Weitere Informationen

Unter www.geriasan.de finden sich zahlreiche Informationen zum Thema Dysphagie, unter anderem zu empfehlenswerten Lebensmitteln, zur Medikamenteneinnahme, zu empfehlenswerten Haltungs- und Schluckpositionen, einen Lehrfilm über Dysphagie und Links zu Informationsmaterial. www.geriasan.de ist eine Internetpräsenz der InfectoPharm Arzneimittel und Consilium GmbH für Patienten, Pflegepersonal und Fachkreise zum Thema Schluckstörungen.

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