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Wundversorgung

DIE ZEIT HEILT NICHT ALLE WUNDEN

Bei der Wundheilung gibt es verschiedene Stadien. Verletzungen sollten stets phasengerecht versorgt werden. Das Feuchthalten von Wunden gilt heute als Heilungs-Standard.

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Beim Sport ist es schnell passiert: Ein Sturz und das Knie ist aufgeschlagen und blutet. Auch Haushaltsunfälle sind nicht selten und gehen gelegentlich mit Schnittverletzungen einher. Im Gegensatz zu chronischen Wunden gelten kleinere Verletzungen (wie Schnitt-, Schürf-, Platz- oder Stichwunden) als harmlos. Definitionsgemäß handelt es sich dabei um eine Unterbrechung des Zusammenhangs von Geweben mit oder ohne Substanzverlust – es ist also eine „Lücke“ in der Haut entstanden. Der Organismus ist meist in der Lage, den Schaden selbstständig wieder zu reparieren, in der Regel dauert die Heilung etwa drei Wochen. Liegen tiefe Wunden oder gar Bissverletzungen vor, die stark bluten oder verschmutzt sind, sollten Betroffene einen Arzt aufsuchen. Auch Verbrennungen und Verbrühungen gehen mit schweren Wunden einher.

Meist ereignen sich die Verletzungen im Haushalt, etwa mit dem Bügeleisen, mit heißem Wasser oder beim Grillen. Verbrennungen können allerdings auch durch Reibung (beim Rutschen mit nackter Haut auf trockenen Rutschbahnen), bei Berührung mit extrem kalten Objekten sowie durch Stromunfälle entstehen. Der Schweregrad einer Verbrennung ergibt sich aus der Größe und Tiefe der Wunde und hängt darüber hinaus vom Allgemeinzustand des Patienten ab. Verbrennungen ersten Grades zeigen sich durch Rötungen, Juckreiz, Schwellungen und Erwärmung. Kommt es zusätzlich zur Blasenbildung, spricht man von einer Verbrennung zweiten Grades. Zellschädigungen treten bei Verbrennungen dritten Grades auf (Nekrose), während bei Verbrennungen vierten Grades alle Hautschichten sowie die darunterliegenden Knochen betroffen sind (Verkohlung).

Verbände aller Art Es gibt zahlreiche verschiedene Wundauflagen, die man in aktive, interaktive oder passive Formen unterteilt. Aktive Verbände regen die Zellen an, welche für den Heilungsprozess verantwortlich sind. Sie können eine Protease stimulierende Matrix, Wachstumsfaktoren, Antiseptika oder Antibiotika enthalten und fallen daher nicht unter die Medizinprodukte, sondern unter die Arzneimittel. Interaktive Wundauflagen begünstigen durch ihr optimales feuchtes Milieu die Wundheilung. Sie gewährleisten aufgrund ihrer Semipermeabilität den Gasaustausch und sind weder für Keime noch für Flüssigkeiten durchlässig.

Zu dieser Gruppe gehören Hydrokolloide, Hydropolymere, Alginate oder Schaumstoffe. Passive Wundverbände (Wundschnellverbände, Verbandsmull, Kompressen) dienen dazu, die Verletzung vor Keimen, Schmutz oder Druck zu bewahren. Sie sollten möglichst saugfähig sein, um Sekretüberschüsse zu binden. Durch den Einsatz von Watte oder Zellstoff lässt sich die Saugkraft zusätzlich steigern. Um das Risiko des Verklebens mit der Wunde zu verringern, kann man die Kompressen regelmäßig mit Ringerlösung befeuchten, allerdings nimmt ihre Saugkraft dadurch ab. Alternativen sind hydrophobe synthetische Auflagen oder Salbenkompressen, die zwischen Wunde und saugendes Material gelegt werden.

Drei Stadien Voraussetzung für die Wundheilung ist ausreichend gesundes, gut durchblutetes Gewebe. In der Reinigungsphase, auch Exsudations-, inflammatorische oder Entzündungsphase genannt, spült die Wunde durch die Produktion von Wundsekret Krankheitserreger, Zelltrümmer und Schmutzpartikel aus und bildet dadurch die Basis für den Aufbau neuer Zellen. Die Phase setzt sofort nach der Blutgerinnung ein und dauert ungefähr ein bis vier Tage an. Währenddessen wandern Leukozyten in das Gebiet ein und beseitigen Mikroorganismen und Verunreinigungen durch Phagozytose. An diesem Prozess in der Reinigungsphase sind demnach Zellen und Hormone des Immunsystems maßgeblich beteiligt. Auch die Gefäßneubildung wird in der Exsudationsphase eingeleitet.

In der zwischen zwei und 14 Tagen anhaltenden Granulationsphase entwickelt sich ein empfindliches „Ersatzgewebe“, welches die Wunde auffüllt. Vom dritten bis zum 21. Tag vollzieht sich im Rahmen der reparativen oder Epithelisierungsphase der endgültige Wundverschluss, der zu einem Drittel durch Schrumpfung und zu zwei Dritteln durch Neubildung von Narbengewebe zustande kommt. Die betroffene Haut zieht sich von den Rändern an zusammen und es entstehen Epithelzellen, welche kontinuierlich die verletzte Stelle überziehen. Die drei verschiedenen Wundheilungsphasen laufen nicht unbedingt getrennt ab, sondern können sich zeitlich überlappen.

Bei chronischen Wunden ist der normale zeitliche Ablauf gestört. Der Verlauf kann sich über Monate bis Jahre hinziehen, ohne dass die Wunde tatsächlich heilt.

Selbstmedikation möglich Oberflächliche Wunden können mit topischen Arzneimitteln behandelt werden. PTA und Apotheker sollten Kunden mit kleinen Verletzungen desinfizierende Salben empfehlen: Polyvidon-Jod-Zubereitungen bekämpfen bestimmte Bakterien und Pilze, bei längerer Einwirkzeit auch verschiedene Viren und Sporen. Sie werden in der Wundbehandlung bei Schnitt- und Schürfwunden sowie bei Druck- und Unterschenkelgeschwüren eingesetzt. Die Wirksamkeit der Substanz beruht auf dem Element Jod, welches auf der Haut freigesetzt wird. Povidon-Jod ist vor allem im sauren Milieu, das bei Wunden vorliegt, wirksam. Zusätzlich haben sich Salben mit dem Wirkstoff Dexpanthenol zur Unterstützung der Granulation der Wunde bewährt.

Die Substanz aktiviert die Zellteilung, fördert die Produktion neuer Hautzellen und beschleunigt auf diese Weise die Wundheilung. Dexpanthenol, auch als Provitamin B5 bezeichnet, wird in den Zellen in Panthothensäure (Vitamin B5) umgewandelt. Mit dessen Hilfe kann die Haut mehr Wasser binden und wird mit Feuchtigkeit versorgt. Der Wirkstoff Dexpanthenol darf nicht direkt auf eine (vielleicht noch blutende) Wunde aufgetragen werden. Erst wenn sich eine Kruste ausgebildet hat, ist die Anwendung sinnvoll. PTA und Apotheker sollten bei der Beratung darauf achten, bei kleinen Verletzungen ein Präparat zu empfehlen, welches über antibakterielle Eigenschaften verfügt. Lokale Antiseptika wie Polyvidon (PVP)-Iod, Octenidin- und Polyhexanid-basierte Mittel können zur Reduzierung schädlicher Keime in der Wundbehandlung eingesetzt werden. PVP-Iod wirkt innerhalb von 30 Sekunden, der Effekt bleibt solange bestehen, wie die Anwesenheit von Iod durch die Braunfärbung angezeigt wird.

Octenidin entfaltet seine Wirkung innerhalb von 30 Sekunden bis fünf Minuten, der Wirkstoff ist sehr gut verträglich. Polyhexanid ist ebenfalls sehr gut verträglich und kommt daher bei chronischen und empfindlichen Wunden zum Einsatz, der Effekt tritt nach fünf bis 20 Minuten ein. Lokale Antibiotika auf Wunden haben den gravierenden Nachteil, dass sie durch die Ausbildung von Resistenzen die Selektion mehrfach resistenter Keime fördern. Empfehlenswert ist die Verwendung von Antimikrobiellen Peptiden (AMP), welche durch die effektive Keimreduzierung sowie durch ihre wundheilungsfördernden Eigenschaften überzeugen. Die Substanz Tyrothricin ist das einzige in Deutschland zugelassene AMP zur Selbstmedikation von kleinen, oberflächlichen, infizierten Wunden. Bei dem Wirkstoff handelt es sich um ein Polypeptidgemisch, welches sich zu 20 bis 30 Prozent aus neutralem Gramicidinen und zu etwa 70 bis 80 Prozent aus basischen Tyrocidinen zusammensetzt.

Durch die Erschaffung von Kanälen gelangen Stickstoff- und Phosphat-haltige Substanzen (wie Aminosäuren oder Phosphate) aus der Bakterienzelle heraus. Gramicidin ist an der Bildung Kationen-leitender Kanäle beteiligt, folglich können Kalium aus und Natrium in die Zelle strömen. Die Kombination von Gramicidin und Tyrocidin führt somit durch die Störung der Zellmembran sowie des osmotischen Gleichgewichts zum Ausschalten der Erreger.

Kompetente Beratung Es ist außerdem abzuklären, ob es sich um eine offene oder geschlossene Wunde handelt: Fetthaltige Salben und Cremes sind bei offenen Wunden a a kontraindiziert, weil sie diese verschließen können (Okklusion). Besser sind fettfreie Grundlagen wie zum Beispiel Hydrogele, die sich sowohl für offene als auch für geschlossene Wunden eignen, da sie den Gasaustausch mit der Umwelt gewährleisten. Ein weiterer wichtiger Aspekt für das Beratungsgespräch ist die aktuelle Phase der Wundheilung, die von Laien allerdings nicht zuverlässig einzuschätzen ist. Um Ihren Kunden Sicherheit zu bieten, sollten Sie ein Präparat empfehlen, welches über alle drei Wundheilungsphasen hinweg verwendbar ist: Hydrogele sind wegen ihrer universellen Einsetzbarkeit eine gute Wahl, dagegen dürfen Wundsalben lediglich in der letzten Phase gebraucht werden. Fragen Sie auch, für wen das Präparat gedacht ist, denn nicht jedes Arzneimittel kann beispielsweise bei Säuglingen oder Kleinkindern angewendet werden.

Die Wundversorgung einer akuten Wunde läuft in drei Phasen ab, die sich teilweise über- schneiden – die Exsudations-, die Granulations- und die Epithelisierungsphase.

Erste Hilfe bei Verbrennungen Die Versorgung einer Brandwunde sollte schnell nach dem Unfall erfolgen. Es ist empfehlenswert, kleinere Verbrennungen etwa 20 Minuten lang mit Wasser (Temperatur zwischen 15 und 20 °C) zu kühlen und sie im Anschluss mit einem sauberen, möglichst sterilen Tuch zu schützen. Entzündungshemmende Schmerzmittel wie Ibuprofen lindern die Beschwerden zusätzlich. Außerdem sollten PTA und Apotheker Betroffenen zur Anwendung von speziellen Wund- und Brandgelen raten. Diese wirken kühlend, feuchtigkeitsregulierend sowie heilungsfördernd und gewährleisten saubere Wundverhältnisse. Nach der Abheilung ist es sinnvoll, die Haut regelmäßig mit einer Creme zu pflegen und im Falle einer Sonnenexposition Lotionen mit hohem Lichtschutzfaktor aufzutragen.

Feucht heilt besser Zu Beginn der 1960er Jahre gab es einen Paradigmenwechsel im klinischen Wundmanagement. Ursache dafür war eine Veröffentlichung des britischen Mediziners George Winter im Fachmagazin „Lancet“. Winter zeigte, dass durch das Feuchthalten einer Verletzung eine schnellere Heilung möglich ist, das Risiko einer sichtbaren Narbenbildung vermindert und der für Verschorfungen typische Juckreiz reduziert werden. Die bis dahin bestehende Ansicht, Wunden sollten trocken gehalten werden und Schorf sei der beste Verband, war somit widerlegt. Aus dieser Entdeckung entstand das Prinzip der feuchten Wundheilung, welches durch den Einsatz von hydroaktiven Wundauflagen (Alginate, Hydrokolloide oder semipermeable Wundfolien) realisiert wird.

Das Verkleben mit der Wunde bleibt dadurch aus und die Auflagen lassen sich zudem schmerzfrei und gewebeschonend beseitigen. Für die Auswahl sind verschiedene Faktoren, wie etwa die Phase oder der Feuchtigkeitsgehalt der Verletzung relevant. Wasserverlust hemmende Hydrokolloid-Auflagen sind für feuchtes Gewebe ideal, während Hydrogele mit einem hohen Wassergehalt Feuchtigkeit spenden, wenn die Hydratation zu niedrig ist. Die feuchte Wundbehandlung lässt sich auch durch Präparate auf Gel-Basis umsetzen. Der enthaltene Wasseranteil des Arzneimittels spielt dabei eine entscheidende Rolle: Je größer dieser ist, umso effektiver ist die Befeuchtung der Wunde. Hydrogele sind mit einem Wasseranteil von bis zu 95 Prozent Mittel der Wahl.

Außerdem gewährleisten sie den Gasaustausch zwischen Verletzung und Umgebung, sodass Sauerstoff zur Wunde gelangt und Wasserdampf abgegeben werden kann. Auch der Abfluss beziehungsweise die Aufnahme des Wundsekrets sind bei der Anwendung von Hydrogelen sichergestellt. Vorsicht ist dagegen bei dem Einsatz von fetthaltigen Grundlagen wie Salben geboten, denn der Gasaustausch der Wunde wird durch die Entwicklung von Okklusionen gestört. Es bildet sich ein feuchter, undurchlässiger Raum, der die Ausbreitung der Infektion fördert.

Alternative Verfahren Durch die Verwendung von physikalischem Kaltplasma ist es möglich, die Wundheilung zu beschleunigen. Das sogenannte ionisierte Gas bildet sich, wenn einem Gasgemisch Energie zugeführt wird. Plasma gilt neben den Formen flüssig, fest und gasförmig als vierter Aggregatzustand. Kalte Plasmen sind direkt auf der Haut anzuwenden, indem sie mithilfe eines speziellen Stifts auf chronische und infizierte Wunden aufgetragen werden. Ein an die Plasma-​Energiequelle angeschlossener Applikator gibt die Substanz auf die Haut ab, wo sie die Bakterien abtötet. Eine weitere Therapieoption ist die Magnetfeldbehandlung. Hierbei handelt es sich um eine „Regulationstherapie“ zur Beschleunigung der Wundheilung. Vertreter dieser Richtung gehen davon aus, dass Wunden mit einer veränderten Orientierung der Atomkerne einhergehen.

Mit Strom erzeugte Magnetfelder sollen diese dazu bringen, sich wieder gleichmäßig auszurichten und zu drehen. Die Störungen sollen also dadurch behandelt werden, dass das Magnetfeld in die Körperzelle eindringt und den Heilungsprozess anregt. Auch der Einsatz technischer Möglichkeiten kann der Wundheilung dienen. Bei der Vakuumversiegelungstherapie wird beispielsweise mithilfe eines Schwamms ein Unterdruck erzeugt, sodass sich die Wunde zusammenzieht und schrumpft. Darüber hinaus begünstigt das Verfahren die Bildung neuen Gewebes, die Durchblutung sowie den Abtransport des Wundsekrets. Außerdem wird das Eindringen von Keimen in die Verletzung erschwert. Das Ziel einer Sauerstofftherapie besteht ebenfalls darin, die Wundheilung zu beschleunigen und Entzündungen zu bekämpfen. Betroffene atmen in computergesteuerten Druckkammern reinen Sauerstoff ein. Besonders günstig soll sich das Verfahren bei Personen mit Geschwüren durch Diabetes auswirken. Zur Behandlung chronischer Wunden eignet sich auch ein Hämoglobin-Spray. Dieses verbessert den Sauerstoffgehalt des Geschwürs. Die Wirksamkeit wurde bereits in einer Studie an Patienten mit Unterschenkelgeschwüren nachgewiesen.

Ekelhaft gesund Es klingt fies, soll aber helfen: Die Therapie mit Maden ist bei chronisch infizierten, therapieresistenten Wunden indiziert. Die Tiere werden direkt oder in sterilen Membranbeuteln auf die Wunde gelegt. Durch ihre Verdauungsenzyme lösen sie abgestorbene Gewebereste auf und verzehren diese, ohne gesundes Gewebe zu schädigen.

Neue Haut Ziele der Therapie von Keloiden sind deren Abflachung sowie die Linderung von Juckreiz und Schmerzen. Die unterschiedlichen Behandlungsmethoden gehen mit individuellen Erfolgen einher, sodass es sinnvoll ist, verschiedene Maßnahmen auszuprobieren, um sich dann für das effektivste Verfahren zu entscheiden. Keloide lassen sich mit Kompressionsverbänden behandeln, die mindestens ein halbes Jahr auf der entsprechenden Stelle verbleiben. Durch ihren Druck reduzieren sie die Entstehung von Wucherungen, sodass die Narbe langsam abflacht. Silikongele oder Silikongelfolien stellen eine Alternative dar. Die Gele sollten zweimal täglich auf das Gewebe aufgetragen werden, die Folien sind mindestens zwölf Stunden am Tag zu verwenden. Der Wirkmechanismus ist zwar noch nicht eindeutig geklärt, Experten nehmen jedoch an, dass die Narbe aufgrund einer Temperaturerhöhung, einer Hydratation sowie durch Änderung der Sauerstoffspannung erweicht.

Eine weitere Möglichkeit der Therapie von Keloiden besteht in der Applikation von Kälte durch Flüssigstickstoff (Kryotherapie). Das Gewebe soll dadurch weicher und flacher werden, allerdings können sich durch die Behandlung Wunden oder Krusten bilden und die Vermehrung des Narbengewebes begünstigen. Manchmal injiziert der Arzt Kortikosteroide in das Narbengewebe, um entzündliche Prozesse zu reduzieren und die Keloide abzuflachen. Auch durch Laserbehandlungen lassen sich Keloide optisch verbessern, indem die Höhe des Gewebes sowie Rötungen günstig beeinflusst werden. Von einer operativen Entfernung ist generell abzuraten, weil der Eingriff häufig zu Rückfällen mit noch aggressiverem Wachstumsverhalten führt. 

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 07/17 ab Seite 56.

Martina Görz, PTA und Fachjournalistin

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