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Sommergrippe

ERKÄLTUNG TROTZ HITZE

Husten, Schnupfen, Heiserkeit – das gibt es auch bei warmen Temperaturen. Doch was landläufig als „Sommergrippe“ bezeichnet wird, hat mit der eigentlichen Grippe nichts zu tun.

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Die Sommergrippe ist lediglich eine Erkältung, die im Volksmund auch als „grippaler Infekt“ bezeichnet wird – daher hat sie ihren Namen. Der Vergleich mit der Grippe rührt daher, dass die Symptome ähnlich sind. Man hat Fieber, Kopfschmerzen, einen rauen Hals, Husten und Schnupfen und fühlt sich meist generell elend.

Doch die richtige Grippe, die durch Influenzaviren ausgelöst wird, kommt fast nur in der kalten Jahreszeit vor, da diese Viren eine kühle und feuchte Umgebung bevorzugen. Außerdem verläuft die echte Grippe ungleich schwerer. Weltweit sterben daran jährlich etwa 500 000 Menschen. Die Sommergrippe hingegen ist lästig, aber im Prinzip ungefährlich.

Auslöser: spezielle Viren Wie kommt es dazu, dass man sich trotz warmer Temperaturen erkältet? Das scheint zuerst widersinnig, doch nicht nur im Winter sind Erkältungserreger unterwegs. Im Gegenteil: Jede Jahreszeit hat ihre eigenen Viren, die sich in diesem bestimmten Klima „wohlfühlen“. Während der Winter eher den Rhino- und Coronaviren zuträglich ist, gilt dies im Sommer vermehrt für Enteroviren, vor allem vom Typ Coxsackie. Sie sind bei einem feucht-warmen Klima besonders stabil und finden daher im Sommer die besten Bedingungen vor, um sich zu vermehren.

»Anders als gegen die echte Grippe kann man sich gegen eine Sommergrippe nicht impfen lassen.«

Dabei passiert dasselbe wie im Winter: Das Virus wird von Mensch zu Mensch übertragen, das heißt, die Gefahr sich anzustecken ist besonders dort groß, wo viele auf engem Raum zusammenkommen. Anders als die „Winterviren“ werden die Enteroviren meist nicht über eine Tröpfcheninfektion durch die Luft, sondern über Schmierinfektion übertragen, also durch Körperkontakt oder das Anfassen kontaminierter Flächen. Ist dann das Immunsystem nicht ganz auf der Höhe, kann man sich leicht anstecken.

Abwehrkräfte werden gefordert Gerade im Sommer muss der Körper Höchstleistungen vollbringen. Häufig wechselt man von klimatisierten Räumen oder Autos in die sommerliche Hitze: Solch starke Temperaturschwankungen sind für den Körper wie ein Schock. Er versucht, seine Temperatur durch vermehrtes Schwitzen zu senken. Der verdunstende Schweiß kühlt die Haut enorm ab, möglicherweise so stark, sodass man sich tatsächlich trotz der warmen Temperaturen „verkühlt“.

Gleiches passiert, wenn man der Sommerhitze durch stundenlanges Planschen oder Schwimmen zu entkommen versucht, sich danach möglicherweise noch von der Sonne trocknen lässt und dabei die nassen Badesachen anbehält. Der Körper muss dann Schwerstarbeit leisten, um die starken Temperaturschwankungen auszugleichen. Das wiederum bedeutet Stress, was ebenfalls die Abwehrkräfte schwächt.

Aber auch extrem lange Sonnenbäder belasten den Körper, genau so wie das Fahren mit offenem Fenster. Denn hierbei trocknen die Schleimhäute extrem aus, sodass sie ihre Funktion als Barriere gegen Krankheitserreger nicht mehr richtig erfüllen können.

Tür und Tor geöffnet Auch wer sich im Sommer längere Zeit intensiv bewegt, läuft mehr als andere Gefahr, sich mit einer Sommergrippe zu infizieren. Denn jede sportliche Betätigung, die länger als eine Stunde dauert, schwächt das Immunsystem des Körpers für bis zu 24 Stunden. Sportmediziner sprechen vom „Open Window Effect“, weil der Organismus noch mit anderen Dingen wie zum Beispiel der Muskelregeneration beschäftigt ist und die Krankheitserreger sich so zunächst im Körper ausbreiten können, ohne bekämpft zu werden.

ENTEROVIREN
Diese gehören wie auch die Rhinoviren zu der Familie der Picornaviridae. Das „pico“ für klein im Namen dieser RNA-Viren rührt daher, dass sie mit 22 bis 30 Nanometer zu den kleinsten bekannten Viren zählen. Die Gruppe der Enteroviren lässt sich weiter in die Serotypen der Coxsackieviren A und B, ECHO - Viren, Enteroviren und Polioviren unterteilen. Allein gegen die Letzten, die die Krankheit Poliomyelitis (besser bekannt als Polio oder Kinderlähmung) hervorrufen, ist eine Impfung möglich. Die Übertragung der Enteroviren, die weltweit vorkommen, erfolgt fäkal-oral sowie durch Tröpfcheninfektion, also durch Niesen, Husten oder Sprechen.

Mäßige Bewegung hingegen, bei der man nicht schwitzt, ist im Sommer positiv, denn sie stärkt den Organismus. So regt die vermehrte Sauerstoffzufuhr die Durchblutung an, während das Sonnenlicht die Vitamin-D-Produktion steigert. Eine Unterversorgung mit Vitamin D scheint direkte Auswirkungen auf das Immunsystem zu haben und erhöht zum Beispiel bei Kindern das Risiko für Erkrankungen der Atemwege.

Daher sollte man einem solchen Mangel frühzeitig vorbeugen. So kann der Körper bereits genügend Vitamin D produzieren, wenn man Gesicht und Oberarme dem Sonnenlicht täglich zehn Minuten aussetzt. Selbst an einem bedeckten Tag reichen hierfür schon 20 Minuten. Wer über eine besonders helle Haut verfügt oder auch sonst schnell zu Sonnenbrand neigt, sollte die Vitamin-D-Produktion über eine Tageslichtlampe ankurbeln oder es durch Supplemente zu sich nehmen. Empfohlen ist eine Tagesration von 20 Mikrogramm.

Symptome wie bei einer normalen Erkältung Genau wie bei Rhino- oder Coronaviren sind die Symptome einer Infektion mit Enteroviren grippeähnlich. Die Inkubationszeit kann bis zu 35 Tage betragen, liegt meist aber bei ein bis drei Tagen. Erste Symptome sind häufig Halskratzen, juckende Nase und erhöhte Temperatur. Später können Husten, Schnupfen, Gliederschmerzen und seltener auch Übelkeit und Durchfall auftreten.

Manchmal ist das Immunsystem so angeschlagen, dass es neben der viralen Infektion noch zu einer bakteriellen Superinfektion kommt, die Mittelohrentzündungen, Bronchitis oder Nasennebenhöhlenentzündungen verursachen kann. Diese Bakterien müssen dann unter Umständen mit Antibiotika bekämpft werden. Gegen die normalen Symptome einer Sommergrippe nützen Antibiotika allerdings nichts, da diese Medikamente nicht gegen Viren wirksam sind.

Mit Medikamenten eine Woche, ohne sieben Tage Wie bei einer normalen Erkältung gilt daher: Am besten einfach nur dem Immunsystem die Möglichkeit geben, die Krankheit zu bekämpfen. Medikamente können unterstützend wirken, doch meist klingen die Symptome einer Sommergrippe auch ohne nach etwa einer Woche wieder ab. Wichtig ist auf jeden Fall Bettruhe, auch, wenn dies bei schönem Wetter schwer fällt. Die Bettdecke sollte dabei leicht, aber wärmend sein. Schwitzt man im Bett, muss man regelmäßig Bett- und Nachtwäsche wechseln.

Um trockenen Schleimhäuten vorzubeugen, ist eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr notwendig. Am besten eignen sich hierfür Getränke, die Zimmertemperatur haben. Auf Eisgekühltes sollte man lieber verzichten. Die Feuchtigkeit der Nasenschleimhäute kann man durch eine Nasendusche mit isotonischer Salzlösung unterstützen. Wichtig ist auch, dass der Unterschied zwischen Raum- und Außentemperatur nicht mehr als sechs Grad beträgt. Die Füße sollten immer warmgehalten werden, da kalte Füße Erkältungskrankheiten begünstigen.

Hausmittel helfen Damit das Immunsystem mit den Erregern leichter fertig wird, ist vitaminreiche Nahrung essenziell. Fette, schwere Speisen sollten hingegen tabu sein, denn für ihre Verdauung verbraucht der Organismus wichtige Energie, die damit für die Genesung verloren geht. Hilfreich ist frischer Ingwer, der in kleinen Mengen roh gegessen oder ins Trinkwasser gegeben die Durchblutung anregt und so den Abtransport schädlicher Stoffwechselprodukte fördert.

KINDER HÄUFIGER BETROFFEN
Da die Schleimhaut bei Kindern unter 15 Jahren noch relativ zäh und ihr Immunsystem noch nicht vollständig ausgebildet ist, erkranken sie weit häufiger als Erwachsene an grippalen Infekten. Dazu kommt im Sommer noch eine gewisse Sorglosigkeit: Kinder überlegen nicht lange, ob sie bei sengender Hitze zwei Stunden mit ihren Freunden schwimmen gehen oder Sport treiben wollen – sie tun es einfach. Daher sind gerade sie häufig von der Sommergrippe betroffen, und viele erwischt es sogar mehrmals in einer Saison.

Umso wichtiger ist es, dass die Eltern darauf achten, das Immunsystem ihres Kindes zu schützen. Da Enteroviren auch im Darm siedeln und zudem durch Schmierinfektion von Fäkalien übertragen werden können, sollten Kinder dazu angehalten werden, gerade im Sommer besonders häufig die Hände zu waschen. Eine gute Handhygiene gilt natürlich auch für Erwachsene als beste Vorbeugung gegen den Infekt.

Wissenschaftlich bewiesen ist, dass Hühnerbrühe den Genesungsprozess unterstützt. Allerdings muss sie selbstgemacht sein. Dazu kocht man ein frisches Huhn mit Suppengemüse sowie ein wenig Salz und Pfeffer gar, lässt die Brühe erkalten und trinkt davon zweimal am Tag jeweils ein Glas. Gegen Halsschmerzen helfen Wickel, die auf keinen Fall warm sondern feucht-kalt sein sollten. Dazu taucht man ein Baumwolltuch in kühles Wasser, legt es locker um den Hals und fixiert es mit einem weiteren Tuch oder Schal. Ist der Wickel zu warm geworden, wird er abgenommen. Um die kühlende Wirkung zu unterstützen, kann man zusätzlich noch Quark auf den Wickel geben.

Mund- und Rachenspülungen mit Salbei oder Kamille wirken entzündungshemmend. Dazu nimmt man einen Löffel des jeweiligen Krauts, übergießt es mit einem halben Liter kochendem Wasser und lässt es 20 Minuten stehen. Die abgeseihte Flüssigkeit kann man dann zum Gurgeln verwenden. Gegen Fieber helfen kühle Wadenwickel, wozu man sich nasse Baumwolltücher um die Waden legt. Nach dem Fixieren mit einem trockenen Tuch sollte man sich sofort unter die Bettdecke legen. Nach etwa einer Viertelstunde sollte man die Wickel erneuern.

Die „Heimsauna“ ist ebenfalls nützlich: Dazu duscht man den Körper zunächst einmal ab ohne ihn abzutrocknen, zieht einen Bademantel an und wickelt sich eng in eine sehr warme Wolldecke, über die noch eine weitere warme Decke kommt. So eingewickelt schwitzt man sehr stark, was durch das Trinken von heißem Lindenblütentee noch unterstützt werden kann. Nach etwa einer Viertelstunde duscht man sich dann ab und reibt sich gut trocken. Danach ist unbedingt Bettruhe angesagt.

Helfer aus der Apotheke Natürlich kann man seine Abwehrkräfte auch noch mit bestimmten Präparaten unterstützen. Wichtig sind Zink und Vitamin C, die man als Supplement zu sich nehmen kann. Echinaceaprodukte, die früher häufig bei Erkältungen eingenommen wurden, können allergische Reaktionen hervorrufen. Gerade für Kinder ist die Anwendung daher nicht zu empfehlen.

Ein Produkt aus Pelargonienwurzelextrakt wird indes immer beliebter. Tatsächlich zeigte eine Meta-Analyse der Cochrane Collaboration, dass eine Rhinosinusitis bei Erwachsenen dadurch abgeschwächt werden kann. Auch bei einer akuten Bronchitis kann das Produkt bei Erwachsenen und Kindern die Symptome lindern. Es ist allerdings nicht nebenwirkungsfrei, sondern kann Hautreizungen und möglicherweise auch Leberschädigungen hervorrufen.

ZECKEN ALS URSACHE
Fieber, Kopfschmerzen, sich „grippig“ fühlen – diese Symptome können auch nach einem Zeckenbiss auftreten, nämlich durch die Borreliose. Problem dabei: Nicht bei allen Betroffenen bildet sich die typische Wanderröte (Erythema migrans) rund um den Zeckenbiss aus. Ein Arzt sollte dann abklären, ob und welche Bluttests bereits aussagekräftig sind, um Borreliose-Antikörper nachzuweisen. Ist die Hautrötung vorhanden, wird zumeist gleich auch ohne entsprechenden Antikörpernachweis ein Antibiotikum verordnet.

Außerdem wirkt es durch die darin enthaltenen Kumarine blutverdünnend und ist daher für Menschen mit Gerinnungsstörungen oder bei gleichzeitiger Einnahme anderer blutverdünnender Medikamente kontraindiziert. Der Pelargonienwurzelextrakt ist in Alkohol gelöst, was für die Anwendung bei Kindern als kritisch eingestuft wird. Die Hersteller berufen sich jedoch darauf, dass der Alkoholgehalt weit unter dem eines Glases Apfelsaft liege und somit für Kinder unbedenklich sei.

Wann zum Arzt? Ist die Sommergrippe nach einer, höchstens zwei Wochen nicht abgeklungen, oder verschlechtert sich der Allgemeinzustand drastisch (hohes Fieber, grüner Nasenausfluss, starke Abgeschlagenheit, Atembeschwerden oder starke Kopfschmerzen), sollte man zum Arzt gehen. Zum einen können durch eine bakterielle Superinfektion noch andere Krankheiten ausgebrochen sein. Zum anderen sind Enteroviren nicht nur für grippale Infekte verantwortlich, sondern können auch so lebensbedrohliche Krankheiten wie Meningitis (Hirnhautentzündung) oder Myokarditis (Herzmuskelentzündung) auslösen.

Zudem gibt es vereinzelt Fälle der echten Grippe, die in der warmen Jahreszeit auftreten. So erkrankten Menschen auch im Frühjahr und Sommer an der Schweinegrippe. Allerdings treten die Symptome bei der echten Grippe meist schlagartig auf, während sie sich bei einem grippalen Infekt langsam steigern. Fühlt man sich also von jetzt auf gleich völlig elend und abgeschlagen, sollte man auf jeden Fall zum Arzt und abklären lassen, ob es sich vielleicht doch um eine Influenza handelt.

Am besten vorbeugen Anders als gegen die echte Grippe kann man sich gegen eine Sommergrippe nicht impfen lassen. Um eine Infektion zu vermeiden, hilft also nur vorbeugen. Dazu gehören die Stärkung der Immunabwehr, das Vermeiden von stundenlanger sportlicher Anstrengung, eine ausgewogene Ernährung, ausreichend Schlaf und möglichst wenig Stress. Da Alkohol und Tabak das Immunsystem schwächen, sollte man bei den ersten Anzeichen eines grippalen Infektes sofort darauf verzichten.

Problematisch sind auch die Klimaanlagen im Flugzeug, da sie die Schleimhäute besonders stark austrocknen. Ergebnis: Jeder Fünfte hat durch die geschwächte Abwehr und die ungewohnten Virenstämme in fremden Ländern fast die Hälfte seines Urlaubs mit einem grippalen Infekt zu kämpfen.

In den Ferien sollte man also noch mehr auf Handhygiene achten als sowieso schon, und bereits im Flugzeug sehr viel – natürlich alkoholfreie! – Flüssigkeit zu sich nehmen. Außerdem sollte man sich mit einer Decke vor Zugluft schützen, im Handgepäck noch ein warmes Kleidungsstück dabei haben und es die ersten zwei bis drei Urlaubstage etwas langsamer angehen lassen.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 07/14 ab Seite 14.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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